Die Idee von Laufey (Lín Jónsdóttir), ihre AltersgenossInnen mit eigenem Material an die Ästhetik des klassischen Songbook-Jazz der 40er Jahre und die nachfolgenden Lounge- und Adult-Temporary-Variationen des Genres heranzuführen, klang und klingt auf dem Papier nach wie vor wie eine ausgemachte Schnapsidee. Der enorme Erfolg der isländisch/chinesisch/amerikanischen Musikerin, den die studierte und klassisch ausgebildete Sängerin, Songwriterin und Cellistin dann gleich zu Beginn ihrer Laufbahn 2022 mit ihrem Debüt-Album „Everything I Know About Love“ einfuhr, gab ihr indes Recht, wies alle Zweifler in die Schranken – und machte sie aus dem Stand zu einem veritablen, inzwischen Grammy-prämierten Superstar.
Etwas Ähnliches hatte zuvor lediglich Norah Jones erreicht, die 2002 mit ihrem Debüt-Album „Come Away With Me“ ebenfalls mit klassischen Jazz-Arrangements und eigenen Songs in einem traditionellen Old-School-Setting bewegte. Kein Wunder also, dass Laufey 2023 die Weihnachts-Ep „Christmas With You“ mit der Vorgängerin einspielte. Wie auch Norah Jones – die sich als Songwriterin schnell stetig verselbständigte und nicht mehr alleine auf das klassische Jazz-Setting setzte, löst sich Laufey mit ihrem dritten Studio-Album „A Matter Of Time“ auch allmählich von ihrem inzwischen „Laufey Land“ genannten Retro-Sound-Design.
Die Frage ist nach wie vor die, wie es Laufey gelingen konnte, jüngere Leute für jenen verstaubten Old-School-Sound zu begeistern, den zuvor zuletzt deren Urgroßeltern zu schätzen gewusst haben? Wie sie selbst einräumt, versuchte sie das zunächst keineswegs durch musikalische Bilderstürmerei, sondern alleine über ihr Songwriting – mit dem sie Themen aufgreift, die eben junge Leute beschäftigen und das in einer Sprache tut, die eben in der Jetztzeit verwurzelt ist – und nicht im antiquiert stilisierten Code der Altvorderen. Dazu gehören auf dem neuen Album dann Songs wie „Snow White“ oder „Lover Girl“ in denen Laufey über Rollenbilder, toxische Erwartungshaltungen oder Beziehungsgeflechte resümiert oder Empowerment-Oden wie „Tough Luck“ oder „Mr. Eclectic“ in denen Laufey auch schon mal mit dem moralischen Stinkefinger hantiert. Laufey selbst sagt dazu, dass sie schlicht ihr Tagebuch vertont habe – that figures!
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis Laufeys ist dabei, dass sie mit ihrem Ansatz zwar durchaus jüngere Leute zu begeistern weiß – allerdings die klassischen Jazz-Fans auch keineswegs verprellt, eben weil sie auf echte Konzessionen an die Jetztzeit bislang verzichtet. Was allerdings das neue Werk „A Matter Of Time“ auszeichnet, ist ein dezidiert moderner Sound, bei dem die Arrangements und insbesondere Laufeys (bemerkenswert purer und unaffektierter) Gesang geradezu greifbar im Raum stehen. Insbesondere im Kopfhörer vermittelt das dem Hörer das Gefühl, sich mitten im Geschehen zu befinden. Während Laufey (bzw. ihre Produzenten) bislang in Bezug auf die Instrumentierung stets auf ein symphonisches Setting mit Streicher-Untermalung setzten, kommt den Streichern auf dem neuen Werk ein ganz neue Rolle zu, indem diese nicht mehr als Backing, sondern zur Akzentuierung eingesetzt werden.
Zusammen mit Laufeys Vertrautem Spencer Stewart sorgte dieses Mal Aaron Dessner (The National) als Co-Produzent für das neue Sounddesign. Und bei einigen Songs wie „Castle In Hollywood“, „Tough Luck“, „A Cautionary Tale“ und „Clean Air“ tragen eher konventionelle Band-Arrangements und akustische Gitarren, eingestreute textliche Profanitäten und eine songorientierte Storytelling-Ausrichtung dann auch dafür, dass die Aspekte der Jazz-Konservation dann doch in den Hintergrund treten. Laufey scheint nun auch bereit zu sein, sich von der puren Songbook-Ästhetik zu lösen – auch wenn es Stücke wie etwa das als Single ausgekoppelte „Silver Lining“ zeigen, dass sie nicht vollständig darauf verzichten möchte.
„A Matter Of Time“ von Laufey erscheint auf Sony Music.