Genau genommen gehört das thematisch nicht hierher – aber Musik ist Musik und hier geht es um eine mittelprächtige musikhistorische Sensation: Der WDR hat sich entschlossen, eine Reihe von Jazz-Konzertmitschnitten zu veröffentlichen, die vor 50 Jahren in Köln, Düsseldorf, Essen, Bonn und Umgebung aufgezeichnet wurden. Das ist deswegen so interessant, weil dies eine Phase war, in der sich der Ur-Amerikanische Jazz am Rande der Auflösung befand und die, die etwas auf sich hielten, sich in Richtung Europa orientierten und viele von denen auch dort blieben. Der andere Grund, warum das Ganze spannend ist, ist der, dass dieses Material noch nie jemand zu Gehör bekommen hat – außer jenen, die dabei waren, und das waren z.B. in dem vorliegenden Fall, beim nicht öffentlichen Konzert von John Coltrane nicht viele. Und einen spannenderen Zeitpunkt für diese Aufnahme hätte man sich kaum ausmalen können. Es ist nämlich ziemlich genau der Augenblick, als sich Coltrane von Miles Davis trennte und seine eigene Solo-Laufbahn begann.
So ist hier auch nicht das John Coltrane Quartett zu hören, sondern die Miles Davis Band mit John Coltrane als Bandleader, der weitestgehend Miles Davis-Material spielt (abgesehen von einem beeindruckenden Balladen-Medley) und wo am Ende gar Stan Getz und Oscar Peterson als Gäste auftreten. Klanglich ist das alles makellos (weil unter Studio-Bedingungen aufgezeichnet) und in der musikalischen Dramatik kaum zu überbieten, weil später so nie wieder zu hören. So ist beispielsweise zu beobachten, dass Bassist Paul Chambers Coltrane mit seinem gestrichenen Bass nicht nur Paroli bietet, sondern in puncto Soli zuweilen gar gleich zieht. Die Reihe wird – neben dieser Aufnahme – mit solchen von Dave Brubeck, dem Modern Jazz Quartett und Bud Powell gestartet und später mit weiteren großen Namen fortgeführt.
„1960 Düsseldorf“ von John Coltrane erscheint auf Jazzline/Cargo.