Der kanadische Songwriter Ron Sexsmith war immer schon gut darin, ungewöhnliche Titel für seine LPs zu finden – die erst auf den zweiten Blick ihre Wirkung entfalten. Wir erinnern uns dabei beispielsweise an „Cobblestone Runway“, „Exit Strategy Of The Soul“ oder „Forever Endeavour“. Der Titel des neuen Albums entstand, als Sexsmith die neuen Songs zusammen mit seinem langjährigen Partner Martin Terefe und seinen Musikern im Londoner Eastcote Studio einspielte. In der Nähe des Regent Parks gibt es eine noble Adresse namens „Hanover Terrace“, an der sich ein viktorianischer Apartment-Komplex befindet, in dem Charles Dickens eine Zeitlang residierte. Das Thema von Sexsmiths 17. Werk sollte indes der Kater (= Hangover) sein, den der Songwriter „nach den letzten Jahren der Pandemie und den Schicksalsschlägen, die uns alle getroffen haben“, verspürte. Daraus machte er dann augenzwinkernd „Hangover Terrace“.
Mit diesem Album löst sich Sexsmith vom – wie die Bio es nennt – „pastoralen Ton“ seiner letzten Veröffentlichungen; allerdings nur insofern, dass er den nach wie vor opulent und füllig angelegten Arrangements einen rauen, teils rockigen Unterbau spendierte, der die Sache dann für seine Verhältnisse musikalisch erstaunlich zupackend erscheinen lässt. Geschuldet ist das dem Umstand, dass die Basis-Tracks weitestgehend live im Studio eingespielt wurden – wobei es bei Sexsmith letztlich nicht ganz ohne Overdubs geht.
In Songs wie dem Opener „Don’t Loose Sight“, „In A While“, „Rose Tower“, „When Will The Morning Come“ oder „Burgoyne Woods“ überrascht er dann mit Up-Tempo-Drive und Jangle- und Power-Pop-Elementen, die bislang oft mit musikalischem Zuckerguss überzogen wurden, der dieses Mal beiseite gelassen wurde. Einen gewissen Anteil daran mag der Pretenders-Gitarrist Robbie Macintosh gehabt haben, der als Gastmusiker mitmischte. Aber auch für Freunde des Pastoralen hält Sexsmith wieder einige Stücke bereit. Songs wie „Cigarette And Cocktail“ oder „Damn Well Please“ oder „When Will The Morning Come“ klingen jedenfalls oft wie Soundtracks für Teestunden in der englischen Countryside.
Dafür leistet sich Sexsmith an anderen Stellen – etwa dem für seine Verhältnisse geradezu düsteren „Camelot Tower“, „Outside Looking In“ oder bei dem bereits erwähnten „When The Morning Comes“ deutlich mehr Moll-Aspekte als gewohnt. Kurzum: Die Balance zwischen unbeschwertem Schönklang und nachdenklicher Tiefe gelingt Sexsmith auf diesem Album deutlich besser als üblicherweise. Nicht, dass der Veteran sich dabei grundsätzlich neu aufstellt, aber eine gewisse Änderung der Perspektive lässt sich schon vernehmen – und das zeichnet einen versierten Songwriter-Veteranen wie Sexsmith dann auch löblich aus.
„Hangover Terrace“ von Ron Sexsmith erscheint auf Cooking Vinyl/Indigo.