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In der Wohlfühloase
Auf der Bühne in der Music Hall Worpswede stehen zwei Palmenattrappen, im Hintergrund noch ein Riesenkaktus, eingetaucht in warmes, buntes Licht. Mit „Winners“ beginnen Young Gun Silver Fox ihr Konzert vor 550 Gästen. Ausverkauft. Und wer eine Karte ergattert hat, gehört zweifellos zu den Gewinnern, die sich wohlig in einer Musik-Oase rekeln dürfen. „Give me that magic“ fordert Andy Platts und hinterhergeschoben: „Take me back to 1975“. Sicherlich orientieren sich Young Gun Silver Fox am jazzigen Pop von Steely Dan oder dem souligen Rock der Doobie Brothers, den Gesangsharmonien der Eagles, dem funkigen Keyboard-Sound von Stevie Wonder und dem Groove von Sly & The Family Stone. Alles keine schlechten Referenzen, doch Andy „Young Gun“ Platts und Shawn „Silver Fox“ Lee kreieren auf dieser Grundlage eine unverkennbare und eigenen Melange.
Den Support gibt die agile Miller Campbell, die sich von zwei Gitarristen begleiten lässt und mitunter selbst zur Akustischen greift. Die US-Amerikanerin reiht sich durchaus ein in die Riege von Sängerinnen wie Brandi Carlile oder Pat Benatar. Der poppige Heartland-Rock der Tonträger betont in der Live-Besetzung mehr die Country-Elemente und die sind zurzeit angesagt. Man denke an Beyoncé oder jüngst Sabrina Carpenter. Campbells kräftige Stimme hätte allerdings eine etwas nuancierte Aussteuerung verdient.
Die passt bei Young Gun Silver Fox dann Gott sei Dank. Schließlich leben Songs wie „Last Night Late Train“ von Andy Platts perlenden Tastenläufen und Shawn Lees prägnanten, immer melodiösen E-Gitarrensoli. Im Studio spielen die beiden Multiinstrumentalisten fast alles selbst ein, auf Tour begleiten sie der Schlagzeuger Adrian Meehan und der Bassist Paul Housden, der selbst diverse Instrumente beherrscht und hörenswerte eigene Songs aufgenommen hat (Tipp: „Ella“). Davon haben Young Gun Silver Fox so viele, dass im Grunde jedes Stück ihrer fünf Alben auf die Setlist passen könnte. Eine Auswahl für ein Best-of-Album wäre ein schwieriges Unterfangen.
Platts und Lee verhehlen ihre Vorbilder nicht. „Stevie & Sly“ bezieht sich auf Stevie Wonder und Sly Stone; „Simple Imagination“ sei eine Kreuzung aus Stevie Wonder und Tower of Power, sagt Platts. Noch funkiger gerät ein ausuferndes „Tip Of The Flame“ mit pumpendem Bass und geslappter Gitarre – ein Groove-Monster. „Mojo Rising“ könnte zunächst von Boz Scaggs Meisterwerk „Silk Degrees“ stammen, schlägt aber durch den dreistimmigen Falsett-Gesang einen eigenen Weg ein. „Born To Dream“ hingegen würde prima auf die „Minute By Minute“-Platte der Doobie Brothers passen, so wie auch das markant in die Tasten gehämmerte Keyboard-Riff des Anfangs von „Still Got It Goin‘ On“. In „Lenny“ erzählt Platts von einem Traum, in dem Lenny Kravitz als Barkeeper Cocktails mixt, die er jedoch – einen nach dem anderen – als Songs serviert. Im finalen „Kingston Boogie“ kehren wir nachts noch einmal in Lennys mondbeschienene Bar zurück, werfen eine Münze in die Jukebox und wiegen uns im Takt mitternächtlicher Discoklänge. „You Can Feel It“ präsentieren Platts und Lee akustisch auf Barhockern sitzend mit stimmkräftigem Publikumschor. Das soulig-funkige „Baby Girl“ wird der zehnjährigen Lorraine gewidmet, die mit Gehörschutz direkt vor der Bühne ihr erstes Livekonzert erlebt.
Der Brite Platts und der Amerikaner Lee verstehen sich nicht als politische Band, doch das mit Inbrunst intonierte „The Greatest Loser“ meint David Cameron, der als Premier auf naive Weise den Brexit verschuldete. Verorten würde man das Duo aber eher in Kalifornien. An Strandbars unter Palmen, einen Drink in der Hand, Surfer suchen nach den letzten Wellen, die Sonne taucht golden ins Meer. Im Hafen dümpeln Boote mit blütenweißen Segeln. Man mag das Yacht-Rock nennen, doch dies trifft mehr die entspannte Cruiser-Stimmung von Songs wie „Rolling Back“. Vor allem die Bläsersätze, die auf den Platten an Earth, Wind & Fire erinnern, und die funkigen Keyboards erweitern das Spektrum deutlich, auch wenn Young Gun Silver Fox die Bläser diesmal leider nicht mitgebracht haben. Platts ist ein wunderbarer Sänger, der immer wieder mühelos ins Falsett hinübergleitet, und Shawn Lee ein Gitarrist, der seine beglückenden Soli immer songdienlich einstreut. „We ain’t nothing but kids longing for the sunshine“, singt Platts. Tun wir das nicht alle in Zeiten wie diesen?