Irgendwie müssen ja alle integeren Künstler irgendwie versuchen, einen eigenen Weg durch den Dschungel des Musikbusiness zu finden, wenn sie nicht im schnelllebigen Wirrwar aus Streaming-Plattformen und Social-Media-Clicks untergehen wollten. Bislang versuchte Balbina über eine geradezu luxuriöse Ausgestaltung ihrer physischen Releases einen Mehrwert zu erschaffen, der über das wertfreie Streamen nicht abgebildet werden konnte. Dieses Mal versucht sie etwas ganz anderes: Die acht neuen Songs ihres Albums „Infinity Tunes“ werden begleitet von einem 290-seitigen digitalen „Tagebuch“, in dem das Thema „Infinity“ auf alle erdenklichen Weisen – durch Collagen, Fotos, Zeichnungen, Texte und Gedichte und typographische Elemente – graphisch interpretiert wird.
Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich das für Balbina auszahlen wird und ob dieses Experiment funktioniert – aber auf jeden Fall ist das ein innovatives Konzept, das auch eine ganz neue Möglichkeit bietet, sich mit der Musik von Balbina auch jenseits der Online-Existenz digital auseinanderzusetzen.
Das Album selbst entstand unter dem Eindruck des Todes von Balbinas Vater. Das war keineswegs so geplant und führte auch dazu, dass Balbina eine ganze, fertige Songsammlung in die Tonne drückte und einen neuen Songreigen schrieb, um dem Thema gerecht werden zu können. Es führte ebenfalls dazu, dass das Album nun sehr viel persönlicher ausgefallen ist, als sich das Balbina selbst vielleicht vorgestellt haben mag. So nutzt Balbina die Gelegenheit, neben dem Tod des Vaters auch die eigene und die gemeinsame Geschichte zu thematisieren, auf ihre Kindheit und ihre Herkunft und – auf der Suche nach dem bestmöglichen Ich – auch die Selbstwahrnehmung und das Innenleben einzugehen. Dabei agiert sie als Lyrikerin sehr viel direkter und weniger verkopft – gleichsam dann auch verständlicher und zugänglicher – als das vielleicht zu erwarten gewesen wäre.
Dass das ganze Album – das wie gewohnt mit Balbinas Team um Benjamin Bistrom entstand und auch wieder Beiträge des Filmorchesters Babelsberg enthält – insgesamt melancholischer und gedämpfter ausgefallen ist als die bisherigen Alben, liegt auf der Hand. Es konnte unter den gegebenen Umständen ja auch nicht darum gehen, revolutionäre Experimente anzustoßen oder in Sachen Pop zu agieren, sondern darum, stattdessen den richtigen Ton für die gewählten Themen zu finden. Fast – so scheint es – als sei Balbina durch den unerwarteten Tod des Vaters auf dem falschen Fuß erwischt worden, habe dann aber diesen Umstand dazu genutzt, sich als Künstlerin neu aufzustellen und sich nahbarer, verletzlicher und persönlicher als gewohnt zu präsentieren.
„Infinty Tunes“ von Balbina erscheint auf Polkadot.