„Ich komm gleich nach“, singen Moritz Krämer und Francesco Wilking in dem gleichnamigen Song des neuen Albums von Die Höchste Eisenbahn. Und weiter: „Bin nur ein bisschen spät/Ich weiß, wie Du’s hasst/Wie ich mit Deiner Zeit umgeh“. Hier ein Appell für Entschleunigung, aber man kann die Band darin sehen – bei sechs Jahren Pause. Doch hey, untätig waren die vier Musiker nicht. Krämer hat eine Soloplatte mit dem schönen Titel „Die traurigen Hummer“ aufgenommen, Wilking mit der Crucchi Gang und im Duo mit Christopher Annen von AnnenMayKantereit musiziert, Max Schröder kooperierte mit Olli Schulz und Felix Weigt ist als Podcaster unterwegs. Jetzt hatten sie wieder Bock auf ein gemeinsames Projekt und seit September touren sie durchs Land.
Dabei werden sie sicher auch über „Bürotage“ fabulieren: „Montag, Dienstag, Mittwoch sind meine Bürotage, da kann ich leider nicht. Aber Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag bin ich da.“ Das klingt nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Das Wort „Bürotage“ wirkt bereits wie aus der Zeit gefallen, dazu ein Refrain wie ein Abzählreim. Wie in der lakonischen Beziehungsaus-Hinnahme in „Alles, was ich dir sagen wollte“: „Und der Wecker geht 3, 2, 1 und schrill/Alles viel heller/Als ich’s will/Und die Sonne scheint 7,8,8,10 weg. Ein Schlüssel mehr. Ein leeres Bett.“
Die Höchste Eisenbahn haben sich einen unbefangenen Blick auf die Welt bewahrt, doch bei aller vordergründiger Naivität schauen sie genauer hin. Auf Beziehungsprobleme, Unehrlichkeit, Nachtschwärmen, Erinnerungen an die erste Liebe, inkompatible Biorhythmen und die Schwierigkeit des Neuanfangs. „Gitarre Ärztin Blau“ ist „Stadt, Land, Fluss“ für’s Zwischenmenschliche. Manches wirkt nachdenklich, gar traurig. Die fröhlichen Melodien konterkarieren den Trübsinn wie die oft putzigen Assoziationsketten. Damit könnten Die Höchste Eisenbahn Fans von Erdmöbel und Von Wegen Lisbeth gefallen.
Die federnden Beats und poppigen Synthies werden dezent angereichert mit Posaune, Cello, Geige und Viola. Krämers und Wilkings Stimmen passen so gut zusammen, dass man sie mitunter kaum auseinanderhalten kann. Auch wenn Krämer (45) und Wilking (51) die Erkenntnis der Vergänglichkeit gewahr wird, so feiern sie doch das Leben: „Wenn meine Eltern nicht mehr sind/Und dann ich der nächste bin/Alle Tiefen und alle Höhen/Oh, ich will noch nicht/Es ist wunderschön, dieses Leben“. Es ist höchste Eisenbahn, dass die Band zurück ist. Auf Tour und mit dem formidablen Album „Wenn wir uns wieder sehen schreien wir uns wieder an“. An Rechtschreibung und Kommasetzung könnten sie noch feilen.
„Wenn wir uns wieder sehen schreien wir uns wieder an“ von Die Höchste Eisenbahn erscheint auf Mila Records.




