Was hat Rufus Wainwright nicht alles schon musikalisch losgetreten: Vom Folkie arbeitete er sich Stück für Stück in diversen Stufen bis zum Opernkompositeur hinauf. Dass er nun ein Album mit Klavier-Liedern im klassischen Stile von Schubert, Schumann und Konsorten vorlegt, ist für sein Verständnis durchaus folgerichtig und durchaus eine Steigerung. Zwar ist das – im Vergleich zu dem, was er vorher machte – eine eher reduzierte Angelegenheit, aber gerade darin lag ja der Reiz. Auch bei seinen orchestralen Eskapaden, so Wainwright, zog er sich zuweilen in den Kokon des Klavierspielens als Kern allen Tuns zurück, um zu sich selbst zu finden. Und selbst dem großartigsten Arrangement muss ja zunächst einmal ein brauchbarer Song als Basis zugrunde liegen.
Und solcherlei präsentiert Wainwright hier – und bringt dabei eigentlich alles auf den Punkt: Die besagte Lulu ist die aus der Oper von Alban Berg, der er – unter dem Eindruck des Todes seiner Mutter Kate McGarrigle zu Beginn dieses Jahres – diesen Liederzyklus „opfert“ (wie er sagt). Dabei greift er auf drei Sonette Shakespeares zurück, die er einfühlsam vertont, verwendet Material seiner Oper, schrieb neue Stücke (darunter eines auf Französisch) und präsentiert das mit dem Understatement des wahren Könners. Wainwright brilliert hier nicht als Solist, sondern als Komponist und legt viel Wert auf eine einfühlsame Intonation mit klarer Aussprache. (Nun gut: Diejenigen, die seinen Gesang als Gejaule empfinden, werden auch mit dieser Scheibe nicht warm werden.) Die großteils elegischen – zuweilen aber auch lebhaften Nummern – fügen sich dabei erstaunlich nahtlos ein in Rufus‘ Gesamt-Oeuvre. Da wirkt nichts überflüssig oder out of place, sondern jeder Ton sitzt da, wo er hingehört. „Songs For Lulu“ ist in vielerlei Hinsicht eine für diese Sparte perfekte Arbeit geworden.
„All Days Are Nights: Songs For Lulu“ von Rufus Wainwright erscheint auf Decca/Universal.
