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Mutig – stark – beherzt
„Mutig – stark – beherzt“ lautet die Losung des gerade zu Ende gegangenen Kirchentags in Hannover, der auch Veranstaltungen auf dem Messegelände anbot. Dort, wo auch die ZAG-Arena liegt, in der rund 5.000 Blues-Rock-Fans zu Joe Bonamassa pilgerten. Und der Bezug zum Kirchentag-Motto drängt sich fast auf. „Mutig“ ist der US-Amerikaner, weil er sich nicht scheut, die Songs der Vorbilder zu seinen eigenen zu machen. „Stark“, weil er über zwei Stunden im Mittelpunkt steht und den Saiten Beeindruckendes entlockt. „Beherzt“, weil er mit viel Herzblut den Blues in das 21. Jahrhundert überführt hat.
Bonamassa, der Gitarren-Gott, benötigt dazu keinerlei Show-Firlefanz: keine Videowände, nur ein schlichter Vorhang. Darüber im Halbrund ein paar Scheinwerferbrücken und von unten hin und wieder Lichtkegel. Bonamassa legt pünktlich um 20 Uhr los. Wie gewohnt im eleganten Anzug und mit Sonnenbrille. Die Setlist umfasst schmale 12 Songs, doch kaum einer bleibt unter zehn Minuten. Led Zeppelins „How Many More Times“ streckt sich gar auf eine Viertelstunde, die keine Sekunde langweilt. Darin eingebaut: Albert Kings „The Hunter“. Donnernde Riffs, virtuose Griffbrett-Exkursionen, ein Solo des kraftvollen Drummers Lamar Carter, das vielleicht nicht ganz so berserkerhaft gerät wie einst bei John „Bonzo“ Bonham. Und ja, Bonamassa ist kein Robert Plant, aber ein guter Sänger und ein großartiger Gitarrist.
Bedauern mag man, dass Bonamassa in letzter Zeit live auf Bläser verzichtet, die noch einmal einen anderen, manchmal gar swingenden Ton hineinbrachten. Dennoch kann man Bonamassa nicht vorwerfen, sich auf ausgetretenen 12-Takt-Schemata auszuruhen. Dafür sorgen die beiden Background-Sängerinnen Jade MacRae und Dannielle DeAndrea, die eine soulige Komponente beisteuern. Oder der altgediente Mitstreiter Reese Wynans, der herrliche Hammond-Orgel-Schübe einwirft, aber auch stimmungsvolle Keyboard-Teppiche ausrollt. Zum Beispiel bei „The Last Matador Of Bayonne“, über das Bonamassa gefühlvolle Gitarrenakkorde legt. Bis zu einem instrumentalen Vulkanausbruch, der die Frage aufwirft, was da mit dem eben noch so melancholischen Matador passiert ist. Bonamassa tritt an die Rampe, nimmt die Sonnenbrille ab, streckt die Arme aus, als wolle er fragen: „Na, wie war ich?“ Begeisterter Jubel, natürlich.
Vergleichsweise kompakt gerät „The Heart That Never Waits“ mit einem twangigen Gitarrensound, der die Töne über eine imaginäre Prairie fliegen lässt. Bonamassa hat eine riesige Gitarrensammlung und einige Exemplare lässt er sich beständig reichen. Diesen entlockt er knackige Riffs, ein zärtliches Wimmern oder an- und abschwellende Wah-Wahs – und lässt auch mal seinen Gitarristen Josh Smith die Lead-Gitarre spielen. Der Bassist Calvin Turner komplettiert die hervorragende Tour-Band, deren Sound klar, aber sehr laut aus den Boxen knallt. Bei dem Ronnie Earl-Cover „I Want To Shout About It“ gibt es für die einzelnen Musiker immer wieder Sonderapplaus, was man so eher vom Jazz kennt. „Driving Towards The Daylight“ mit seinem fast poppigen Refrain und einem hübschen Piano-Schluss von Wynan hat sich inzwischen unter die Live-Favoriten gemischt, zu denen auch die Klassiker „Dust Bowl“ und das finale „Sloe Gin“ gehören. Letzteres, zuerst von Tim Curry, dem „sweet transvestite“ aus der „Rocky Horror Picture Show“, gesungen und, wie Bonamassa erzählt, das Lieblingslied seiner Mutter, die ihn Weihnachten zu einer entsprechenden Gesangsdarbietung aufgefordert habe. Ah ja.
Das Konzert in Hannover sei seine letzte Show, sagt Bonamassa – mit 47, wie er nach einer kurzen Pause nachschiebt. In zwei Tagen werde er 48. Im Juli 2025 wird sein neues Album „Breakthrough“ erscheinen. Auf Kostproben daraus wird man bis zur nächsten Tour warten müssen. Zwischendurch tourt Bonamassa mit seiner Band Black Country Communion mit dem zwischenzeitlichen Deep Purple-Sänger Glenn Hughes und Jason Bonham am Schlagzeug, dem Sohn der Led Zeppelin-Legende John Bonham. Da schließt sich ein Kreis.