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Blondes have more fun
Nur um es kurz zu machen: Für ihre aktuelle Tour hatte Chan Marshall das musikalische Programm natürlich nicht von Bob Dylan auf Rod Stewart umgestellt. Aber da sie wieder mal in einer blonden Phase ihres Lebens angekommen ist und – zumindest gegen Ende ihrer Show im Düsseldorfer Capitol, als sie das Publikum vom Bühnenrand her anfeuerte – auch überraschend viel Spaß an ihrem Tun gehabt zu haben schien, bot sich der Titel „Blondes have more fun“ für diesen Konzertbericht einfach an.
Zur Sache: Eigentlich war es ja eine rechte Schnapsidee gewesen, das legendäre Konzert von Bob Dylan von 1966 nachzuspielen, anlässlich dessen er seinen Wechsel vom akustischen zur elektrischen Rockmusik amtlich gemacht hatte. Chan Marshall wäre aber nicht Chan Marshall, wenn sie sich da nicht einen besonderen Twist überlegt hätte. Das besagte Konzert firmierte aufgrund eines Übertragungsfehlers eines Bootleg-Mitschnittes nämlich stets als „Dylan’s Royal Albert Hall Concert“ – hatte jedoch tatsächlich in der Manchester Free Trade Hall stattgefunden. Chan Marshall spielte ihre Show dann tatsächlich im November 2022 in der Royal Albert Hall und korrigierte auf diese Weise den historischen Label-Fehler. Der Mitschnitt dieser Show erschien dann 2023 auch als Tonträger.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Projekt wurde zu einem durchschlagenden Erfolg für Chan Marshall, sodass es logisch erschien, diese Produktion dann mit einer eigenen Tour zu ehren. Diese führte Cat Power im April 2024 auch in unsere Breiten – und erwies sich ebenfalls als so erfolgreich, dass sie nun (etwas über ein Jahr später) erneut auf Konzertreise ging, und dabei nochmals für einige Dates den Weg auf deutsche Bühnen fand – unter anderem eben auch ins Düsseldorfer Capitol.
Während das Unternehmen „Cat Power Sings Dylan“ – wie gesagt – von einigem Erfolg gekennzeichnet ist, gab es stets einen Punkt, den die Kritiker dem Projekt zu recht entgegenbrachten. Wohl in dem Bemühen, die symbiotische Beziehung, die Chan Marshall zu ihrem Idol Dylan im Laufe der Zeit entwickelt hat, nicht allzu sehr zu entmystifizieren, hatte sie sich dafür entschieden, bei ihrer Interpretation des Materials nicht allzu sehr von den Vorlagen abzuweichen – insbesondere, die Arrangements der Songs – aber auch ihren eigenen Gesang betreffend.
Wer also stets die radikale Konsequenz bewundert hatte, mit der sich Chan Marshall ansonsten bei ihren zahlreichen Cover-Projekten das Material anderer zu eigen gemacht und sich die Stücke bis zur Unkenntlichkeit zurechtgebogen hatte, der hatte sich vermutlich die Ohren verwundert gerieben, als Chan Marshall mit ihren Versionen der Dylan Tracks unerwartet eng am Original klebte. Dieser Vorwurf galt mit Sicherheit für die LP-Produktion – aber auch für den ersten Tourabschnitt 2024, wo die Band und Chan dann wiederum den LP-Interpretationen entsprechend eng folgten.
Kurz gesagt: Mit in dieser Form sicherlich ernst gemeinten Ehrerbietung war dieses Mal – zumindest weitestgehend – Schluss. Für diesen Tourabschnitt hatte sich Chan Marshall nämlich eine neue Technik der Soundmodulation einfallen lassen. Wer Cat Power schon länger kennt, dem dürften ja ihr ständiges Hadern mit der Bühnentechnik in nicht so guter Erinnerung geblieben sein. Zwar gab es auch dieses Mal die eine oder andere Diskussion mit dem Bühnenmischer, aber im Wesentlichen löste Chan die (echten und eingebildeten Soundmix-Probleme), indem sie mit der Hand eine Art Trichter bildete und auf dreidimensionale Art um das Mikrofon herum agierte und die Songs auf diese Weise sozusagen modulierte. So griff sie sich dieses öfter und wandelte auf der Suche nach dem optimalen Sound auf der Bühne herum oder wandelte um das stationäre Mikro herum, um Raumklang zu simulieren bzw. entfernte sich oft davon und ließ ihrer Stimme freien Lauf. Das führte dann offensichtlich dazu, dass sie sich auch größere interpretatorische Freiräume nahm und um die ursprüngliche Struktur der musikalischen Vorlagen „herum sang“. Das wirkte sich insbesondere bei den Akustik-Versionen der Tracks „Visions Of Johanna“, „It’s All Over Now Baby Blue“ oder „Mr. Tambourine Man“ aus, die sie sich auf diese Weise auf eine ähnliche Weise zu Eigen machte, wie sie das zuvor schon auf ihren Covers-Alben getan hatte. Auch wenn das echte Dylanologen wahrscheinlich schon wieder zu viel gewesen sein dürfte, machte sich das dann schon unterhaltungstechnisch bemerkbar, da die Sache so eine erkennbare Eigendynamik entwickelte.
Viel sagen tat Chan Marshall auch bei dieser Show nicht. So widmete sie etwa den Song „Mr. Tambourine Man“ den Kindern des Krieges, die diesen Song nie hören werden. Ansonsten beschränkte sie sich darauf, gelegentlich ein phonetisch korrektes „Dankeschön“ in den Raum zu stellen, ihre Bandmitglieder namentlich vorzustellen – und sich selbst ebenfalls mit den Worten: „My name is Chan – but you can call me whatever you like because I never pick up my phone.“
In Düsseldorf gab es im elektrischen Teil dann einen Wechsel im Line-Up zu beobachten. Bei der ersten Tour zum Albumprojekt hatte Chan ihren Protegé, den Songwriter und Gitarristen Arsun Sorrenti dabei, der bei der LP-Produktion die E-Gitarre geschwungen und auf der Tour als Support-Act für die Einstimmung gesorgt hatte. Da dieser nun nicht dabei war, übernahm Chans langjähriger Mitstreiter Erik Paparozzi dieses Mal die Rolle des Lead-Gitarristen, während seine Kollegin Adeline Jasso (die zuvor auch schon öfter mit Chan Marshall zusammen gearbeitet hatte) zunächst die akustische Gitarre im ersten Teil des Sets (wo Aaron Embry dann separat die Harmonica-Parts beisteuerte), wie dann später die Rhythmusgitarre in der Bandbesetzung. Einen großen musikalischen Impact hatte das nicht – da das Programm ja musikalisch sozusagen vorgegeben war.
Dennoch hatte man als Zuhörer den Eindruck, dass die Spielfreude der Musiker im Band-Abschnitt der Show gegenüber dem ersten Tourdurchlauf 2024 noch ein Mal zugenommen hatte. Das mag natürlich damit zusammenhängen, dass sich die Band (Positionswechsel hin oder her) inzwischen ordentlich eingegroovt hatte. Der Eindruck könnte aber auch daher rühren, dass die Musiker auch im elektrischen Teil nicht mehr ganz so sklavisch am Sound der Original-Vorlagen hingen, wie das vormals der Fall gewesen war, sondern sich mit Verve und Begeisterung in die Show einbrachten und kleine Freiheiten nahmen (beispielsweise was die Gitarren- und Orgelparts anging). Das machte sich insbesondere beim elektrischen Intro von „Tell Me, Momma“ und natürlich bei den nach wie vor maßgeblichen Showstoppern „Ballad Of A Thin Man“ und „Like A Rolling Stone“ am Ende des (zugabenlosen) Sets bemerkbar. Hier taute dann auch Chan Marshall als Performerin nochmals auf. So platzierte sie sich am Bühnenrand und – da ihr keine rechten Worte einfallen wollten, den politischen Wahnsinn unserer Zeiten adäquat zu adressieren und diesen auf ein schüchternes „Take Care Of Yourself“ reduzierte – bemühte sie sich nach Kräften, das Publikum bei eingeschaltetem Saal-Licht zum Mitmachen zu bewegen und Spaß dabei zu haben.
Mal abgesehen davon, dass Chan es schaffte, trotz einer eigentlich hinreichenden Bühnenbeleuchtung sich wieder mal weitestgehend im Schatten zu verstecken, war das dann eine Cat Power-Show, wie man sie sich früher immer mal gewünscht hätte. Und aufgrund der Tatsache, dass das Programm im Vergleich zum letzten Durchlauf noch mal erkennbar aufgefrischt worden war, sogar ein sehr gutes. Mal sehen, ob das jetzt ewig so weitergeht oder ob sich Chan Marshall noch mal dazu durchringt, eigene neue Songs zu schreiben.
Als Support-Act war auf der Website des Capitol eigentlich die österreichische Künstlerin Edna Million ausgelobt worden. Aus irgendwelchen Gründen wurde das aber nicht realisiert, sodass wieder ein Mal die Bonner Musikerin Barbara Hoefgen mit ihrem Solo-Projekt Herban Fog herhalten musste. Daran ist die Gute aber mittlerweile gewöhnt, denn bereits 2019 hatte die Songwriterin in der Funktion als Anheizerin für Chan einspringen müssen – mit wenigen Stunden Vorwarnzeit. Entsprechend nervös war sie dann bei ihren Auftritten gewesen, bei denen sie sich erstmals als Herban Fog präsentierte. Das war dann dieses Mal in Düsseldorf alles viel entspannter. Barbara präsentierte ihr Material – darunter wie gewohnt die Cover-Versionen „Femme Fatale“ von Nico und „Ship Song“ von Nick Cave – aber auch eigene Songs wie „Hope“ oder „Smile“ mit einer Art heiterer Gelassenheit. Dazu plauderte Barbara auf charmante Art mit dem Publikum und ließ einfließen, dass sie gerade an einer eigenen Herban Fog-LP arbeite. Die Show im Capitol gefiel dann durch den ausgezeichneten Sound und die im Vergleich ruhige Art, mit der Barbara ihr Material ohne große Gesten und auf das Wesentliche reduziert präsentierte – ganz so, wie es sich für gute Songwriterinnen gehört.