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Gleich das Wichtigste vorweg: Jackie Leven hat jetzt eine eigene Whisky-Marke namens „Leven’s Lament“. Das ist für einen Schotten ungefähr so wie ein Wunsch-Kennzeichen mit Klopapierhülle. Wenn man weiß, daß Jackie in seiner Jugend in der Whisky-Brennerei Haig gearbeitet hat, kommt das aber nicht von ungefähr. „Ich habe da diese Company namens MacDuff gefunden, die den Whisky für mich produzieren“, elaboriert Jackie, „natürlich will ich auch eine künstlerische Aussage damit machen. Das Label auf der Flasche zeigt zwei Soldaten – einen schottischen und einen englischen – aus dem letzten Krieg. Schottland ist ein sich ständig veränderndes Land – das will ich damit ausdrücken.“
Wer Jackie’s Lebenslauf kennt – vom frühen Troubadour, über Doll By Doll bis hin zum späten Troubadour – der weiß, daß auch bei dieser Sache die dunkle Seite des Lebens gemeint ist. Warum ist dem eigentlich so? Denn als Mensch ist Jackie ein großartiger Kumpel, Possenreißer und Entertainer. „Du kennst doch dieses Image vom Clown?“, hinterfragt er, „der Unterhalter, der privat immer traurig sein muß, um die Leute professionell zum Lachen bringen zu können? Nun, ich bin eine Art Gegenstück zum Clown. Ich bin im Inneren glücklich, am Leben zu sein, was ich privat auch gerne äußere. Bei meiner Arbeit geht es aber um die dunkleren Zwischentöne.“ Thematisch geht es diesmal u.a. um die musikalische Aufbereitung der Beziehung zu seinem kürzlich verstorbenen Vater. Das geht vom Opener, „My Spanish Dad“ bis hin zu „Bergen Girls“, das er mit seinem Freund, David Thomas zusammen aufnahm. Jackie erzählt kurz von der Beziehung zu seinem Vater: „Mein Vater war ein eher unmusikalischer Mensch. Er konnte nie so richtig nachvollziehen, was ich mit meiner Musik so machte. Erst in seinem Alter änderte sich das. Er interessierte sich für alles, was mit Spanien zu tun hatte, lernte sogar spanisch und kam auf diesem Umweg dann auch zur Musik und bekam so schließlich doch einen Zugang zu meiner Arbeit. ‚Bergen Girls‘ ist eine Reflektion über seinen Tod. David’s Part ist eine Emulation dessen, was er in einem bestimmten Augenblick zu mir gesagt hat. Aber David änderte natürlich wieder alles ab …“ David Thomas (Pere Ubu) ist ja auch ein beinharter Anspruchskünstler. Bei Jackie geht es eher immer um unbewußte Dinge. Der Titel des Albums lautet z.B. „Creatures Of Light And Darkness“. „Sind wir das nicht alle?“, fragt er eher rethorisch. Eine andere Interpretation gibt es eigentlich auch nicht, denn im Königreich der Tiere gibt es ja entweder Tages- oder Nachtkreaturen. Ein Beispiel für diese Theorie ist „The Sexual Loneliness Of Jesus Christ“. „Wenn ich auf Tour bin, dann lese ich manchmal – nicht oft allerdings – in der Bibel. Mich erstaunt immer, daß Jesus sehr beredt auf alles Antworten hat. In dem Lied geht es darum, was passierte, wenn dem nicht so wäre.“ Und was hat das mit der „Sexual Loneliness“ zu tun? Geht es auch um die Frage, ob Jesus nun eher menschlich als göttlich war? „Genau“, bestätigt Jackie, „und darum, wo Jesus mit seinen diesbezüglichen Gefühlen hin mußte. Meine Theorie ist, daß er diese an einem dunklen Ort, den jeder von uns in sich trägt, verbarg.“ In dem Song geht es des weiteren um schottische Werftarbeiter, die Sorge um ihre Arbeitsplätze ausdrücken.
All das zeigt vor allen Dingen eines: Jackie Leven’s philosophische Entwicklung ist noch lange nicht an ihrem Ende angelangt. Jackie läßt uns vielmehr durch seine Musik auf höchst lebendige Weise daran teilhaben. Wie vollzieht sich denn der Songwriting-Prozeß? „Ganz verschieden“, überlegt Jackie, „manche Songs kommen quasi fertig am Stück und auf einmal daher – an anderen arbeite ich monatelang. Meine größte Sorge dabei ist es immer, ob es weitergeht, die Fähigkeit zum Songschreiben erhalten bleibt. Am schwierigsten ist es immer, einen Beginn zu finden – der Rest ist dann ein organischer Prozeß. Ein Thema für eine Scheibe überlege ich mir vorher auch nicht. Ich schaue mir die Stücke nachher an und stelle dann fest, daß sie ein verbindendes Leitmotiv haben.“ Jackie Leven plant, im Herbst auf Tour zu kommen – zumindest mit seinem Keyboard-Spieler, und wenn alles klappt auch mit dem Trompeter David Diagram, der schon seit einiger Zeit seine Tonträger veredelt.
„Creatures Of Light And Darkness“ von Jackie Leven erscheint auf Cooking Vinyl/Indigo.