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Musik aus dem Dreamliner
Die kanadische Musikerin Bria Salmena ist in so vielen Projekten verwickelt, dass man Angst haben könnte, die Dame habe Probleme, diese auseinanderzuhalten. Dem ist aber nicht so, denn ihre Alter Egos hat Salmena offensichtlich gut im Griff und machte dann bei ihrem Köln-Debüt im Jaki Club auch von vornherein deutlich, dass es bei der Show einzig um ihr Solo-Projekt als Bria Salmena und ihr Debüt-Album „Big Dog“ gehen sollte – und entschuldigte sich bei allen, die vielleicht gehofft hatten, dass sie auch ihr Projekt „Cuntry Covers“ (welches sie noch ohne ihren Nachnamen im Suffix gestartet hatte) präsentieren würde. Auf ihre Rolle als Frontfrau der kanadischen Postpunk-Band Frigs ging sie nicht mal am Rande ein und auch ihre Rolle als Sängerin in der Orville Peck Band und ihr Gast-Beitrag bei dem Projekt U.S. Girls ihrer Freundin Meg Remy blieben unerwähnt.
Wie Bria Salmena und ihre Band, so ist auch der als Support-Act gebuchte Art-Rocker Greg Freeman aus dem Ort Burlington in Vermont zuvor noch nie in Deutschland gewesen – und musste dann auch erst mal damit zurechtkommen, dass die Fans hierzulande zunächst mal zuhören und erst im Anschluss ihrer Begeisterung durch Klatschen kundtun, als etwa sogleich in einen trunkenen Austausch mit den Musikern zu treten, wie das in Nordamerika der Fall ist. Vielleicht war auch das der Grund, warum sich der Mann einen Großteil seiner Show damit verbrachte, sich mit dem Rücken zum Publikum seinem Drummer zuzuwenden, um seine zugegebenermaßen faszinierend intensive Gitarrenarbeit zu leisten.
Da für die Anwesenden sowieso alle seiner Songs neu waren, spielte er dann nicht nur Tracks seines Debüt-Albums „I Looked Out“, sondern auch solche von seiner kommenden LP „Burnover“. Die Musik von Greg Freeman in Worte zu packen, ist dabei nicht so ganz einfach. Prinzipiell ist Freeman zunächst mal ein klassischer konfessioneller Songwriter, der aber sein Material gerne in Form komplex strukturierter Art-Rock-Arrangements mit Prog- und Glam-Flair verpackt. In seiner Live-Band spielte etwa eine Saxophonistin mit, die gleich einen Hauch von Roxy Music mit ins Geschehen einbrachte, während sich Freeman nach Art von Stephen Malkmus im Stakkato-Jamming betätigte und sich mit entsprechend hysterisch überdrehten Vokalbeiträgen die Seele aus den angeschwollenen Adern sang. Das bretterte dann entweder in Songs wie „Colorado“ weitestgehend ungebremst daher oder aber schmirgelte mit einer Prise Dystopie in Songs wie „Come And Change My Body“ oder „Long Distance Driver“ (von dem es auf der LP auch eine versöhnliche Akustik-Version mit Kollegin Merce Lemon gibt) mit einer gewissen – von Eruptionen unterbrochenen – Unerbittlichkeit daher. Das war dann überraschend unterhaltsam und passte auch ganz gut zu der manischen Note, die Bria Salmena und ihre MusikerInnen im Folgenden demonstrieren sollten. Ohne Frage hätte Greg Freeman mit dieser Art von Musik in den 90ern eine lukrative Karriere als eigenwilliges Indie-Idol bevorgestanden. Die Frage ist dann die, ob so was dann heutzutage auch noch möglich ist.
Für ihre erste Tour in Europa hatte Bria Salmena das von ihren US-Shows her bekannte Live-Setup übernommen und spielte zwar mit Band – aber ohne Live-Drummer. Die notwendigen Beats kamen dann vom sogenannten „Dreamliner“. Das war dann im Wesentlichen ein Tisch mit jeder Menge Effektgeräten, Switches, Trigger-Pads, Samplern und Loop-Stations, die von Brias Partner Duncan Hay Jennings – der zugleich als Gitarrist mit seinem auch nicht gerade kleinen Pedal-Board tätig war – verwaltet bzw. „gefahren“ wurde, wie Bria erklärte. Zusätzlich gab es dann noch ein Keyboard, einen echten Bass und einen Bass-Synthesizer sowie Brias eigene Gitarren, zu denen sie je nach Notwendigkeit griff – oder eben nicht. Auf jeden Fall gab es auf diese Weise genügend Möglichkeiten, die komplexen Arrangements der „Big Dog“-LP in ansprechender Weise im Live-Kontext neu zu interpretieren.
Eine Sache fiel dann gleich auf: Während die Balance zwischen Spannung, Auflösung und geradliniger Unerbittlichkeit bei der Studio-Produktion – unabhängig von der jeweiligen stilistischen Ausrichtung des Materials – ziemlich ausgewogen ist, ging es bei der Live-Show eher darum, die melodischen Aspekte von Songs wie „Back Of Birds“ oder „Hammer“ zu betonen und deutlich mehr Druck und Auflösung als Spannung ins Spiel zu bringen. „Habe ich das getan?“, fragte Bria nach der Show auf eine entsprechende Anmerkung hin, „dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben, Spannung zu erzeugen.“ Nun ja – spannend war die Show natürlich schon alleine deswegen, weil Bria und die Band hier ganz in IHREM Element waren und alles daran legten, mit ihrem wirklich attraktiven, innovativen und stets unterhaltsamen Mix aus Darkwave-, New Wave-, Art- und Dreampop, Psychedelia und Indie- und Prog-Rock-Elementen die bisherigen musikalischen Aktivitäten vergessen zu machen. Das wird dann auch der Grund gewesen sein, weswegen Bria das „Cuntry Covers“-Projekt außen vor ließ.
Aufgrund dieser Tatsache fiel die Show dann auch recht kurz aus, denn außer den Songs vom „Big Dog“-Album hatte Bria nur noch den Nicht-LP-Track „Bend Over Backwards“ und einen noch unveröffentlichten, neuen Song mit dem Arbeits-Titel „Snip“ im Angebot. Letzterer verband übrigens vielversprechend so ziemlich alle Aspekte von Brias Tun in sich vereinte. Als Performerin überzeugte Bria Salmena weniger durch eine wilde Bühnenshow, sondern durch eine wohldosierte künstlerische Professionalität und eine leicht snobbistische Coolness, die letztlich aber gar nicht so unterkühlt rüberkam, weil sich Bria offensichtlich emotional engagierte – nur halt nicht durch Anbiederung.
Gesanglich oft unterstützt von der Keyboarderin Jaime McCuaig betätigte sich Bria abwechselnd als Solo-Croonerin, die auch schon mal am Bühnenrand die Zuschauer anspielte oder aber als singende Gitarristin. Duncan Hay Jennings machte sich gar nicht erst die Mühe, unter seiner Kappe hervorzulugen und konzentrierte sich stattdessen darauf, die verschiedenen Effekte seiner Gitarre und eben die Sound-Effekte des „Dreamliners“ zu koordinieren. Bassist Lucas Savatti (der wie Bria und Duncan auch bei dem Projekt Frigs wie auch Orville Pecks Tourband tätig ist) agierte als Performer eher unauffällig im Hintergrund, prägte aber auch ohne Live-Drummer das Geschehen deutlich – mal mit organischem, mal mit elektronischem Bass, aber in beiden Fällen mit viel Punch. Highlights gab es dann so einige – vielleicht sogar solche, die man zuvor gar nicht auf dem Schirm gehabt hatte – wie z.B. die als transzendente Ballade ausgeführte Nummer „Twilight“, bei der Bria sogar zur akustischen Gitarre griff. Auf der anderen Seite der Palette stand dann der Song „Stretch The Struggle“ als Musterbeispiel für die Spannungs- und Release-Taktik der Bria Salmena Band; denn in dem Fall kippt der eher club-orientierte, pulsierende Track erst spät in eine Rock-Nummer um – dann aber richtig schön extatisch.
Letztlich war das dann ein sehr spannender Showcase-Abend – zu dem sich freilich nur eine Handvoll Fans eingefunden hatte (und zwar solche, die sich – wie Bria Salmena auch – keiner bestimmten Kategorie zuordnen ließen). Das ist dann eben der Preis, den man als Künstler zahlen muss, wenn man sich keiner bestimmten musikalischen Fakultät unterordnen möchte. Fast schon erstaunlich, dass die Show nicht im Vorfeld wegen mangelnder Vorverkäufe abgesagt worden war. Darauf angesprochen meinte Bria: „Nein – so etwas würde ich niemals tun!“ Das muss wohl damit zusammenhängen, dass sie sich als Kanadierin nicht der diesbezüglichen Tendenz ihrer amerikanischen KollegInnen angeschlossen hat. Für die Anwesenden war das dann natürlich ein Glücksfall, denn so vielseitige und wandlungsfähige Künstlerinnen wie Bria Salmena bekommt man ja auch nicht so häufig zu Gesicht.