Natürlich ist die Stimme von Mavis Staples im Laufe der Jahre etwas brüchiger geworden – und sicherlich ist die inzwischen 86-jährige auch nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs (wie es zum Beispiel das Video von ihrem Auftritt bei Stephen Colbert deutlich macht) – aber das verblasst natürlich angesichts ihres neuen Albums; denn wer in einem solch hohen Alter noch ein dermaßen frisches Werk auf die Beine stellen kann, der ist über die irdischen Sorgen und Nöte, die mit dessen Herstellung einhergehen, zweifelsohne erhaben. Genau das macht auch diese Songsammlung deutlich, auf der die Grande Dame des Vokalwesens Songs zusammengetragen hat, die mit einer positiven Botschaft in die Zukunft weisen, anstatt sich mit Wehmut nach hinten zu wenden.
Der Opener „Chicago“ etwa ist ein vor Lebensfreude geradezu berstendes musikalisches Porträt ihrer Heimatstadt Chicago. Im Titeltrack hält sie fest, dass die Welt schön ist, auch wenn man manchmal traurig ist. In „Human Mind“ ist sie sich sicher, dass dem menschlichen Geist mit Hilfe Gottes die Wendung zum Guten schon gelingen wird. In „Hard Times“ merkt sie an, dass sie sich von widrigen Umständen schon nicht unterkriegen lässt. „We Got To Have Peace“ zeigt auf, wie sich durch Liebe, Glauben und Verständnis ein allumfassender Frieden vielleicht doch erreichen ließe. „Anthem“ ist eine klassische Gospel-Ballade, in der Mavis ihren Blick erzählerisch erneut in die Zukunft schweifen lässt und zu einem kollektiven Neuanfang anregt und mit Zeilen wie „There’s A Crack In Everything – That’s Where The Light Gets In“ erneut an das Gute appelliert. Mit „Satisfied Mind“ wirft Mavis zwar einen Blick zurück auf das Leben – aber nur um darauf hinzuweisen, dass sie die Welt mit einem zufriedenen Geist zu verlassen gedenkt. Und „Everybody Needs Love“ erklärt schließlich die Liebe zur Ultima Ratio.
Zugegeben: Geschrieben hat Mavis Staples diese Stücke nicht selbst – das übernahmen Songwriter wie Kevin Morby, Frank Ocean, Hozier oder Allison Russell. Aber Mavis tat nun wirklich alles, diese modernen Gospels mittels ihrer Interpretation möglichst empathisch und emotional zu verinnerlichen. Nicht umsonst sagt sie selbst, dass sie die Stücke, die sie singt, fühlen können müsse. Bei dieser Aufgabe wird sie tatkräftig unterstützt von Produzent Brad Cook, der die Produktion ganz auf den Gesang von Mavis zuschnitt und die Arrangements erst später ausarbeitete. Dabei konnte er auf eine Riege von Künstlern wie Buddy Guy, Bonnie Raitt, Jeff Tweedy, Derek Trucks, Katie Crutchfield, MJ Lenderman oder Justin Vernon zurückgreifen (mit denen er selbst zum Teil auch schon als Produzent zu tun hatte), die Mavis mit ihren Beiträgen natürlich gerne unterstützten – ohne sich auch nur an einer einzigen Stelle in den Vordergrund zu drängen. Das Ergebnis ist nicht nur ein beeindruckendes Alterswerk geworden, sondern sogar mit Sicherheit eines der besten, attraktivsten und überzeugendsten Alben der gesamten Karriere von Mavis Staples.
„Sad And Beautiful World“ von Mavis Staples erscheint auf Anti.




