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Pathos, Pomp und Pyros
Auf der letzten Tour fanden sich Schützengräben, Sandsäcke, Stacheldraht und eine Panzerattrappe auf der Bühne. Wenn die aktuelle Konzertreihe der schwedischen Metal-Band Sabaton nun „The Legendary Tour“ heißt, bedarf es einer Steigerung. Eine mittelalterliche Burg muss es sein, mit Türmen, Mauern und einem Drachenfelsen, auf dem das Schlagzeug thront. Mitten im Publikum befindet sich eine vorgelagerte Verteidigungsanlage, die über eine Brücke zu erreichen ist, die nach Bedarf heruntergelassen wird. Auf der Bühne werden Kanonen gezündet und es schießen wiederholt Feuersäulen aus dem Boden. Der Konfettiregen am Ende darf nicht fehlen. 11.000 Fans wollen sich das Spektakel in der ZAG-Arena nicht entgehen lassen.
Während viele Bands eine Erkennungsmelodie abspielen, die ihren Auftritt einleitet, leisten sich Sabaton ein großes Orchester, das 13 Songs der Schweden covert. Mit Mönchschor, reichlich Streichern und Bläsern und drei Frontfrauen für Dirigat und Gesang, mit Violine sowie mit Drehleier, Flöte und Schlüsselfidel. Pompöse Arrangements zu einem imaginierten Monumentalfilm – und auf Dauer etwas ermüdend. Ohnehin könnte am Timing gearbeitet werden: Eine gute Viertelstunde diskutieren auf der kleinen Bühne im Publikum ein Napoleon-, ein Dschingis Khan- und ein Cäsar-Darsteller ihre historische Bedeutung, bis Napoleon den Brutus gibt und dem Disput ein Ende bereitet. „Langweilig“ ruft jemand – nicht zu Unrecht. Abgelöst werden sie von einer Schar Tempelritter, die sich, als sie ihre Helme absetzen, als die Sabaton-Musiker entpuppen. Über die Brücke begeben sie sich zur Hauptbühne in ihre Burg, wo’s dann endlich richtig losgeht.
Nach zwei Alben zum Zweiten und zwei zum Ersten Weltkrieg war das Thema ausgereizt. Der aktuelle Tonträger „Legends“ beschäftigt sich mit historischen Persönlichkeiten, bei denen man meist Krieg assoziiert. Sabaton polarisieren. Zeilen wie „I’ll take the stairway to heaven/I’m sky high, when I die/I’ll be immortal forever“ aus „Soldier Of Heaven“ geraten arg pathetisch, Soldaten werden für ihren Mut als Helden gefeiert. Die hymnischen Songs unterstreichen den Gestus. Andererseits erklären Sabaton auf ihrer Homepage ihre Songtexte, holen sich geschichtliche Expertise hinzu, um historische Hintergründe zu erhellen. In ihren Liedern thematisieren sie zudem die unheroische Seite: das unendliche Leid, die sinnlosen Opfer und in „Christmas Truce“ den berückenden Augenblick am Heiligen Abend des Jahres 1914, als britische und deutsche Soldaten über die Frontgrenze hinweg „Stille Nacht“ gemeinsam anstimmen. Das Klavier (aus der Konserve) zu Beginn klingt noch besinnlich, bevor die markanten Riffs der Gitarren hervorbrechen. Denkt man sich die Metal-Gitarren weg, erinnern die Refrains mitunter an Santiano – muss man mögen.
Aus der Gründungsformation sind nur noch Bassist Pär Sundström und Joakim Brodén verblieben. Brodén ist kein Shouter, sondern Sänger eingängigen Melodien, die sich weniger zum Headbangen eignen als zum kollektiven Mitsingen der Fans – mit Pommesgabel am emporgereckten Arm. Die Gitarristen Chris Rörland und Thobbe Englund sind zusammen mit Sundström in ihrer Burg fleißig unterwegs, stellen ein Bein zwischen die Zinnen und schwenken wirkmächtig ihr langes Haupthaar. Der voluminöse Rocksound gebiert einige Soli, die sich nicht unnötig in die Länge ziehen. Viele der Songs gelingen angenehm kompakt. Auch Hannes Van Dahls Schlagzeugsolo gerät knapp und auf den Punkt getrommelt. In der zweiten Konzerthälfte erhalten Sabaton Unterstützung vom Chor des Legendary Orchestra und von dessen Sängerin Noa Gruman.
Mitunter verkümmert die Musik fast zur Klangtapete, wird der Zuschauer doch immer wieder abgelenkt, wenn die nächsten Feuersäulen aus dem Boden oder aus Drachenköpfen schießen – irgendwo zwischen Artillerie und Fantasy. Zum „Attack Of The Dead Men“ trägt Brodén eine Gasmaske, die Gitarristen haben sich Tücher vor den Mund gebunden. Giftgas wabert grünlich durch den Saal. Über die Brücke geht es hinab ins Publikum. Sabaton zum Anfassen, wenngleich kein fröhliches Stelldichein. „Masters Of The World“ beendet die durchchoreografierte zweistündige Show. Noch einmal die Brücke, noch einmal Pyros und ein kunterbunter Konfettiregen. Alles gut? Für diesen Abend schon. In der Ukraine allerdings ist selbst ein Weihnachtsfrieden unrealistisch.

















































