Dass Rufus Wainwright ein Fan des deutschen Komponisten Kurt Weill ist, ist ja nun wirklich nicht besonders überraschend – denn wie dieser ist Wainwright selbst als Musiker ja ein Grenzgänger zwischen Klassik, Pop, Songwriting, Jazz und – nun ja – Pop. Das ist nicht bloß so daher gesagt: In einem zeitgenössischen Programmheft zur Dreigroschenoper konstatierte die damals noch unabhängige Presse, dass der gute Kurt Weill ein paar schmissige Schlager zu Bertold Brechts Libretto verfasst habe – und das, obwohl der Mann mit seiner verstiegenen Harmonieführung und seinen rhythmischen Extravaganzen dem damaligen Zeitgeist längst enteilt war.
Langer Rede kurzer Sinn: Wainwright erfüllte sich einen langgehegten Traum, indem er einen ganzen Konzertabend mit Kompositionen Weills, den er im Mai 2023 erstmals in kleinem Rahmen in New York realisiert hatte, mit dem 40-köpfigen Pacific Jazz Orchestra als „Backing Band“ in 2024 erneut in Los Angeles aufführte. Das nun vorliegende Album ist ein Mitschnitt dieser Performance und bietet zusätzlich einen Gastauftritt von Viola Odette Harlow und dem niederländischen Metropole Orkest. Das Programm streift dabei die gesamte Karriere Weills – von den Anfängen seiner Zusammenarbeit mit Bertold Brecht bis hin zu der Phase, wo er als Immigrant in den USA die Staatsbürgerschaft annahm und dortselbst als Musical-, Klassik-, Theater-, Ballett-, Jazz- und Song-Autor reüssierte. Freilich: Während Mackie Messer durchaus sein Unwesen treibt, glänzt ausgerechnet der von den Doors bereits in die Populärmusik der Zeit überführte „Alabama Song“ durch Abwesenheit.
Rufus Wainwright stürzte sich mit offensichtlichem Gusto in die Aufgabe, das Material als klassischer Crooner ohne selbst Instrumente zu spielen mit kleinen Gesten und einem breiten Grinsen im Stile eines Geschichtenerzählers zu interpretieren – wie an den begleitenden Videos deutlich zu erkennen ist. Bei der Tonkonserve fehlt dieser visuelle Eindruck natürlich – und deswegen wäre es vielleicht besser gewesen, die ganze Show als Film zu veröffentlichen – zumal sich die verspielten Live-Versionen als Streaming-Titel oder gar Single-Veröffentlichungen nicht gerade aufdrängen.
Eine geschickt aufgebaute Setlist – mit der er das amerikanische Publikum mit den weniger avantgardistischen Kompositionen Weills aus der US-Phase (wie z.B. dem zum Jazz Standard gewordenen Klassiker „September-Song“) an das Thema heranführt – sowie der Umstand, dass er es sich nicht nehmen ließ, die französischen Chansons („Je ne t’aime pas“) und die deutschen Moritaten Weills („Mackie Messer“) dann auch in der Originalsprache darzubieten, zeichnen Wainwright auch bei diesem Projekt wieder als großen Entertainer mit dramatischer Vision aus. Wir müssen uns nun darauf einstellen, dass wohl noch mehr solcher Projekte einen breiten Raum in Wainwrights Planungen einnehmen werden.
„I’m A Stranger Here Myself – Wainwright Does Weill“ von Rufus Wainwright erscheint auf Thirty Tigers/Membran.




