Shelby Lynne hat in ihrer musikalischen Karriere so Einiges versucht: So begann die Schwester von Allison Moorer in der Nashviller Country-Pop-Mühle, bekam aber schnell die Kurve, überzeugte dann mit Memphis-Soul, versuchte sich am Mainstream-Pop, inszenierte sich als Blues- und Folk-Künstlerin und fand schließlich – mit einer Mischung aus alldem plus einer gehörigen Portion Soul – mit dem Dusty Springfield-Tribute „Need A Little Lovin“ zu einem geeigneten Medium, in dem sie sich als Sängerin austoben konnte. Nicht dass sie das täte: Shelby Lynne zählt zu den relaxtesten Croonerinnen überhaupt. Vokalakrobatik und Oktavenspringerei wird man bei ihr vergeblich suchen. Dafür sitzt – wie auch auf dieser neuen Scheibe auf dem eigenen Label Everso – wirklich jeder Ton da, wo er hingehört. Ökonomisch ist das und effektiv: Denn das geht keineswegs zu Lasten des Feelings. Das Schöne bei dieser Scheibe ist nun, dass Shelby ihren Musikern/Produzenten offensichtlich Platz für Experimente ließ – und dann auch noch mit der traditionellen Strophe/Refrain-Thematik jonglierte, was zu einigen der wagemutigsten Songgebilde führte, die Shelby bislang vorlegte. Aber auch Freunde geradliniger Torch- und Folk-Songs mit Retro-Touch kommen auf ihre Kosten. Insgesamt ist zu hoffen, dass die Straße der Offenbarung in die Zukunft führt.
„Revelation Road“ von Shelby Lynne erscheint auf Everso/Rough Trade.