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Homecoming
Natürlich sind Sierra Lundy und Jon Middleton nicht wirklich in Köln zu Hause. Aber dennoch wirkte das Konzert, das das kanadische Singer/Songwriter-Pärchen am 12.11.2025 im Kölner Carlswerk im Rahmen ihrer gerade laufenden Europa-Tour spielten, wie eine Homecoming Show, denn nirgendwo lässt sich der eigentlich überraschende Erfolg der Musiker aus Victoria, Vancouver Island, besser nachverfolgen als in Köln – denn mit jeder Tour spielen Ocie Elliott in größeren, jeweils ausverkauften Spielstätten.
Diesen Erfolg haben Ocie Elliott aber auch gründlich vorbereitet. Zunächst erschienen Sierra und Jon ab ca. 2018 im Schlepptau befreundeter (oft kanadischer) Bands, die sie als Support-Act begleiteten in kleineren Spielstätten wie dem Blue Shell oder dem Jaki Club. Als sie dann 2022 ihre erste Headliner-Tour absolvierten, spielten sie in Köln im ausverkauften Stadtgarten. Auf ihrer letzten Tour 2024 war es das Kölner Gloria, das sie ebenfalls ausverkauften. Und nun war es das Carlswerk Victoria, das bis auf den letzten Platz gefüllt dem Auftritt der Kanadier harrte.
Als Support Act hatten sich Sierra und Jon ihren alten Kumpel Ben Cramer a.k.a. Old Sea Brigade mitgebracht – mit dem sie schon oft zusammengearbeitet hatten. Denn das muss man wissen: Der Erfolg hat Ocie Elliott den Kopf nicht verdreht. Immer noch läuft hier alles in einem familiären Rahmen ab. Ben Cramer hatte im Sommer gerade Pt. 2 seines Projektes „If Only I Knew“ veröffentlicht, dem er gerade noch das Duett „All My Best“ mit Hannah Georgas hinterhergeschoben hatte. Aber logischerweise konnte es in so einem begrenzten Support-Slot nicht darum gehen, den neuesten Kram zu präsentieren, sondern darum, das Publikum auf den nachfolgenden Headliner einzustimmen. Und das tat Cramer dann mit einer Reihe älterer Songs wie z.B. „Caroline“ von seinem 2021er Album „Motivational Speaking“ oder seiner ersten Single „Love Brought Weight“. Interessanterweise erinnerte Cramers Gesang in dem reduzierten Folk-Setting dann bei Songs wie „Tidal Wave“ – aufgrund eines ähnlichen Timbres – an jenen von Matt Berninger von The National, was aber sicherlich nicht als Vorwurf gemeint ist, denn Ben ist als Musiker bekannt, der sich regelmäßig mit Kollegen und Freunden wie Luke Sital-Singh, Katie Pruitt, Hannah Georgas, Amanda Bergman, Albin Lee Meldau, Paris Paloma und vielen anderen zusammen tut, um sich musikalisch auszutauschen. Seine Songs waren jedenfalls vollkommen kompatibel zu dem, was Ocie Elliott im Folgenden zu bieten hatte. Als Performer beeindruckte Cramer dadurch, dass es ihm gelang, das Publikum gleich bei seinem zweiten Song zum Mitsingen zu motivieren – und bei „Day By Day“ zum Durchklatschen.
Ein Teil des Erfolgsgeheimnisses von Ocie Elliott ist ja der Umstand, dass sie ihr patentrechtlich relevantes Whisperfolk-Konzept im Wesentlichen nie geändert haben, sondern sich nach wie vor auf die intime Beziehung berufen, die sie mit akustischer Gitarre, zwei Stimmen und ein wenig Keyboard-Verzierung gesanglich evozieren. Aufgrund dessen, dass sie – auch auf der ausverkauften US-Tour – in größeren Hallen und erstmals mit einem Nightliner unterwegs waren, hatten sich Jon und Sierra allerdings entschlossen, sich auf dieser Tour von zwei Musikern musikalisch verstärken zu lassen. Dafür hatten sie ihre alten Kumpels Marcus Manhas (an Bass und Posaune) und Evan Miller (an Drums und E-Gitarre) eingeladen, die beide in der kanadischen Band Current Swell gespielt hatten, die Ocie Elliott auf deren 2020er Tour als Support begleitet hatten.
Wie Jon Middleton nach der Show erklärte, ist das neue Album „Bungalow“ (dessen Name sich auf das Studio bezieht, in dem die Songs eingespielt wurden) unter anderem deswegen entstanden, damit Ocie Elliott mehr Songs zur Auswahl hätten, um die Setlists auf Tour auch für sie selber interessant zu halten. Das bedeutet natürlich nicht, dass die neuen Tracks als Notlösungen konzipiert wurden, erklärt aber vielleicht die gelöste Stimmung, in der sie dargeboten wurden.
Tatsächlich fügen sich die neuen Songs wie „By The Way“, „Feeling Fine“, „Younger Days“ – und das bei dieser Show erstmalig live aufgeführte „Opening Night“ – nahtlos in das Ocie Elliott-Oeuvre ein; nur dass die neuen Songs auf eine positive, glückliche Lebensphase des Duos schließen lassen. Die Setlist war dabei äußerst geschickt aufgebaut, indem die heimlichen Hits des Duos – wie „Run To You“, „Forest Floor“ und „Tracks“ – allesamt am Ende des offiziellen Sets versammelt waren. Und um noch einmal auf den Titel dieser Story zurückzukommen: Zufällig behandelten Ocie Elliott mit den Songs „Take Me Home“ und „Younger Days“ auch das Thema Heimkehr (natürlich mit der unter Künstlern akzeptierten Schlussfolgerung, dass eine Heimkehr zu einem erinnerten Idealzustand eben nicht möglich ist). Bei den Zugaben gab es dann mit „Down By The Water“ noch mal einen Rückgriff auf die Anfangstage des Duos.
Kommen wir aber vielleicht mal zu dem, was nicht war, wie bei den bisherigen Shows. Da war zum einen natürlich die Mitwirkung von Markus und Evan, die das Klangbild mit ihren Beiträgen – zumindest punktuell – ausweiteten. Insbesondere der Umstand, dass ein echter Bass zum Einsatz kam, wirkte sich förderlich aus – denn so brauchte Sierra von ihrem Mikro-Mellotron nicht auch noch die Hälfte der Tasten für Bass-Sounds freizuhalten. Die besagte Posaune kam indes alleine beim Track „Run To You“ zum Einsatz. Dann gab es beim (wie gesagt zum ersten Mal live gespielten) „Opening Night“ auch noch das erste richtige Gitarrensolo von Jon Middletons in einem Ocie Elliott-Set zu bestaunen (wenngleich auf der akustischen Gitarre und nicht auf der elektrischen wie bei der Studiofassung des Tracks). Und als Ocie Elliott das Set offiziell mit dem Song „Tracks“ (dem Soundtrack zu ihrem ersten gemeinsamen Abenteuer) beendeten, leisteten sie sich noch ein Mundharmonika-Duell. Die größte Überraschung dürfte indes gewesen sein, dass sich Jon und Sierra noch einmal für eine echte Zugabe auf die Bühne zurück bitten ließen, als die Hausbeleuchtung bereits eingeschaltet worden war, die Fans zum Ausgang strömten und der Merch-Verkauf bereits begonnen hatte. So etwas hatte es zuvor auch noch nicht gegeben.
Kurz gesagt: Ocie Elliott boten an diesem Abend alles, was man sich nur hätte wünschen können – und noch einiges mehr. Und das, ohne die tröstliche, selig machende und ab sofort auch hoffnungsvolle Grundstimmung, die den Mehrwert einer jeden Ocie Elliott-Show ausmacht, auch nur eine Sekunde aus den Augen zu verlieren. Der Lohn für diese Bemühungen war dann eine ausverkaufte Show in größerem Rahmen, in der zu jeder gegebenen Zeit die sprichwörtliche fallende Stecknadel zu hören gewesen wäre. Wenn das so weitergeht, werden Ocie Elliott bei ihrer nächsten Homecoming-Show in Köln wohl das nächstgrößere E-Werk bespielen müssen.
























