Dass Gretchen Peters bei uns – trotz Grammy-Nominierungen und immenser Popularität in den USA – noch relativ unbekannt ist, mag daran liegen, dass ihre Zielgruppe das Mainstream-Publikum aus der Country-Sektion ist. Und diese Klientel gibt es bei uns ja quasi gar nicht. Wie populär Gretchen in den USA ist, zeigt folgende Anekdote: Sarah Palin verwendete ohne Einwilligung einen Song Gretchens für ihre Wahlkampfkampagne. Daraufhin forderte Gretchen ihre Fans auf, im Namen Palins Spenden an eine Abtreibungs-Organisation in den USA zu leisten. Es kamen riesige Summen zusammen – ganz zu schweigen von mächtigen Irritationen im Hause Palin. Doch Moment bitte: Obwohl Gretchens Songs durchaus von den großen des Genres interpretiert wurden (Trisha Yearwood, Faith Hill) und sie sich in dem Genre souverän bewegt, gibt es dennoch keine Nashville-Klischees. Zumindest nicht, wenn sie ihre Songs selbst aufnimmt, wie diese 15-Track-Compilation deutlich zeigt.
Denn Gretchen sieht sich zunächst als Songwriterin und denkt erst dann über das Genre nach – wenn überhaupt. Es ist zwar so, dass ihre Stücke allesamt ziemlich glatt produziert daherkommen – aber eben nicht mit Fideln, Banjos und Steel-Gitarren. Stattdessen erscheint ihr Oeuvre in der Tradition von klassischen Folk-Songwritern der Americana-Bewegung. Ihr letztes Album war zum Beispiel eine Duett-Kollaboration mit der Folk-Legende Tom Russell. Besonders deutlich wird dies durch die Beiträge ihres Mannes und Pianisten, Barry Walsh, mit dem zusammen sie oft ihre Konzerte bestreitet und der zum Teil natürlich auch auf diesen Aufnahmen vertreten ist. Interessierte sollten sich dann auch nicht die Möglichkeit entgehen lassen, Gretchen und Barry auf der anstehenden ersten Tour in unseren Breiten ein Mal live zu erleben – denn einen besseren Einstand in die Welt der Gretchen Peters kann es nicht geben.
„Circus Girl – The Best Of Gretchen Peters“ von Gretchen Peters erscheint auf India Media Group/Rough Trade.