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„Waves For Desire“ ist das mindestens 14. Album, das der kanadische Songwriter Jerry Leger unter eigenem Namen veröffentlicht, seit er 2005 die Szene als Recording Artist betrat. Die meisten seiner Werke spielte Leger dabei mit seiner Band The Situation ein und bei etlichen betätigte er sich auch als Co-Produzent (teilweise unter dem eigenen Pseudonym Hank Holly) – oder er arbeitete mit Kollegen wie dem Produzenten Mark Howard oder seinem Freund und Förderer Michael Timmins hinter dem Mischpult. Nach der Veröffentlichung der von den Fans und der Kritik gefeierten Alben „Nothing Pressing“ von 2022 und „Donlands“ von 2023 gab es erst mal eine Phase, in der sich Leger mit EP-Veröffentlichungen, dem Hank Williams-Tribute-Album „Why Should We Try Anymore“, einer Alias-Scheibe als Psych Fi’s und dem Live-Album „Lucky Streak“ beschäftigte. Logisch, dass sich in dieser Zeit viele neue Song-Ideen ansammelten. Diese realisierte Leger dann im Kölner Maarwegstudio zusammen mit Julian Müller und Suzan Köcher (von Suzan Köcher’s Suprafon), die er während seiner zahlreichen Konzertreisen kennen und schätzen gelernt hatte, und veröffentlicht es auf dem DevilDuck-Label. Das Ergebnis ist nun der Longplayer „Waves Of Desire“ – den Jerry als sein bislang vitalstes Werk auslobt und mit einem Augenzwinkern als sein „Pure Pop For Jerry People“-Album bezeichnet – als Referenz an sein Idol Nick Lowe, der einen der Songs auf seinem Debütalbum „Jesus Of Cool Songs“ nämlich „Pure Pop For Now People“ nannte.
Was hat es denn damit auf sich? Denn offensichtlich handelt es sich nicht, ja, nicht um die Art von Popmusik, die heutzutage populär ist, sondern um die klassische, organische, analoge, handgemachte Variante, wie sie beispielsweise in den 70er Jahren angesagt war. Ging es Jerry vielleicht darum, den Geist jener Zeiten einzufangen? „Ja, denn diese Old-School-Sachen wie z.B. die Beatles, die Everly Brothers oder die Zombies kenne ich ja schon mein ganzes Leben lang“, berichtet Jerry, „meine Eltern haben das gehört und die Oldie-Sender, die ich hörte, haben das gespielt. Die waren zu der Zeit, in der ich das entdeckte, noch ziemlich populär und es gab einige in meiner Nähe. Ich betrachte solche Sachen aber nicht als altes Zeug. Ich habe mir das einfach angehört, weil ich es mochte und einen Bezug dazu hatte, besonders als ich älter wurde und realisierte, wie viel Wert damals auf die Kompositionen gelegt wurde.“
Gerade letzteres ist ja auch ein Thema, das Jerry Leger selbst besonders am Herzen liegt, oder? „Ja, sicher – obwohl dabei auch ein Mal der eine oder andere Wegwerf-Song entsteht“, überlegt Jerry, „was mich aber an Leuten wie den Beatles faszinierte, war, wie sie eine Single nach der anderen veröffentlichten und dabei jeweils versuchten, die vorhergehende zu toppen. Sie haben hingegen nie versucht, die vorhergehende zu emulieren, um einen weiteren Hit zu bekommen. Das war das, was die Acts damals auszeichnete. Sie wollten immer besser werden und waren selbst begeistert von den Fortschritten, die sie dabei machten. Das Schreiben ist für mich wichtig. Worte sind mir auch wichtig – aber was ich musikalisch mit dem neuen Album zum Ausdruck bringen wollte, war ein Gefühl des Zusammenhangs und eine Verbindung zu den Scheiben, die ich früher gerne gehört habe.“
Jerry Leger gehört ja zweifelsohne zu den produktivsten Songwritern unserer Tage. Was motiviert ihn denn bis heute so viel Musik zu veröffentlichen? Offensichtlich geht es ihm ja nicht darum, die neuesten Trends und Moden mitzumachen. „Neee“, lächelt er, „ich wünschte, das wäre so. Ich habe ja keine Angst vor dem Erfolg. Aber wenn ich schreibe und Scheiben aufnehme, dann habe ich so was nicht im Kopf. Ich mache das einfach, weil es mir immer noch Spaß macht, ich es liebe und es ist das, was ich ja immer schon gemacht habe. Ich bin ein besessener Musik-Fan. Meine frühesten Erinnerungen haben mit Musik zu tun. Musik ist das Wichtigste in meinem Leben. Die Idee, ein Musiker zu werden, kam erst später, als ich mir in der Highschool überlegte, dass man so etwas ja tatsächlich auch beruflich machen könnte. Davor spielte sich das alles nur in meinem Kopf ab. Ich lebte den Traum schon in meinem Kopf, aber real wurde das erst später. Eine Motivation hatte und brauchte ich eigentlich nie, weil ich sie immer in mir trug.“
Gilt das auch für die geschäftliche Seite? „Nein“, meint Jerry, „ich muss sehen, wie ich meine Musik an die Fans herantrage – und deswegen muss ich viel touren, auch wenn das erschöpfend sein kann. Aber ich habe ja kein großes Label mit einer großen Promo-Maschinerie und ich selbst habe sicherlich kein Geld für so etwas. Es ist also schwierig, meine Musik den Massen zu präsentieren. Ich selbst muss meine Musik an die Fans herantragen – und an Leute wie dich, denn hoffentlich finde ich so die richtigen Zuhörer. Ich mache Musik für Musikliebhaber. Ich will natürlich auch, dass alle anderen sie auch mögen. Aber meine Musik kann ziemlich tiefgehend sein und ich mag es, wenn die Hörer mich dabei begleiten.“
Es ist ja heutzutage gar nicht so einfach, die richtigen Hörer zu finden. „Ja, genau“, pflichtet Jerry bei, „das liegt einfach daran, dass heutzutage so viel tolle und nicht so tolle Musik gemacht wird. Es war noch nie so einfach wie heute, Musik zu veröffentlichen – und es war noch nie so schwer, seine Zuhörerschaft zu finden.“
Das gilt besonders für eine Musikrichtung, die Kritiker eher als altbacken, Fans aber eher als zeitlos bezeichnen würden – jedenfalls eine Art von Musik, die sich nicht an aktuellen Entwicklungen, Stilen oder Erfolgsmodellen orientiert. An Stile und Genres denkt Jerry dabei aber sowieso gar nicht so sehr, oder? „Nein – ich versuche ja auch gar nicht, etwas neu zu erfinden. Ich mag einfach alte Musik wie Folk, Blues und Country. Das einzig Neue, was ich dazu beitrage, ist, diese Art von Musik so zu machen, dass ich mir treu bleibe – aber ich versuche wirklich nichts neu zu erfinden.“
Was ist denn – eingedenk dessen – dabei die größte Herausforderung als Songwriter? „Es gibt eine Menge Herausforderungen, nachdem man einen Song geschrieben hat“, philosophiert Jerry, „denn dann macht man sich Sorgen darüber, ob der Song ankommt und den Menschen gefällt. Die größte Herausforderung für einen Songwriter ist es aber, einen guten Song zu schreiben, der zugleich gut und universell ist. Wenn man so persönlich oder poetisch schreibt, dass man nicht verstanden wird, dann ist das für die Menschen schwierig, sich mit diesem Song dann zu identifizieren. Ich setze mich aber nie hin und versuche dezidiert, einen gut verständlichen Song zu schreiben, mit dem man sich einfach identifizieren kann. Ich schreibe einfach und freue mich dann, wenn die Zeit kommt, dass es mir gelingt, genau so einen Song zu schreiben. Das kann aber tatsächlich eine Herausforderung sein.“
Geht es dabei dann vielleicht auch darum, das richtige Thema zu finden? „Ja, schon“, bestätigt Jerry, „ich denke, Liebe und Beziehungen sind dabei universelle Themen. Manchmal schreibe ich Songs über meine eigenen Frustrationen oder auch meine Zufriedenheit mit der Musikindustrie – die vielleicht nicht jeder verstehen kann, der nicht selbst davon betroffen ist. Aber das muss ich auch für mich machen. Die besten Songs sind sowieso die, die sich von selbst offenbaren. Die beste Musik ist einfach schon da. Wenn man zu hart an etwas arbeiten muss und mit dem Material kämpfen muss, um es fertigzustellen, dann ist das recht mühsam. Ich habe mir aber vorgenommen, immer das, was ich angefangen habe, auch zu beenden. Das sind dann oft die Songs, die ich vernachlässige – denn die klingen dann zu verbissen. Im besten Fall führen mich diese Arbeiten dann aber zu dem, was ich eigentlich aussagen will.“
„Waves Of Desire“ von Jerry Leger erscheint auf DevilDuck/Indigo.




