Auf ihrem letzten Album “Die Summe der Vereinzelung” beklagte die Wiener Songwriterin Sophia Blenda die “Glorifizierung des weiblichen Schmerzes”, in der Künstlerinnen wie Lana Del Rey, Billie Eilish oder Phoebe Bridgers ihre Geschäftsgrundlage sähen. Das kann man sehen, wie man möchte – aber dass es in der heutigen Indie-Szene eine ganze Generation von Künstlerinnen gibt, die in der schonungslosen Offenlegung ihres persönlichen Befindens ein Leitmotiv für ihr kreatives Tun gefunden hat, lässt sich ja nun nicht abstreiten.
Zu dieser Kategorie zählt auch die junge Newcomerin Kayla Shyx, die im Alter von gerade mal 18 Jahren bereits auf ein Leben voller persönlicher Rückschläge, schwieriger Verhältnisse, Krisen, Depressionen und Therapien zurückblickt, die sie dann in Form von zum Teil nachdenklichen, zum Teil aber auch kämpferischer Elegien musikalisch verarbeitet. Der Unterschied zu den vorgenannten Acts ist dabei der, dass sie sich dazu entschieden hat, diese Art von musikalischer Autotherapie auf Deutsch aufzubereiten – und dabei aber nicht auf generischen Wegwerf-Pop zu setzen, sondern auf auf eine Riege gewiefter Kollaborateure, die sich redlich Mühe gaben, Kaylas Elegien musikalisch kurzweilig mit allen möglichen Facetten des zeitgemäßen Indie-Pop zu unterlegen, wie man ihn auch von international tätigen Vorreiterinnen gewohnt ist.
Dazu gehören dann zwar auch flotte E-Pop-Nummern wie “blauäugig”, Power-Pop a la “mhm, mhm” oder Trip Hop-Elegien wie “Don’t Worry About Him” – aber eben auch Gitarren-orientierte Indie-Pop-Tracks wie das einleitende “Sad Girl Summer”, “Schmetterlinge”, “Prom Night”, “wieder” oder das “Sonntag-Outro”. Rock-Musik ist das dann noch lange nicht – aber gerade die Vielzahl verschiedener Produzenten erweist sich hier erstaunlicherweise als Glücksfall, denn diese kitzeln aus dem Material Facetten heraus, die in einem generischen, geradlinigen Pop-Umfeld Kaylas mit trotzig/resilienter Note vorgetragenen, vertonte, elegische Tagebucheinträge weniger effektiv hätten unterstützen können. Als Role-Model ist Kayla Shyx ja eher noch zu jung – sie ist aber auf jedem Fall auf dem besten Weg dorthin.
„Sad Girl Summer“ von Kayla Shyx erscheint auf Jive/Sony Music.