Share This Article
Big Heart Music
Auf dem Gelände des Zentrum Altenberg befindet sich gleich neben der Spielstätte des Static Roots Festivals ein kleines Arthaus-Kino, in welchem im letzten Jahr bereits eine Lesung mit Willy Vlautin von den Delines stattfand, der dort aus seinem damals aktuellen Roman „The Horse“ vorlas und von dessen Entstehungsgeschichte erzählte. Diese „Tradition“ wurde nun in einem neuen Format fortgesetzt. Dort gab es eine Stunde, bevor die Türen für die musikalischen Darbietungen geöffnet wurden, eine von der Journalistin Christine Heise („Happy Sad“ / Radioeins) geleitete Podiums-Diskussion mit den Songwriterinnen Michèle Stodart, Hayley Reardon und Pearl Charles zum Thema „Die Rolle von Frauen in der Americana (bzw. der Musik im Allgemeinen)“.
Dort erfuhren die interessierten Besucher natürlich Dinge von den Musikerinnen, die sich ansonsten nur aus persönlichen Gesprächen ergeben hätten und die die Philosophie der Damen eindrucksvoll vermittelten. Die Musikerinnen berichteten von den Widrigkeiten, denen sie sich im Musikbusiness gelegentlich gegenüber sehen, vermittelten dabei aber – jede auf ihre Art –, dass sie sich keineswegs resignierend als Opfer des Systems sähen, sondern ihre Berufung als Chance begriffen, sich als selbstbewusste Künstlerinnen sowohl künstlerisch wie auch persönlich verwirklichen zu können. Das war dann eine Super-Gelegenheit, auch mal einen Blick hinter den Vorhang des Musikantentums und die Mechanismen des Business und natürlich auf das Seelenleben der beteiligten Künstlerinnen werfen zu können. Das sollte unbedingt in dieser oder einer ähnlichen Form fortgesetzt werden.
Das musikalische Programm begann auch am zweiten Tag mit einer Prise Honkytonk – allerdings erneut in einem anderen Format als jenem, das Dom Glynn und Todd Day Wait an den Vortagen präsentiert hatten. Das norwegische Ensemble Embla & The Karidotters ist nämlich sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg zum Honky Tonk geraten. Nachdem Embla Karidotter zehn Jahre bei der Indie-Pop-Ska-Band Razika hinter dem Drumkit gesessen hatte, erfüllte sie sich einen langgehegten Traum, eine Allstar-Band zu gründen, um ihre Liebe zur Country-Musik zum Ausdruck bringen zu können. Dabei nahm Embla ihre Razika-Kollegin Marie Moe gleich mit – die nebenher auch in der Tundra-Rock-Band Slomosa in die Bass-Saiten greift. Ebenfalls zu den Karidotters gehört Simen Følstad Nilsen, der hier die Pedal-Steel-Gitarre bedient – andererseits aber mit seinem experimentellen Instrumental-Duo Aiming For Enrike eher für abgefahrene Space-Dance-Mucke steht. Auf dem von Matias Téllez (Girl In Red) produzierten Debütalbum „Off Leash“ (eine Anspielung auf die Hunde-Liebhaberin Embla) geriet dann noch ein guter Schuss Cowpunk-Ästhetik in den Mix.
Mit diesem Fundus im Rücken sorgten Embla & The Karidotters – gut gelaunt und bestens motiviert – mit ihrem ersten Auftritt in Deutschland dann auch gleich für die erste Tanzparty des Tages. Auf amüsante Weise vermittelte Embla den Zuschauern die Problematik einer Band, die am Nordkap ihr Faible für nordamerikanisch geprägte Redneck-Mucke ausleben (und sich dabei irgendwie warmhalten) muss – eindrucksvoll demonstriert etwa durch die Songs „Drunk“ (einen Song zum Thema Boyfriend ODER Alkohol) und „Bergen Blues“, der der Heimatstadt der Musiker gewidmet ist. Embla & The Karidotters beschränkten sich dann aber nicht darauf, das Publikum zum Mitmachen anzufeuern, sondern beendeten das Set mit einem beeindruckenden Line-Dance, der die Bierglas-schwingende Band mit einer einstudierten Choreographie zu Willie Nelsons „Gonna Get Drunk“ von der Bühne durch das begeisternd klatschende Publikum zum Ausgang führte. Im Nachgang ließen es sich die Musiker, die bereits am Vortag das Programm ausgespäht hatten, nicht nehmen, sich im Laufe des Tages mit den anderen Musikern und den Fans gleichermaßen zu verbandeln und anzustoßen, bis alle Augen getrocknet waren. Zu später Stunde entstand dann beispielsweise die Temp-Band „Embla Karidotter Near Sandstone“.
Die Jungs von Pert Near Sandstone hatten nämlich von Anfang an nur eines im Sinn: Auf dem Festival und der Bühne jede Menge Spaß zu haben, eine ungebremste Lebensfreude zu verbreiten und das Publikum auf ansteckendste Weise damit zu infizieren. Das Ergebnis auf der performerischen Seite war dann eine einzige kollektive Tanzparty à la Bluegrass. Das Quintett aus Minneapolis – der Heimatstadt von Prince und einer der unterschätzten Music-Cities der USA, wie Jeff Robson ganz richtig ausführte – überzeugte dabei logischerweise mit der systemimmanenten instrumentalen Virtuosität, die das Bluegrass-Genre auszeichnet – machte diese aber nicht zum Zentrum ihres Tuns, sondern hebelte die akademische Ernsthaftigkeit dieses Formates mit ihrem ansteckenden Enthusiasmus aus. Dabei arbeiteten die Jungs mit den Mitteln des Genres, nach denen sich Fiddler (Chris Forsberg), Mandolinist (Nate Sipe), Banjo-Player (Kevin Kniebel), Gitarrist (Jay Lenz) und Steh-Bassist (Justin Bruhn) gesanglich abwechseln, sich dabei gegenseitig anfeuern, sodass jedem Bandmitglied gleichermaßen Raum zur Entfaltung und Selbstverwirklichung gegeben wird, obwohl doch das ganze Ensemble als tighte Einheit funktioniert. Fast schon seltsam, dass dann ausgerechnet diese Truppe – ohne Drummer – eine der lebhaftesten Performances des Festivals hinlegte.
Die Fahne für die Singer/Songwriter-Fraktion musste in diesem Jahr die im Raume von Boston ansässige Troubadorin Hayley Reardon fast alleine hochhalten (denn alle anderen Acts waren in Bandprojekte eingebunden). Hayley war lange Zeit als Solo-Künstlerin durch die Länder getingelt (auch hier in Europa und Deutschland) – hatte dabei aber vor einigen Jahren in Barcelona die Brüder Pau und Arnau Figueres kennengelernt, die seither Teil ihrer Studio-Band sind, mit der sie auch ihr aktuelles Album „After Everything“ eingespielt hatte. Das wird übrigens im Herbst von Michael Langewenders reaktiviertem Tonetoaster-Label auf Vinyl herausgebracht – wieder so ein spezielles Static Roots-Ding. Der klassisch ausgebildete Flamenco-Virtuose Pau Figueres begleitete Hayley dann auch beim Static Roots-Festival und sorgte dabei durch sein unaufdringlich empathisches Spiel für einige Gänsehaut-Momente – und für ein fülligeres Klangbild, das zum Beispiel Hayleys wenigen Pop-Momenten wie z.B. dem Song „Karaoke“ mehr Nachdruck verlieh.
Für die anderen Gänsehaut-Momente sorgte die Songwriterin, die immer noch so jugendlich aussieht, dass sie am Flughafen gefragt wird, wo denn ihre Eltern wohl seien, dann selber. Dem Vernehmen nach war Dietmar der kleinen Songwriterin mit dem großen Herzen für poetische Folksongs über den Track „Bethany“ verfallen – weswegen er sie zum Static Roots Festival eingeladen hatte. Kein Wunder also, dass dieser Track dann auch im Zentrum ihres Vortrages stand. Als Performerin entzückte Hayley dann mit einer Mischung aus emotionaler Ernsthaftigkeit und dem glückseligen Gefühl der Erfüllung. Wenn man nach dem breiten Grinsen gehen darf, das Hayley zwischen den Gesangslinien demonstriert, dürfte Hayley Reardon – trotz des nachdenklichen Tenors vieler ihrer Songs zweifelsohne zu den glücklichsten Vertreterinnen ihrer Zunft zählen. Auch Hayley Reardon war jedenfalls deutlich anzumerken, warum sie eigentlich ihre Musik macht.
Der Besuch von Michèle Stodart auf dem Static Roots Festival war schon lange angedacht gewesen – doch gesundheitliche und terminliche Probleme hatten dem bislang immer entgegengestanden. In diesem Jahr hatte es dann endlich geklappt und Michèle war mit ihrer Allstar-Band angereist, um die Songs ihres letzten Albums „Invitation“ von 2023 zu präsentieren. Zurzeit arbeitet Michèle nämlich an einem neuen Magic Numbers-Album – weswegen ihre Solo-Laufbahn erst mal auf den Backburner geschoben wurde. Das machte freilich nichts, weil Michèles Songs – wie z.B. der Opener „Tell Me“ oder „Push & Pull“ als andauernder Konversation mit ihrer inzwischen erwachsenen Tochter – sowieso als zeitlose musikalische Kontemplationen angelegt sind und gut und gerne ohne Zeitgeist auskommen können. Das wurde auch vom Publikum goutiert, das sich in einer ruhigen Phase des Festivals mit Michèle Stodart auf eine spirituelle musikalische Reise begab.
Begleitet wurde Michèle bei dieser Show von dem Songwriter-Kollegen und Static Roots-Veteranen David Ford (der die Fans bei der Tour de Ruhr bereits als Überraschungsgast auf das Festival eingestimmt hatte) und der Drummerin Emma Holbrook. Emma hatte im Rahmen der Promo-Kampagne für das Album „Invitation“ auch die Regie der Videos übernommen und die Fotos geschossen, auf denen dann das Artwork des Albums basierte. Einen besonderen Augenblick gab es dann noch, als Michèle Chris Forsberg und Nate Sipe auf die Bühne bat, die sie dann an Geige und Mandoline unterstützten. Das Besondere daran war dann der Umstand, dass sich Michèle, Chris und Nate erst kurz vor ihrer Show persönlich kennengelernt hatten und während der Umbaupause schnell einige Passagen aus Michèles Songs (darunter eben auch „Push & Pull“) eingeübt hatten. Der Rest wurde dann on the fly improvisiert. Sowas muss man ja auch erst mal hinbekommen.
In der „Halbzeitpause“ stand dann das obligatorische Familienfoto an – was insofern eine Herausforderung darstellte, als dass das Gelände des Zentrum Altenberg zu einer jedes Jahr um mindestens 50% wachsenden Großbaustelle verkommen ist und die Aufnahme dieses Jahr auf einem Parkplatz hinter dem Zentrum stattfinden musste. Das Interesse insbesondere der 150 „neuen“ Static-Roots-Freunde an dieser Tradition war dann aber auch überschaubar, sodass es Jeff Robson nicht gelang, alle zur Teilnahme überreden zu können, bevor es dann nach der Pause mit dem Programm weiter ging. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass den betreffenden Herrschaften noch der Schock vom Vortag in den Knochen steckte, als nämlich Frank Hausmanns Burger-Trailer überraschend „ausverkauft“ hätte melden müssen.
Pearl Charles und ihre Jungs waren zweifelsohne mit einer Zeitmaschine aus den 70er Jahren zum Static Roots Festival angereist – und hatten dabei nicht nur Instrumente, sondern auch gleich noch Klamotten aus dem Golden Age der klassischen Musikproduktion mitgebracht (Pearl selbst hatte gleich drei Outfits dabei: ihre Alltagsklamotten, ihr Panel-Outfit und ihr Bühnenkostüm). Pearl Charles war mit ihrem Partner, dem Songwriter, Gitarristen und Produzenten Michael Rault vor einiger Zeit von Los Angeles nach Joshua Tree umgezogen, wo sie sich ein Studio eingerichtet, ein Label gegründet und sich dem Geist von Gram Parsons und der Cosmic American Music hingegeben hatte. Nachdem Pearl bislang nur in den USA getourt war – sie aber schon länger versucht hatte, auch in Europa Fuß zu fassen – hatte sie Dietmars Angebot, auf dem Static Roots Festival aufzutreten, mit Begeisterung aufgegriffen und gleich eine ganze Europa-Tour um ihren ersten Auftritt in Deutschland gebucht.
Mit Americana im klassischen Sinne hat die Musik von Pearl Charles gar nicht so viel gemein. Ihre Welt ist die der schillernden Psychedelia, des Retro-Charmes, des Old-School-Westcoast Flairs, des Glam-Rock und – ähem – des Disco-Pop. Im Handumdrehen hatten Pearl Charles und ihre Musiker die Bühne des Static Roots in eine Disco-Party mit Retro-Flair verwandelt und präsentierten die Songs ihres aktuellen Albums „Desert Queen“ sowie einige Highlights ihrer ersten beiden Alben „Sleepless Dreamer“ und „Magic Mirror“ – ließen die Welt der 70er vor den erstaunten Augen des Publikums mit einem Augenzwinkern, aber hoher musikalischer Präzision wieder auferstehen.
Statt einer Pedal-Steel-Gitarre hatten sich Pearl & Co. ein E-Piano mitgebracht, hinter dem Pearl die zweite Hälfte ihrer Show absolvierte – während Michael Rault mit seinem „Serious Guitar Riffing“ den 70er Dropout-Hippie eindrucksvoll verkörperte. Kein Wunder, dass Dietmar im Vorfeld gewarnt hatte, dass Pearl Charles für viele eine Überraschung darstellen dürfte. Was das Set letztlich auszeichnete, war der Umstand, dass die Musiker – auch Drummer Mehdi Parisot und insbesondere Bassist Dustin Bookatz – total glaubwürdig im Ausleben ihrer Retro-Bühnenpersona aufgingen, den und dabei zwar nicht sich selbst, aber die musikalische Umsetzung durchaus ernst nahmen. Auf den Hinweis, dass die Sache am Ende dann doch ziemlich nach dem Sound der 70er-Disco-Glam-Heroen Hot Chocolate geklungen habe, meinte Pearl nach der Show: „Klar, denn danach haben wir unseren Sound ja auch ausgerichtet.“
Als sich die texanischen Roots-Rocker Uncle Lucius 2023 – nach einer immerhin fünfjährigen Pause, die nicht alleine auf die Pandemie zurückzuführen war – reformierten, hätten sich Kevin Galloway und seine Mitstreiter vermutlich selbst nicht vorstellen können, dass es mit ihrer Karriere dann erst so richtig losgehen sollte. Das hing vor allen Dingen damit zusammen, dass es Uncle Lucius mit dem Album „Like It’s The Last One Left“ erstmals gelang, auch außerhalb vom heimischen Texas mit ihrem souligen Red-Dirt Sound (für den Frontmann Kevin Galloway mit seinem grummeligen Timbre, Gitarrist Mike Carpenter mit seinem Robbie Robertson-würdigen Gitarrenstil und Keyboarder Jon Grossman gleichermaßen verantwortlich zeichnen) Fuß zu fassen und sich sogar in Europa eine kleine Fangemeinde aufbauen zu können. Es war dann nicht die Frage ob, sondern eher wann die Band auf dem Static Roots Festival aufspielen würde – denn diese unwiderstehliche Stil-Mischung ist ja schließlich wie gemacht für das Festival (zumal Kevin und seine Musikanten auch alles feine Jungs sind, denen man die Freude am Tun auch an der Mimik und Gestik ablesen konnte).
Zwar agierte insbesondere Kevin Galloway, der sich auch als Solo-Künstler einen Namen gemacht hat, als klassischer Vertreter der Austin-Roots-Rock-Szene mit etwas mehr Grandezza und Gepose als weniger profilierte Veteranen es zuweilen tun – aber das war dann dem Sound des eklektischen Uncle Lucius-Sounds auch durchaus angemessen. Insbesondere bei dramatischen Mörderballaden vom Stile etwa des Songs „Keep The Wolves At Bay“, mit dem Uncle Lucius über die Fernsehserie „Yellowstone“ vor allen Dingen in den USA einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist, wirkte das dann Wunder. Das Ganze klang dann in etwa wie „The Band On Speed“ und bot viel Abwechslung und manche Überraschung – denn wer hätte schon vermutet, dass der fast im Abseits stehende Keyboarder Jon Grossman den anderen mit seinem genresprengenden Piano- und Orgel-Soli und seinem Regenbogen-Akkordeon die Show stehlen würde (war das etwa impressionistische Klangmalerei in „Tuscaloosa Rain“?). Obwohl: Das ist auch wieder blöde formuliert, denn es ist ja gerade kennzeichnend für Uncle Lucius, dass diese Band musikalische Elemente in den Mix wirft, der klischee-treuen Genre-Kollegen, die immer alles richtig machen wollen und dabei alles falsch machen, eben nicht zur Verfügung stehen. Aber Uncle Lucius überzeugen auch dann, wenn sie eigentlich gar nichts Besonderes machen, wie zum Beispiel bei dem Mitsing-Schunkel-Boogie „All The Angelenos“. Bei geringeren Festivals wären Uncle Lucius als Headliner gebucht worden – beim Static Roots gefielen sie sich aber sichtlich auch in der Rolle als Anheizer für die Godfathers (zugegebenermaßen auch deswegen, weil sich die Freunde der Standard-Americana vor der Show der Godfathers eh verzogen).
Da konnte sich Dietmar drehen und wenden – aber die Musik der Godfathers hat halt nun mal gar nichts mehr mit Americana zu tun („Wildcard“ hin oder her). Wohl aber mit dem Geist des Static Roots Festivals. Dietmar hatte die britische Rockband gebucht, weil sie schlicht zu den prägenden Idolen seiner Funktion als Musikfan gehören. Einen besseren Grund brauchte es dann auch gar nicht, denn die wilde Show der Punk-Veteranen kam erstaunlich gut beim begeisterten Publikum an – zu dem zu jener Zeit auch viele der beteiligten Musiker und „jüngere Leute“ gehörten.
Die Sache war dabei, dass die Band mit ihrer wechselvollen Geschichte in diesem Jahr zwar ihr 40-jähriges Jubiläum feierte, von der Originalbesetzung aber heute nur noch der Frontman Peter Coyne übrig ist, der 2019 mit einer neuen, jüngeren Besetzung noch mal einen Neustart gewagt und 2022 auch ein neues Album namens „Alpha Beta Gamma Delta“ eingespielt hatte. Musikalisch machte sich das aber überhaupt nicht bemerkbar, denn die Jungs strukturieren ihre Shows nach wie vor um die (immer noch recht bedrohlich wirkende) Performance ihres Frontmannes herum, der immer ein bisschen so wirkt, als wolle er das Publikum am liebsten aufessen. Der andere Anker jeder Godfathers-Show sind die Tracks, die die Band zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Allen voran die Rausschmeißer „Cause I Said So“ und natürlich der unsterbliche Klassiker „Birth, School, Work, Death“, der abschließend gespielt wurde – und dem Peter Coyne noch ein solides „Free Palestine“ als offiziellen Schlusspunkt des Static Roots Festivals hinterherschickte.
Wie bei fast allen Acts, die sich auf dem Static Roots tummeln, durfte man die schroffe Bühnenpersonas, die die wilden Jungs auslebten, nicht auf die menschliche Goldwaage legen. Hinter den Kulissen erwiesen sich die durchaus professionell agierenden Herrschaften nämlich als äußerst umgänglich, professionell und kooperativ – etwa indem sie sich vor der Show noch für ein Porträtfoto zusammenfanden, als das Intro (die Titelmusik von „The Persuaders“ von John Barry) bereits lief. Und nach der Show schenkte Drummer Billy Duncanson dem emsigen Nachwuchs-Roadie Emil noch seine Drumsticks.
Das Static Roots Festival kennt so etwas wie einen Sudden Death aber nicht. Während nach der Show der Godfathers das Bühnen- und Hallenpersonal zwar innerhalb kürzester Zeit die Spielstätte aufgeräumt hatte, hatten sich draußen verbleibende Fans und Musiker (etwa Michèle Stodart oder die Musiker von Pert Near Sandstone) bereits zum Singalong versammelt, um unter der Leitung von Conan Doyle und Tony Cleere a.k.a. Small Change irische Folk-Weisen anzustimmen; was für die deutschen Fans – die diese ggf. nicht kannten – dann ein gewisses Handicap darstellte.
Einen besonderen Static Roots-Moment gab es dann noch beim abschließenden Umtrunk im Hotel – als nämlich nach und nach die Musiker von Embla & The Karidotters, Pert Near Sandstone, Uncle Lucius und den Godfathers eintrafen. Während Mike Carpenter, Josh Greco und Jon Grossman von Uncle Lucius in einer Lookalike-Parade als David Crosby, Bob Ross und Weird Al Yankovic an der Rezeption vorbei defilierten, nahm sich Geiger Chris Forsberg von Pert Near Sandstone (der selbst einräumte, als Lookalike von Mark Wahlberg durchzugehen) die Zeit, den eigenartigen Bandnamen zu erklären – der soviel bedeutet wie „Ziemlich nahe am Sandstein“ – ansonsten aber keine Bedeutung hatte. Daraus entwickelte sich dann eine Diskussion über sinnvolle und weniger sinnvolle Bandnamen. Der inzwischen hinzugekommene Gitarrist Ben Rø Haavelsruud (von Embla & The Karidotters) erzählte begeistert davon, auf dem Festival Michaelt Rault getroffen zu haben, den er schon zuvor gekannt habe, und verstieg sich dann in Schwärmereien für Deep Purple. Marie Moe, die Bassistin der Karidotters, entschuldigte sich zwar dafür, total betrunken zu sein, weil sie alles getrunken habe, was verfügbar war, ließ es sich aber nicht nehmen, ihre Lebensphilosophie zu erläutern. So habe sie etwa schon immer Bass gespielt und – obwohl sie nicht genug Worte habe, eigene Songs zu schreiben – sehe sie den Sinn des Lebens darin, mit ihrem Spiel aus dem Hintergrund ihre Liebe zur Musik zum Ausdruck zu bringen. Deshalb fragte sie dann auch noch die Einstellung zur Musik bei allen zufällig Anwesenden ab. „Musik ist das Beste, was es gibt“, resümierte sie schließlich, bevor sie sich torkelnd ins Nachtlager zurückzog. Besser hätte man den Geist des Static Roots Festivals dann auch nicht mehr zusammenfassen können.
In diesem Sinne danke an Dietmar Leibecke, seine Familie, Jeff & Nicole Robson, die Stagemanager Micha Langewender und Emil, das Technik-, Organisations- und Cateringteam für die brillante Organisation und Gudi B für die On-Scene-Videos. Und viel Spaß bei der Vorbereitung des nächsten Static Roots Festivals, denn es dürfte schwer sein, das diesjährige Festival zu toppen. Aber das wollten wir ja eigentlich nicht wieder schreiben…