Wer schon länger das Ableben so großartiger Bands wie XTC oder Prefab Sprout betrauert, kürzlich Brian Wilsons Tod zu beklagen hatte, der musste schon ein wenig suchen, will er seine Lust auf clever arrangiertes, melodieseliges und dennoch nie artifiziell zusammengebautes Liedgut stillen. Wilsons wunderbar kitschige Zusammenarbeit mit Van Dyke Parks auf dem Album „Orange Crate Art“ sei an dieser Stelle als Tipp eingefügt. Sicher, Divine Comedy ist nach wie vor eine gute Adresse. Und dann ist da Philippe Auclair, ursprünglich als Sportjournalist unterwegs, als Musiker immer ein wenig unter dem Radar fliegend und seit vier Jahrzehnten auf der Suche nach dem perfekten Popsong. Unter dem Künstlernamen Louis Philippe kam der in London lebende gebürtige Franzose diesem Unterfangen bereits oft sehr nahe. Und die Zusammenarbeit mit der Band The Night Mail, die auch Robert Foster auf Tour unterstützte, kommt Philippe dem Anspruch immer näher. Bereits mit dem Vorgänger „Thunderclouds“ und nun mit „The Road To The Sea“.
Das Album beginnt reminiszierend mit dem Stück „The Road To Somewhere“. Eine Metapher für die Straße des Lebens, die jeder zu beschreiten hat und auf der er mehr oder weniger Spuren hinterlässt. „Where Did We Go Wrong“ tänzelt fröhlich eine mysteriöse Yellow Brick Road hinunter wie Dorothy im „Zauberer von Oz“. Doch düsteren Gedanken nachhängend, stellt sich das lyrische Ich im Refrain die Frage, wo es falsch abgebogen ist. Der Walzer „La Maison Sans Toit“ klingt wie ein französischer Chanson-Klassiker. Und immer wieder Erinnerungen an Fahrten ans Meer, in die Sommerfrische, an vergangene Erlebnisse. Doch bei aller vordergründigen Leichtigkeit: Die Meeresbezüge weisen eine zweite Bedeutungsebene auf. Da ist in „All At Sea“ die Welle der Liebe, die den überraschten Lover erfasst. „To The Sea“ kommt als eine Art Schlaflied daher, vergangene Stunden Revue passierend. Eine Wundertüte der Popmusik. Und was für ein Sound-Kosmos: „Those Days Of Summer“ erinnert mit dem Satzgesang an die Hochzeit von 10cc, die mit ebenso vertrackten Wendungen brillierten wie Philippe in „Wine And Roses“. In „A Friend“ klingen die Keyboards wie ein Spinett. Und „Pictures Of Anna“, das so leichtfüßig und doch mit melancholischer Note Bildsequenzen untermalt, kommt dem Ideal des perfekten Popsongs ziemlich nahe. Ein Album, das der geneigte Hörer als Hintergrund-Klangtapete nutzen kann, das aber ein konzentriertes Studium verdient, um es zu einem Erlebnis für den Musik-Connaisseur werden zu lassen, gibt es hier doch so viel zu entdecken.
„The Road To The Sea“ von Louis Philippe & The Night Mail erscheint auf Tapete Records/Indigo.