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Die mit den Pferden tanzt
Ihr aktuelles Album „Metalhorse“ hatte Tor „Billy Nomates“ Maries erstmalig dezidiert als Band-Album angelegt und zusammen mit ihrem Drummer Liam Chapman und Bassistin Mandy Clark eingespielt. Als das Album im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, erklärte Tor noch, dass sie dann auch mit Band auf Tour gehen würde. Im Prinzip realisierte sie das auch teilweise in Großbritannien – aber bei der Kölner Show im Gebäude 9 stand sie dann doch alleine mit Liam Chapman und einem Karussell-Pferd auf der Bühne.
Dafür hatte sich Tor Unterstützung in Form ihrer Tour-Fahrerin Lily Wolter mitgebracht, die mit ihrem neuen Projekt My Precious Bunny den Support machte. Auch Lily Wolter stammt – wie Tor Maries – aus Brighton und ist seit 2019 mit ihrem Bruder Jack mit der Psych-Dreampop-Band Penelope Isles tätig. My Precious Bunny ist ihr neues Solo-Projekt – das sie bei der Show alleine mit Keyboarderin Kamran Kaur (die in Personalunion auch als Merch-Person fungierte) repräsentierte. Musik haben My Precious Bunny offiziell – bis auf ein paar Demos – noch nicht veröffentlicht; vermutlich auch deswegen, weil Lily Wolter noch kein endgültiges Format für jene Art zwar charmanten und amüsanten – aber auch ein wenig verstiegenem Kinderzimmer-Indie-Pop, den sie im Gebäude 9 im Duo-Format präsentierte, gefunden hat. Wie sie berichtete, spielt sie ansonsten mit bis zu sieben Musikern – sodass das Potenzial ihrer Musik im reduzierten Setting noch gar nicht voll ausgeschöpft werden konnte.
Die in Köln präsentierte Art von multidisziplinärem Soundclash lebte dann vor allen Dingen von Lilys kurzweiligen Einlagen als Quasselstrippe – und musikalischen Überraschungen. Da waren zum einen Lilys Beiträge auf dem Saxophon – und dann auch die unberechenbaren Rhythmus-, Struktur-, Stil- und Arrangements-Wechsel, die an jeder Stelle des kurzweiligen Programmes möglich waren. Kurz gesagt: Man hatte als Zuschauer den Eindruck, an der Suche nach dem Kern der jeweiligen Tracks direkt beteiligt zu sein. Das machte Spaß und war bestens geeignet, auf die nachfolgende Show von Tor Maries und Liam Chapman einzustimmen.
Aufgrund dessen, dass ja eben Mandy Clarke nicht als Bassistin zur Verfügung stand – und Tor Maries live selbst keinen Bass spielt (obwohl einige der aktuellen Songs auf diesem Instrument geschrieben worden waren), gab es nun also Backing Tracks, auf denen neben den elektronischen Bestandteilen, Keyboards und Gitarren eben auch die Basslinien vorproduziert vorlagen. Das bedeutete: Tor Maries und Liam Chapman mussten also alleine die Bühne „zumachen“. Deswegen war Liams Drumset auch nicht mittig aufgebaut, sondern stand am linken Rande der Bühne, sodass er und Tor im Dialog stehen konnten, während letztere die Bühne mit ihren Dance-Moves raumgreifend dominierte.
Natürlich ergeben sich bei einem Set, das von vorprogrammierten Backing Tracks abhängig ist, nicht viele Möglichkeiten der Improvisation und Spontaneität – aber das machte insbesondere Tor selbst durch ihre extrovertierte Bühnenshow mehr als wett. Es wird sich zeigen, inwieweit ihre MS-Erkrankung so etwas in Zukunft noch uneingeschränkt möglich machen wird, aber auf dieser Show präsentierte sie sich wie gewohnt als hochenergetisch – und fast schon hyperaktiv – agierende Performerin, die sich mit Inbrunst und Augenzwinkern ins Geschehen einbrachte. Dabei ging es erstaunlicherweise gar nicht darum, das Publikum ins Geschehen einzubinden (außer beim Track „Dark Horse Friend“, bei dem das Publikum den Gesangspart von Hugh Cornwells Studioversion als Chor übernahm) – sondern die Performance als Ergänzung der musikalischen Intentionen der jeweiligen Tracks zu sehen. Gelegentlich erläuterte Tor die Hintergründe ihrer Songs – beispielsweise indem sie erklärte, dass sie ihren Song „Moon Explodes“ deswegen diesen Namen gegeben hatte, weil ansonsten in der Wissenschaft immer nur von der Explosion der Sonne (bzw. von Sternen) geredet werde.
Das Programm bestand logischerweise größtenteils aus den Songs der neuen Scheibe „Metalhorse“ sowie einigen überraschenden Rückgriffen auf ältere Großtaten wie z.B.: „No“ und „Hippy Elite“ vom Debüt-Album oder „Blue Bones“ und „Spite“ von der „Cacti“-LP. Die vielleicht aber interessanteste Passage war im Mittelteil der Show angesiedelt, als Tor Maries für den Song „Strange Gift“ zur akustischen Gitarre griff und die Ballade dann auch solo vortrug. Es folgten dann mit „Knives“ und „Pornos In The Waiting Room“ zwei weitere Solo-Tracks von der „Tor Tapes“ Platform, auf der sie ansonsten Demos, Outtakes und Songskizzen präsentiert, die nicht zu ihren Billy Nomates Alben passen wollten. Interessanterweise kamen hier dann auch die reduzierten elektronischen Backing-Tracks dieser Aufnahmen zum Einsatz. Das Thema des Tracks „Pornos In The Waiting Room“ (mit dem die in Wartezimmern ausliegenden Lifestyle-Magazine angesprochen werden) illustrierte der ansonsten im Moment arbeitslose Liam Chapman dann, indem er während Tors Vortrag ein Vogue Magazin las – bzw. vor das Gesicht hielt.
Fazit: Mag sein, dass die Show mit einer Live-Bassistin noch etwas kommunikativer hätte ausfallen können – aber im Wesentlichen überzeugten sowohl Tor Maries wie auch Liam Chapman mit einer mitreißenden, lebendigen und auch performerisch ansprechenden Live-Show, die – was den Unterhaltungsfaktor betraf – nichts zu wünschen übrig ließ.



























