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Rechtzeitig bevor es für die kanadische Songwriterin Anna Katarina im Oktober auf die von Gaesteliste.de präsentierte, erste Tour mit kompletter Band in unseren Breiten geht, legt die Musikerin aus Vancouver ihr lang erwartetes, zweites Album „While I Was Dreaming“ vor, das sie mit einer Reihe brillanter Single-Auskopplungen (zuletzt „No More Drowning“) entsprechend angekündigt hatte. Wie auch auf ihrem Debüt-Album „Daisychain“ setzt die smarte Songwriterin ganz auf die Qualitäten und Tugenden klassischer Acts wie Fleetwood Mac, Sheryl Crow oder auch Joni Mitchell und präsentiert ihre von Westcoast-Sounds und Laurel Canyon-Flair durchzogenen Songs in einem zeitlosen Old-School-Gitarrenpop-Setting. Denn wenn Anna Katarina eines verstanden hat, dann ist es der Umstand, dass nicht hippe Hochglanz-Produktionen und modische Gimmicks, sondern ordentliche Songs die Basis für ihr Tun bilden sollten.
Wie ist Anna Katarina denn zur Musik gekommen? „Das mag sich jetzt kitschig anhören, aber schon als ich ein Kind war, wusste ich, dass Musik das ist, zu dem ich bestimmt war. Meine Mama hat mir Klavierstunden ermöglicht, als ich noch sehr jung war. Seitdem habe ich die Musik immer an die erste Stelle gestellt. Ich habe dann mit klassischer Musik angefangen – mit Singen, Spielen, Oper und so etwas. Dann habe ich Jazz studiert und erst dann angefangen, meine eigene Musik zu machen und Songs zu schreiben. Erst während der Pandemie habe ich begonnen, eigene Musik zu veröffentlichen und Gitarre zu lernen. Das ging dann sehr schnell – denn ich hatte ja eine Menge Zeit. Es brauchte also etwas, bis ich meine Mitte gefunden hatte. Heute liebe ich es, mit meiner Musik zu touren – denn ich liebe es sowieso zu reisen und bin früher schon mit dem Rucksack durch die Gegend gezogen, als ich noch an der Highschool war. An großartige Orte zu reisen und dabei auch noch Musik spielen zu können ist für mich ein wahr gewordener Traum.“
Anna Katarina kommt ja aus Vancouver – spielt das als Musikerin für sie eine Rolle? „Ich bin zwar auf Vancouver Island aufgewachsen, lebe aber heute in Vancouver gleich am Strand. Vancouver ist großartig – aber es kann ein harter Ort für Künstler sein. Es ist extrem teuer und Kunst und Kultur sind nicht so prominent wie in anderen Städten. Diejenigen von uns Künstlern, die sich entscheiden, hier zu leben, müssen wirklich hart arbeiten, um es sich leisten zu können, um das verfolgen zu können, was wir lieben. Es ist aber großartig, Teil einer so kleinen, aber mächtigen Gemeinschaft zu sein, die wir hier haben. Ich wohne direkt am Strand und bin ständig erstaunt darüber, wie schön es dort ist. Wasser ist ein großes Thema auf meinem Album, was Sinn macht, denn ich verbringe so viel Zeit am Ozean. Ich liebe die Stadt. Auf Vancouver Island gibt es zwar eine gesunde Folk-Szene – aber in dieser fühle ich mich nicht so heimisch. Ich mag lieber diesen Old-School-Retro-Ansatz. Ich weiß gar nicht, ob das die richtige Wahl für mich war, aber ich denke, dass sich das für mich ganz natürlich so ergeben hat, weil ich in den 90ern und den 2000ern aufgewachsen bin. Ich mag das nostalgische Element dieser Art von Musik und ich denke, dass die moderne Musik von heute oft diese Art von Fertigkeiten vermissen lässt, auf der ich in meiner Musik aufbaue.“
Was meint das denn genau? Es gibt doch auch in der modernen Popmusik Fertigkeiten. „Ja, schon gibt es Fertigkeiten – aber auf denen basiert die moderne Popmusik nicht. Damit meine ich, dass es eine Menge SängerInnen gibt, die zwar eine bestimmte stimmliche Bandbreite haben – dann aber alles total überproduziert und auf Hochglanz poliert ist. Was mir an meiner Musik am Wichtigsten ist, ist das Singen. Ich liebe es, auf alle möglichen Arten zu singen – klassisch, Oper, Soul, Blues, Jazz, Country, Folk und Pop. Und weil ich meine Stimme dann auf möglichst interessante Weise einsetzen möchte, folgt sie nicht immer der Ästhetik moderner Musik. Einfach weil es eher in Richtung klassischer Vorbilder wie Carole King, Linda Ronstadt, Stevie Nicks und Sheryl Crow geht – all die KünstlerInnen, mit denen ich aufgewachsen bin.“
Was unterscheidet denn die genannten klassischen Vorbildern nach Anna Katarinas Meinung von den angesagten zeitgenössischen KünstlerInnen? „Dass deren Stimmen zwar unglaublich waren (und sind) – aber eben nicht perfekt. Das erzeugt eine emotionale Reaktion, die man mit Autotune und AI nicht erreichen kann. In gewisser Weise gilt das auch für die Musik.“
Außerdem geht es im zeitgenössischen Pop oft ja auch nur um den Gesang – während Anna Katarina ja zudem auf ordentlich komponierte Songs setzt. Was zeichnet dabei dann die guten Songs aus? „Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie man gute Songs schreiben kann. Ich hatte immer zuerst an die Musik und dann an die Texte gedacht. Heute glaube ich daran, dass ich zumindest irgendwelche Textzeilen brauche, mit denen ich anfangen kann – weil das am Ende dann auch bestimmt, wie der Song klingen sollte und die Wörter die Melodie beeinflussen. Ich weiß dabei selbst nicht immer, warum etwas catchy oder griffig ist, aber ich kann darauf aufbauen. Sachen, die dir im Kopf haften bleiben, sind für mich gut – egal ob es Gitarren- oder Synth-Elemente – oder aber die Melodie des Gesangs sind.“
Eine klassische Folk-Künstlerin kann Anna Katarina schon aus diesem Grund ja nicht sein. Denn sie braucht schon mehr als zwei Akkorde, um einen Song formen zu können – womit viele Folkies ja auskommen. „Bob Dylan zum Beispiel“, meint Anna, „für mich ist die Musik immer wichtiger als die Texte – und ich weiß, dass da viele Musiker anderer Meinung sind. Ich meine aber, dass man die schönsten Texte haben kann – aber wenn die Musik dann langweilig ist, mich diese Texte nicht wirklich berühren. Da höre ich mir dann lieber Instrumental-Musik an. Ich mag halt Melodien, Grooves und coole Akkordwechsel. Sowas kommt für mich immer an erster Stelle. Ich finde es immer schade, wenn Poeten und Songwriter mit zwei Akkorden zufrieden sind, um ihre Geschichten zu erzählen. Ich meine immer, dass so manch begnadeter Songwriter noch bessere Songs schreiben könnte, wenn es genauso viel Gewicht auf die Musik wie auf die Texte legte. Andererseits ist es mir schon bewusst, dass ich meinen Fokus auch auf die Texte legen muss, denn besonders wenn ich toure, sind die Texte ja unglaublich wichtig.“
Worauf legt Anna Katarina denn den Fokus bei ihrer Themenauswahl? „In letzter Zeit ist es schwieriger für mich, neues Material zu finden, weil ich bislang immer nur über Herzschmerz und Dinge in Auflösung geschrieben habe. Heutzutage bin ich aber an einem Punkt angekommen, an dem ich an einem festen Platz lebe, einen tollen Verlobten habe und mich ziemlich glücklich fühle. Das ist natürlich schön – aber nicht für das Songwriting. Ich darf also heutzutage keine Angst davor haben, auf Dinge zurückgreifen, die nicht ganz so autobiographisch sind. Ich zapfe dann Emotionen an, die ich zwar einmal gehabt habe, bleibe dann aber nicht dabei, was diese Emotionen ausgelöst haben, sondern nehme mir Freiheiten heraus. Als Kind habe ich des Weiteren ununterbrochen gelesen – damit aber irgendwann aufgehört. Im letzten Jahr bin ich aber wieder darauf zurückgekommen und habe unglaublich viel gelesen. Das ist auch sehr inspirierend. Das ist deswegen für mich als Songwriterin wichtig, weil ich auf diese Weise mit der Sprache konfrontiert werde, Wörter lerne und herausfinden kann, wie andere Menschen Dinge beschreiben, die mich berühren und wie sie Charaktere sehen. Das führt dazu, dass ich heute auch aus der Perspektive von anderen schreiben kann. Das ist insofern sehr befreiend, weil es doch eine ganze Menge Druck bedeutet, immer über dein eigenes Leben schreiben zu müssen. Das ist zwar das, was ich immer machen werde – weil es wichtig ist und eine Menge zu sagen gibt – aber es wäre schade, nicht auch ein Mal das Leben aus der Perspektive von anderen zu betrachten.“
Das erweitert ja auch den eigenen Horizont. „Genau“, bestätigt Anna, „irgendwann wurden meine Songs auch langweilig, weil ich immer nur aus der Perspektive einer Musikerin geschrieben habe, die mit ihrer Musik ihr Leben bestreiten muss. Man muss sich auch mal mit anderen Dingen beschäftigen – Fußball spielen oder so etwas – und sich mit Menschen umgeben, die nicht aus der Musikindustrie kommen.“
Wie wichtig sind Anna Katarina auf der musikalischen Seite die Arrangements und die Produktion? „Nun, für das neue Album habe ich drei Stücke selbst produziert“, berichtet Anna, „das war aber ein bisschen viel, denn wir haben die live aufgenommen. Ich musste dann spielen und aufnehmen und hören, was die anderen spielten, und musste alle Entscheidungen treffen. Es war also ein bisschen zu viel. Ich liebe es aber, an der Produktion beteiligt zu sein – vielleicht Drums und Bass live aufzunehmen, den Rest mit Overdubs einzuspielen – besonders meine eigenen Beiträge. Es ist dabei äußert wichtig, die Live-Energie zumindest teilweise im Studio einzufangen, weil mit der ganzen AI und diesem Zeug heute alles perfekt und poliert klingen könnte. Man kann gar nicht genau sagen, was da passiert, aber ich denke, man kann die Interaktion der Musiker untereinander heraushören, wenn man so arbeitet.“
Was bedeutet es für Anna Katarina, eine Musikerin zu sein? „Für mich fühlt sich Musik zu machen an wie zu atmen. Es ist etwas, was immer um mich herum ist, und es ist ein wenig transzendent und magisch. Musik ist etwas, was wir machen könnten. Auch wenn es Leute gibt, die sagen, dass sie nicht singen könnten – kann doch eigentlich jeder singen. Die verschiedenen Kulturen haben Gesang, Tanz und Musik schließlich seit hunderten von Jahren dazu verwendet, ihre Trauer zum Ausdruck zu bringen oder etwas zu feiern, miteinander zusammenzukommen und zu kommunizieren. Ich finde es schade, dass unsere Gesellschaft zwischen denen unterscheidet, die Musik machen, und jenen, die keine machen. Musik ist mehr als das. Die Katze meiner Mutter kommt zum Beispiel immer in den Raum, wenn ich Gitarre spiele. Das sagt doch alles.“
Was ist die größte Herausforderung in dem Metier? „Die größte Furcht, die ich habe, ist die vor einer Schreibblockade“, räumt Anna ein, „ich bin eine Perfektionistin und mir geht es immer schlecht, wenn ich an etwas arbeite, das ich für einen schlechten Song halte. Was ich dann für gewöhnlich mache, ist erst mal aufzuhören und etwas anderes zu machen. Dann gibt es Phasen, in denen ich lange nichts geschrieben habe, und dann kommt wieder die Angst ins Spiel, dass mir nichts mehr einfallen könnte. Was in diesen Situationen hilft, ist, dass ich mir Musik anhöre, die ich liebe. Dann überlege ich mir, ob ich denken würde, dass dieser Song ein guter Song ist, wenn ich ihn selbst schreiben würde – ohne Arrangement und Produktion – und versuche dann herauszufinden, was den Song gut macht. Als ich anfing, Songs zu schreiben, lernte ich gerade Gitarre und alles war irgendwie aufregend – aber oft braucht es eben handwerkliches Geschick, einen Song gut zu machen. Die romantische Vorstellung von Songwritern ist die, dass die Songs sich in 30 Minuten von Anfang bis zum Ende materialisieren. So ist das aber nicht – und wenn es passiert, dann höchst selten. Man muss hart an der Sache arbeiten. Ich musste also meine Einstellung zum Songwriting verändern. Ich arbeite heute zielorientiert. Ich habe eine Patreon-Seite und nehme dort jeden Monat Songs auf und teile sie dann. Neuerdings schreibe ich auch mit anderen – das fühlt sich aber zuweilen seltsam für mich an.“
Was macht denn bei der Sache am meisten Spaß? „Mit anderen Menschen auf der Bühne zu stehen und für andere Menschen zu spielen. Das liebe ich. Ich trete auch schon mal alleine auf – aber ich bevorzuge die Magie des Moments, wenn ich mit anderen zusammen spiele.“
„While I Was Dreaming“ von Anna Katarina ist eine Eigenveröffentlichung.