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„Suspend“ heißt die zweite EP der New Yorker Songwriterin Nikita Lev. Und obwohl Nikita immer noch auf der Suche nach einem eigenen Sound ist, demonstriert diese Songsammlung bereits eine deutliche Weiterentwicklung in Sachen Sound, Songwriting und Produktion gegenüber der ersten EP. Das ist nicht verwunderlich, denn bevor im letzten Jahr ihre Debüt-LP „I Believed It At The Time“ erschien, hatte sie bereits eine ganze Platte mit eigenem Material eingestampft, weil ihr das Ergebnis nicht zusagte. Kurzum: Nikita Lev ist mit sich selbst so schnell nicht zufrieden und wagt lieber einen Blick über den musikalischen Tellerrand hinaus, anstatt sich auf einem sicheren, aber vorhersehbaren Terrain einzurichten. Die neue EP überrascht beispielsweise mit elektronischen Bestandteilen und starken Dreampop-Akzenten, die das Werk von den bislang in Richtung Folk, Chamber- und Indie-Pop ausgelegten Songs der ersten EP unterscheidet. Dürfen wir also annehmen, dass es sich bei dieser neuen EP um eine Art Transitions-Projekt handelt und dass Nikita also auch weiterhin nach neuen Möglichkeiten, sich musikalisch auszudrücken, sucht? „Ja, auf jeden Fall ist das eine Übergangs-Scheibe“, räumt Nikita ein, „ich arbeite nun mit Richie Blake, er ist auch der Gitarrist in meiner Band. Deswegen klingt die EP anders. Es geht auch um für mich neue Einflüsse und die persönliche Entwicklung.“
Was ist denn das Thema der EP bzw. was wird denn da „aufgehoben“? „Das Thema besteht darin, emotionale Distanz zu finden und herauszufinden, wie man seine Emotionen regulieren kann. Es ist ein breiter Rahmen, aber im Wesentlichen geht es darum, die Balance zwischen Nähe und Abstand zu finden. Es ist zudem eine Art Update meiner emotionalen Situation. Musikalisch geht es darum, die Dinge, die ich selbst cool finde, zu beachten. Ich liebe gute Melodien, Hooks und Riffs – vor allen Dingen die, die dich zum Tanzen bringen, denn das ist mir besonders wichtig. Ich denke aber nach wie vor nicht an Genres, wenn ich Musik mache, denn ich will mich nicht limitieren und lieber neue Sachen ausprobieren. Dieses Mal gibt es eben Pop- und New Wave-Einflüsse mit 90er-Nostalgia-Touch.“
So richtig in eine musikalische Schublade einzusortieren ist Nikita Lev also nach wie vor nicht. Eine gute Gelegenheit, Nikita Lev mit unseren zehn Fragen zu konfrontieren, bevor sie sich für eine bestimmte Richtung entschieden hat.
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Oh my! Meine Definition guter Musik ist die, dass sie vor allen Dingen ehrlich sein muss. Wenn du etwas zu sagen hast, kannst du gute Musik machen. Aber andererseits gibt es auch Musik, die ich mag, die gar nicht so tief und kompliziert ist, sondern sogar genial in ihrer ungefilterten Einfachheit. Wenn du so etwas hinbekommst, dann bedeutet das vermutlich, dass du gut bist in deinem Handwerk. Aber selbst dann ist der Grund, warum solche Musik gut ist, ein unterschwelliges Gefühl von Aufrichtigkeit, das sie ausstrahlt. Auch wenn du Menschen nur zum Tanzen bringen willst, kannst du aufrichtig sein.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Meinst du musikalisch oder generell? Da gibt es richtig viel. Vermutlich war es einfach die Art, wie ich mit Richie Blake jeden Tag ins Studio gegangen bin und wir konzentriert an dem Material gearbeitet haben. Und auf der emotionalen Seite würde ich sagen, dass Menschen meine größte Einflussquelle sind. Die Menschen in meinem Leben und die, die mir nahe stehen.
Es ist schwierig dabei, als Songwriter eine Perspektive einzunehmen, die einzigartig ist. Viele Menschen durchleben ja dieselben Dinge – und das ist der Grund, warum wir uns mit Songs überhaupt verbinden können. Gute Songs zapfen Emotionen an, von denen wir nicht so genau wissen, wie wir damit umgehen sollen – und tun das auf eine originelle Weise.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Ich glaube, es ist etwas, mit dem sich die Menschen identifizieren können. Ich denke, dass ich etwas meiner Meinung nach Interessantes und Cooles erschaffen habe. Ich bin darauf gespannt, wie sich die Sache weiterentwickeln wird und hoffe, dass die Zuhörer auch darauf gespannt sind. Die letzte EP war ja schön und gut – aber diese vermittelt eine Vorstellung davon, was als Nächstes kommt.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Da muss ich nachdenken. Ich weiß es aber gar nicht. Ich habe ja auch Jobs und weiß nicht, welches Geld von was kommt. Vermutlich war es eine Tasse Kaffee oder so etwas.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Ich habe mich immer für Musik interessiert und war von der Musik umgeben. Aber es gab da tatsächlich ein Ereignis, als ich ungefähr vier Jahre alt war, das mich auf den Weg zur Musik gebracht hat. Und das war, als mein Vater mir Taylor Swift im Fernsehen gezeigt hat, als sie mit 18 bei den Grammys gespielt hat. Da dachte ich mir: Oh mein Gott – sowas will ich auch machen. Das war jedenfalls wahnsinnig inspirierend. Seither habe ich diesen Traum verfolgt.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Na ja – einerseits lebe ich definitiv einen meiner Träume – ich habe aber auch weitere. Man muss ja immer Träume, Ambitionen und Ziele haben, denen man zustrebt. Auch wenn man eine Ebene erreicht hat. Es ist ja zugleich gut wie auch schlecht, dass man sowieso niemals vollkommen zufrieden sein kann. Man sollte aber üben, dankbar zu sein für das, was man hat, es nicht als gegeben hinzunehmen und zugleich nach vorne zu schauen und zu versuchen, sich zu erlauben, mehr zu wollen.
Bei dieser neuen EP habe ich zum Beispiel eine Art Narrative etabliert, bin aber dennoch dabei, weiter zu experimentieren. Wenn ich einmal ein Album machen werde – was nach wie vor ein Traum von mir ist –, dann muss es ein klares Konzept geben. Das braucht Zeit, so etwas zu entwickeln. Man muss aber dem Universum erlauben, einen dorthin zu führen, wo es richtig erscheint.
7. Was war deine größte Niederlage?
Ich bin schlecht darin, aus meinen Denkmustern auszubrechen. Speziell wenn ich mit Richie im Studio bin, ist es schwierig für mich, mich von den Details zu lösen, auf die ich mich fixiert habe, und mich auf andere einzulassen. Ich tendiere dazu, zu stark in meinen Denkmustern zu verharren. Das ist eine Art Niederlage für mich.
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Die Musik, an der ich gerade arbeite. Ich bin darauf stolzer als je zuvor.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Ich versuche immer, solche Sachen auszublenden. Ich könnte auch jeden schlechten Song, den ich höre, irgendwie rechtfertigen. Eine Menge Musik im Radio ist aber deshalb angesagt, weil die Menschen sie gerne hören. Und das ist Rechtfertigung genug. Ich mag keine Musik, die vorgibt, etwas zu sein, was sie nicht ist – beispielsweise ehrlich.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Gute Frage. Es ist nämlich eine ziemlich intime Angelegenheit, wenn du weißt, dass jemand im Publikum ist, den du kennst – und meine Freunde kommen ja sowieso zu meinen Shows. Lass mich mal nachdenken. Ich würde sagen, David Bowie – und Taylor Swift vielleicht. Ich wäre sicherlich ziemlich eingeschüchtert, wenn Prince bei einer meiner Shows auftauchen würde. Thom Yorke von Radiohead und alle Mitglieder von den Bands, mit denen ich aufgewachsen bin, wären auch cool.




