Prog-Fans brauchen wie die Luft zum Atmen vertrackt-verschachtelte Longtracks („One“ bietet gleich zwei 18minüter auf), sanft schwellende Mellotronpassagen („One“ klingt vor allem zu Beginn von „The Separated Man“ wie eine Mellotron-Demo-CD, arbeitet aber auch viel mit dem Original – echten Streichern halt), eine hart zu knackende Konzeptnuss im Textheft („One“ befasst sich mit nicht weniger als der Geschichte der – von Gott zum Zweck der Erlösung geschaffenen – Menschheit). Insofern sind ja die Voraussetzungen schon mal günstig, dass Ex-Oberbart Neal Morse wenigstens etwas von seinen Triumphen in der Prog-Community mit Spock’s Beard und Transatlantic auch mit seinem vierten Soloalbum (und dem zweiten nach dem religionsbedingten Exodus aus dem unheiligen Vulkanierland) fortsetzen kann.
Was nicht ausschließt, dass sich beim einen oder anderen Fan auch etwas Ermüdung breit machen könnte. Denn es tut auch einem Kreativturbo wie Morse hörbar nicht gut, dauerhaft neben Transatlantic / Dream Theater-Trommler Portnoy nur abhängig Beschäftigte an der Seite zu haben. Neben Portnoy bekommt nur der schon vom „Vorwerk“ bekannte Basser Randy George wirkliche Credits, auch wenn durchaus bekannte Musiker wie beispielsweise der christliche Gitarrist Phil Keaggy sich eingebracht haben.
Die Progmaschine läuft rund auf „One“, aber scheint dabei nicht mehr besonders von der Stelle zu kommen. Das zarte akustische „The Man’s Gone“ kommt eben doch nicht an Übersongs wie „Bridge Across Forever“ heran, „Author Of Confusion“ mag, wie das Labelinfo listig souffliert in seinen heftigen Breaks und Klangfarben an King Crimson erinnern, kommt aber an das zitierte Original nicht heran, auch wenn es für den Rezensenten schon durch den Gentle Giant-artigen virtuosen Satzgesang den Höhepunkt der Scheibe darstellt. Denn sonst regiert zuviel Ein- und Wohlklang, „Cradle To The Grave“ und „Father Of Forgiveness“ steh’n sogar mit je einem Fuß fett in der Kitsch-Lache. Das abschließende, mit fetter Blechfraktion rockende „Reunion“ macht zwar aus Morse‘ Band noch keine Chicago, versöhnt aber etwas mit dieser Mixtur aus Können und Kitsch, Prog und Schmock.
„One“ von Neal Morse erscheint auf InsideOut/SPV.