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Als Bassistin, Sängerin und Co-Songwriterin der Londoner Band The Magic Numbers ist Michele Stodart auch in unseren Breiten kein unbeschriebenes Blatt. Zurzeit arbeitet sie mit ihrem Bruder Romero und den Geschwistern Angela und Sean Gammon auch an neuen Songs, die dann mit einem neuen Album – hoffentlich im nächsten Jahr – die durch die Pandemie unterbrochene Laufbahn nach dem 2018er Werk „Outsiders“ weiter fortschreiben soll. Weniger bekannt ist der Umstand, dass Michele als Produzentin und Songwriterin auch eine Karriere als Solo- und Co-Songwriterin (etwa mit KollegInnen wie Kathryn Williams, Louis Brennan oder Hannah White) verfolgt, die sie zuletzt mit ihrem dritten Album „Invitation“ krönte und im Rahmen dessen auch als Kuratorin von Festivals und Veranstaltungen – sowie als Gelegenheits-Schauspielerin – agiert. Einen „ordentlichen Job“ hat Michele dabei nicht – stattdessen hat sie sich mit Haut und Haaren der Musik verschrieben. Bevor sie nun für einen Auftritt beim legendären Static Roots Festival eine Stippvisite in unseren Landen absolvieren wird, ist es an der Zeit, Michele noch einmal als Songwriterin vorzustellen – und dabei mit unseren berüchtigten zehn Fragen zu konfrontieren.
Das Album „Invitation“ ist musikalisch als transzendente, stilistisch ungebundene Mediation über bestimmte Themen angelegt, die Michele Stodart zur Zeit am Herzen liegen. Auf ihrer Bandcamp-Seite resümierte Michele darüber, dass sie das Album als eine „Einladung zur Düsternis“ betrachte und darüber hinaus als allgemeine Kontemplation über die Rolle der Frau(en) in der Musikindustrie und im Leben. Wie ist das denn zu verstehen bzw. wie passt das zusammen? „Eigentlich ist das Album eher als Einladung, sich selbst kennenzulernen gemeint“, verrät Michele, „aber auch als Einladung, sich verletzlich zu zeigen und mit anderen in einer aufrichtigen Weise eine Verbindung einzugehen. Es geht darum, seine Karten auf den Tisch zu legen, aber auch darum, die Düsternis und den Schmerz zu verarbeiten und zu teilen, den so etwas mit sich bringt. Es geht auch um die Akzeptanz von Umständen, die man nicht verändern kann und von sich selbst. Ich lege mit dem Album offen, dass ich da bin und verschiedene Dinge verarbeite. Als Songwriterin geht es ja sowieso um die endlose Suche nach Kommunikation und Verbindungen und deren Bedeutung. Wenn man älter wird, dann taucht man halt diesbezüglich tiefer ein. Ich beobachte auch mit Interesse, wie jüngere Leute heutzutage Dinge auf eine andere Weise hinterfragen als wir früher. Ich arbeite auch gerade an einem Poesie-Band zum Album, weil es nie nur um eine Seite einer Geschichte – oder eines Songs – geht.“
Und was hat es mit der Rolle der Frauen auf sich? „Die Widmung an die Frauen in meinem Leben und die Frauen als solche kommt über eine unangenehme Situation in meinem Leben zustande – als ich mich in einer schwierigen Beziehung sehr eingeengt fühlte. Diese Situation hat mich fast zum Verstummen gebracht. Und auf diese Weise meine ich, meine Stimme zurückzugewinnen, war ein großer Teil der Reise dieses Albums. Das Ganze thematisiere ich auch in dem Video zu dem Song „These Bones“. Je mehr ich mich mit Freundinnen unterhalte, desto mehr realisiere ich, dass unsere Stimmen im Allgemeinen nicht auf die Weise gehört werden, die notwendig wäre. Das ist ein weiterer Aspekt der Einladung: Dass ich Frauen einlade, in die Konversation mit einzusteigen und unsere Stimmen zurückzufordern. Es ist eine sehr persönliche Reise, die auch noch nicht beendet ist. Es geht also nicht nur um meine eigene Geschichte, sondern ich möchte den Zuhörer mit auf eine Reise nehmen und dieser soll die Reise auch zu seiner eigenen machen können. Die Musik ist dabei das Transportmedium.“
Was bedeutet das denn in Bezug auf Micheles Situation im Leben und der Musik? „Musik ist für mich immer so etwas wie meine Lebensader gewesen. Ich war früher auf geradezu lächerliche Weise ängstlich und schüchtern – und Musik hat mir geholfen, mein Selbstvertrauen zu finden und mir eine Stimme gegeben, die ich dazu verwenden kann, um Verbindungen herzustellen. Ich bin jetzt an einem Platz in meinem Leben angekommen, wo ich mit Gelassenheit auch die düsteren Aspekte betrachten kann, indem ich mit anderen Menschen zusammenarbeiten kann, um eine musikalische Familie zu etablieren. Musik ist wie zu atmen.“
Da Michele ihre eigenen Alben immer um den Zeitplan der Magic Numbers herum planen muss, ist anzunehmen, dass es vor einem neuen Solo-Album erst mal das nächste Magic Numbers-Album geben wird. Eine „richtige“ Tournee hat Michele aber zumindest mal für das nächste Jahr angedacht.
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Etwas, was meine Aufmerksamkeit erregt und sich dann festsetzt. Das kann das kleinste Ding sein – eine Stimme, eine Textzeile, ein Vibe, ein Groove. Ein Song, der mich mitnimmt und mit Beschlag belegt, ist ein guter Song für mich.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Dem Song zu dienen. Ich mag Genres nicht so sehr, sondern betrachte die Musik immer mehr als Gemeinschaftsleistung. Vermutlich werden viele Musiker mir darin zustimmen, dass es uns nicht weiterbringt, wenn man immer denselben Schemata und Formaten folgt.
Mein Ansatz ist dann stets der, dass ich frage, was der Song braucht und was sein Zweck und seine Aufgabe ist, was seine Geschichte ist und wie wir die Menschen zum Zuhören bringen könnten. Wir möchten die Zuhörer dann mit auf eine Reise nehmen, die auf diesem Album eine cinematische Qualität angenommen hat. Das führte dann selbst zu einem inspirierendem Ansatz – und nicht zum Anstreben eines bestimmten Genres.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Ich möchte, dass so viele Menschen wie möglich mein Album hören – denn ich bin super stolz darauf. Es war eine lange Reise für mich und ich hoffe, dass ich damit Verbindungen knüpfen kann, dass ich Hoffnung vermitteln kann und dass ich mit den Menschen wachsen kann. Das gilt auch für meine nächste Scheibe.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Oh – gute Frage. Weißt du, ich bin nicht gut darin, mir Sachen zu kaufen. Ich kaufe eher Sachen für andere. Aber in dem Fall war es so, dass ich meine 1964er Gibson Hummingbird Akustikgitarre gekauft habe.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Es waren sogar zwei Ereignisse. Eines davon war, als ich meine Familie, meine Verwandten und meine Mutter dabei beobachtete, wie sie der Gesang von Patsy Cline zu Tränen rührte – das hat mich total mitgenommen und ich liebte, dass die Musik als solche so etwas verursachen konnte. Und die andere Sache war die, als ich Conor Oberst allein mit seiner Gitarre in der Grand Ole Opry auftreten sah. Da wurde mir klar, dass man Geschichten auf diese Weise in die Welt entlassen kann, wo die Songs dann für immer leben werden und wo sie die Menschen in ihrer eigenen Zeit finden können.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Ich habe viele Träume und bin eine große Träumerin. Ich habe auch viele ambitionierte Gedanken. Ja, ich lebe meinen Traum aber auch. Es hat eine lange Zeit gebraucht, bis ich wirklich an mich als Solo-Künstlerin glauben konnte und das dann mit Hingabe und Beständigkeit realisieren zu können, ist schon sehr lange mein Traum gewesen und den lebe ich gerade.
7. Was war deine größte Niederlage?
Mein innerer Kritiker. Wir können ja selbst unsere schlimmsten Feinde sein und uns die schrecklichsten Geschichten erzählen, die uns dann aufhalten können. Das Kunststück ist dann, nicht an diese Geschichten zu glauben, die da aus deinem Geist entspringen. Heh – da gibt es sicherlich noch Material für den einen oder anderen Song…
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Das, was ich als Solo-Künstlerin mache, fortsetzen zu können und mich als Musikerin mit vielen verschiedenen Projekten befassen zu können. Im Laufe der Zeit hat die Musik für mich so an Leichtigkeit gewonnen. Das ist aufregend.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Darüber habe ich mich neulich mit meiner Tochter unterhalten. Und wir haben übereingestimmt, dass es der Song „Gnarly“ der K-Pop-Band Katseye sein muss.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Oh, da würde ich Joni Mitchell draufschreiben müssen – obwohl ich dann zu viel Angst hätte, wenn sie da wäre. Das ist die alte Geschichte davon, dass man niemals seine Idole treffen sollte. Aber wen sollte ich sonst auf die Gästeliste setzen? Das müssten Leute sein, mit denen man abhängen könnte. Brandi Carlile wäre sicherlich cool für die Gästeliste. Wer sonst noch? Leonard Cohen vielleicht. Und dann müsste ich doch Joni Mitchell aufschreiben, weil sie ja auch mit Brandi Carlile befreundet ist – und dann würde ich mich ja vielleicht trauen, sie zu treffen.