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Zusammen mit seiner britischen Frau Ruth gründete der amerikanische Musiker Brookln Dekker 2006 das Duo Rue Royale, mit dem er bis 2018 musikalisch tätig war. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter musste das Projekt erst einmal auf Eis gelegt werden. Seither ist Brookln mit einigem Erfolg unter seinem Nachnamen Dekker solo unterwegs. Unterstützt von dem Drummer Stefan Wittich (Tele), dem Soundengineer Zach Hanson und wechselnden Musikern spielte er die Alben „Slow Reveal – Chapter 1“ und „I Won’t Be Your Foe“ ein und legt nun sein drittes Werk „Neither Up Nor Down“ vor (auf dem ihn auch seine Frau Ruth bei zwei Stücken wieder gesanglich unterstützt).
Der eigenartige Titel bedeutet aber nicht, dass sich Dekker irgendwo festgefahren hat, oder? „Die Art, in der ich schreibe, ist im Moment so, dass sich die Bedeutung von Dingen, von denen ich spreche, ständig weiterentwickelt. Die Phase, in der ich das Album schrieb, war besonders schwierig für mich und meine Familie. Für meine Karriere war die Zeit indes sehr erfolgreich. Ich hatte also diese Höhen und Tiefen und fand es schwierig, diese Phase einzuschätzen. Es brauchte eine Weile, herauszufinden, dass die Höhen und Tiefen nicht den Hauptteil dieses Abschnitts einnahmen – das war nämlich das tägliche Leben mit all seinen Nuancen, wo alles wenig bemerkenswert und okay war – sozusagen der Mittelgrund. Das macht tatsächlich mein Leben aus – und nicht die Extreme. Das musste ich akzeptieren und das war gut für mich, denn so realisierte ich, dass das Leben nicht aus Sensationen bestehen sollte. Ich schrieb das Album also mit dem Gedanken, die Höhen und Tiefen meines Lebens in dem Mittelgrund zu integrieren. Musik ist dabei in praktischer und emotionaler Hinsicht eine lebensverändernde, prägende Angelegenheit mit einer therapeutischen Wirkung für mich.“
Ein Punkt, der unbedingt angesprochen werden muss, bevor wir Dekker mit unseren zehn Fragen konfrontieren – und er dann im Anschluss auf Release-Tour geht – ist aber seine Bühnen-Persona: Ist Dekker so etwas wie das Alter Ego von Brookln Dekker – und wie hat sich seine Beziehung zu dem überdimensionalen Hut entwickelt, hinter dem sich Dekker versteckt (und der im Grunde eigentlich erst Dekker aus Brookln macht)? „Über das Thema habe ich mich gerade erst wieder mit meiner Frau unterhalten“, räumt Brookln ein, „also ich lebe mein Leben nicht als Dekker, sondern als Brookln. Aber ich kämpfe zurzeit mit der Beantwortung dieser Frage. Ich denke, auf gewisse Art hast du recht, dass es ein Alter Ego ist. Ich versuche gerade, das zu akzeptieren, frage mich aber, ob ich überhaupt will, dass das der Fall ist. Ich bin mir nicht sicher, denn der Hut spielt doch eine größere Rolle, als ich mir das vorgestellt hätte. Ich habe das nicht geplant, aber das Thema mit dem Hut nimmt mich aus der Sache raus und lässt die Musik für sich sprechen. Meine Songs sind eigentlich sehr offen – aber ich habe kein Interesse daran, mein persönliches Leben zu publizieren, denn ich bin keine besonders soziale Person. Es gibt da diesen maskierenden Aspekt des Hutes. Ich kann dadurch sicherer agieren, als ich mich fühle, und es nimmt mich als Person aus der Rechnung. In gewisser Hinsicht ist der Hut auch eine Bürde. Deswegen versuche ich bei Live-Shows nun auch, den Menschen ins Gesicht zu schauen. Der Hut ist natürlich praktisch eine Bürde, weil ich nicht auf Social Media agieren kann wie andere – aber auch in dem Sinne, dass ich das Gefühl habe, dass die Zuhörer Mühe haben könnten, durch den Hut zu meiner Musik zu gelangen. Es ist einerseits cool, weil mit dem Hut eine gewisse Superpower für mich sein kann, mit der ich bestimmte Sachen erreichen kann, aber ich mache es auf diese Weise schwerer für mich.“
Genug Hutphilosophie. Hier sind nun unsere zehn Fragen für Dekker (bzw. Brookln Dekker).
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Die Definition, die am meisten für mich zählt, ist Musik, die mich bewegt. Entweder Musik, die mich zum Tanzen bringt – oder aber Musik, die mich emotional bewegt. Das kann auch jemand sein, der auf einem Eimer rumklopft und gar keine besonderen Fähigkeiten hat. Sieh mal: Ich war ein Drummer, bevor ich Gitarre spielte, und deswegen ist der körperliche, rhythmische Aspekt der Musik für mich so wichtig. Ich schreibe meine Songs bis heute aus einer rhythmischen Perspektive. Bewegung und Musik gehören für mich zusammen.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Ich bin sehr vorsichtig, wenn ich Musik mache, keine anderen Sachen zu referenzieren. Ich denke, dass ich versucht habe, mich weiterzuentwickeln und habe mich deswegen von einer engen Pop-Struktur zu einer offeneren Klanglandschaft, lockeren Strukturen, verschiedenen Taktarten und einem insgesamt freieren musikalischeren Ansatz bewegt.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Sowas mag ich nicht sagen. Das ist wie mit dem Titel, der ausdrückt, dass man die Sache nicht als Sensation begreifen soll. Ich habe eine ehrliche Scheibe aus einem richtigen Leben gemacht. Wenn du an Musik aus einem richtigen Leben interessiert bist, ist die Sache vielleicht etwas für dich.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Wahrscheinlich Gitarren und Mikrofone – Zeugs, um mehr Musik machen zu können.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Musik war immer um mich herum und ich bin als Kind als Teil der Kirche aufgewachsen – obwohl ich heute nicht mehr in die Kirche gehe. Als ich 13 war, war da dieser Typ im Kirchenchor, der einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte und der in der Reihe vor mir saß. Der drehte sich um und sagte: „Du hast aber eine schöne Gesangsstimme. Ich habe vor, eine Gesangsgruppe zu gründen. Hast du Lust, das mal auszuprobieren?“ Ich hatte zuvor nie über Musik nachgedacht, aber das hat etwas in mir entzündet. Ich habe Probe gesungen, eine Tenor-Rolle bekommen und in der Vokal-Gruppe mitgemacht. Eine Sache kam zur anderen und innerhalb eines Jahres machte ich in verschiedenen Bands mit – zu der Zeit noch als Trompeter in einer Ska-Band. Dann als Drummer in Punkbands und so ging das weiter.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Ich habe Träume. Verschiedene Träume. Wie ich etwa die nächste Scheibe besser machen könnte. Ich habe Träume über kreative Träume. Mit Dekker läuft es ja in Deutschland ganz gut – aber ich würde gerne noch in den USA spielen und meine Eltern bei meinen Shows sehen. Das würde mir das Gefühl geben, dass ich tatsächlich etwas erreicht habe.
7. Was war deine größte Niederlage?
Etwas, das ich als Niederlage empfinde? Ich bin ein wirklich ungeduldiger Songwriter. Wenn ich mit der Gitarre oder dem Klavier hinsetze, dann bereue ich es wirklich, dass ich nie geduldig genug war, die handwerklichen Fähigkeiten des Songwriting zu erlernen. Ich spiele also herum und irgendwann materialisiert dann ein Song und ich beschäftige mich damit, anstatt an meinem Handwerk zu arbeiten. Ich bin als von mangelnder Disziplin besiegt worden. Daran arbeite ich aber. Ich habe mir jetzt verschiedene Kurse runtergeladen und will weiter an meinen handwerklichen Fähigkeiten arbeiten.
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Ich bin kein besonders glücklicher Mensch – aber ich bin dankbar für die Art, in der meine Musik in Deutschland ankommt, denn das hat mir ermöglicht, meine Familie ohne große Sorgen auf bedeutungsvolle Weise unterstützen zu können. Ich bin also sehr dankbar.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Das kann ich nicht sagen. Musik, die ich nicht mag, mag ja für andere bedeutungsvoll sein. Ich kann Musik nicht auf diese Art bewerten. Das könnte ich nur mit meiner eigenen Musik machen.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Ich bin ja – wie gesagt – kein besonders sozialer Mensch. Ich mag es, mit meiner Frau und meiner Tochter abzuhängen, und wenn es möglich wäre, dass sie bei jeder Show dabei wären, dann wäre das cool. Ansonsten habe ich lieber Fremde bei meinen Konzerten. Meine Musiker schreiben immer ihre Freunde auf die Gästeliste – ich mache sowas aber nicht.
„Neither Up Nor Down“ von Dekker erscheint auf Useful Fictions/Wagram Stories Berlin.