Platte der Woche KW 16/2002
Nachdem nun Roxy Music für einige Konzerte wieder zusammengekommen sind, gab es eigentlich keinen Grund, warum Bryan Ferry auf seiner neuen CD nicht wieder zu Hochform auflaufen sollte. Und das tut er dann auch. Wem es gelingt, eine CD mit einer guten Cover-Version von „It’s All Over Now Baby Blue“ zu beginnen, der kann schon mal per se kein schlechter Mensch sein, oder? Daneben spielt Roxy-Drummer Paul Thompson mit und es gibt eine Kollaboration mit Brian Eno. Dennoch: Das ist keine Roxy-Scheibe. Eher eine gelungene Weiterentwicklung von Ferrys eigenem Pop-Stil. Im Gegensatz zu früher ist diese Scheibe allerdings wesentlich konkreter und rauher angesetzt. Das liegt vor allen Dingen daran, daß Ferrys Stimme intim und fast ohne Effekte nackt im Raum steht. Solcherlei Mut ist im Zeitalter von Autotuning und Vocal-Effekten geradezu bewundernswert. Es macht aber Sinn, denn so direkt und pur hat man Ferry gewiß noch nie erlebt. Ein weiterer Pluspunkt dieser Scheibe ist eine tendenziöse Hinwendung zum Blues – gekennzeichnet durch eine ziemlich schneidende Gitarre und vor allem durch eine Coverversion des Leadbelly-Trademark-Songs „Goodnight Irene“, den Ferry mit Gusto zelebriert. Daneben gibt es eine durchwachsene Kollektion eigener Tracks, die zwischen ausgezeichnet bis befremdlich schwanken. Auch das zeichnet Ferry aus und hebt ihn über diejenigen hinaus, die lieber den einfachen Weg gehen. Bryan Ferry zeigt jedenfalls mit diesem Album, daß er sein Pulver noch lange nicht verschossen hat.
„Frantic“ von Bryan Ferry erscheint auf Virgin.