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Spiel, Spaß und Distortion
2011 war nicht unbedingt ein gutes Jahr für Grant Hart. Nachdem er nach vielen mageren Jahren 2009 und 2010 ein kleines Comeback erlebt hatte, ereilten den Wegbereiter des Alternative Rock dieses Frühjahr binnen vier Wochen zwei schwere Schicksalsschläge: Zunächst brannte sein Haus aus, dann verstarb seine Mutter. Er selbst sorgte nun dafür, dass das Jahr zumindest einen versöhnlichen Ausklang nahm. Zum Abschluss seiner Europa-Tournee spielte er ein tolles (und sehr, sehr langes) Konzert im Essener Grend.
Anders als bei dem famosen Auftritt im Gleis 22 in Münster vor Jahresfrist präsentierte sich Grant im Ruhrpott deutlicher als Künstler des Hier und Jetzt. Hatte er damals zu Beginn wortlos ein paar neue Songs aus dem Weg geräumt und dann praktisch den Rest des Abends mit Publikumswünschen – vornehmlich von seiner legendären ersten Band Hüsker Dü – bestritten, gab es dieses Mal Fanwünsche à la „Sorry Somehow“, It’s Not Funny Anymore“, „The Main“ oder „Puzzles“ vor allem ganz am Ende des Abends. Zuvor stand Grants Solo-Oeuvre der letzten zehn, zwölf Jahre deutlicher im Vordergrund, sogar sein vielleicht eingängigster Popsong der letzten 20 Jahre, „A Letter From Anne Marie“, war im Programm. Mehr noch, er präsentierte gleich drei Ausblicke auf sein 2012 kommendes, „The Argument“ betiteltes neues Album, das seiner durchaus ambitionierten Interpretation von John Miltons Gedicht-Epos „Paradise Lost“ gewidmet ist: „Awake, Arise“ stand am Anfang, und auch wenn Grant live auf das apokalyptisch-krachige zweiminütige Instrumental-Intro der Studioversion verzichtete, verlor der Song auch in der Soloversion ob Grants einnehmender Stimme nichts an Dramatik. Weil „The Argument“ zwar Miltons Geschichte folgt, Grant die Songs aber allesamt wie eigenständige Singles angegangen ist, hätten die anderen beiden Stücke unterschiedlicher nicht sein können: „So Far From Heaven“ entpuppte sich als gut gelaunter Popsong mit leichtem Crooner-Touch (und Pfeifsolo!), während das letzte, „Is The Sky The LImit?“, in Essen als wunderbar intensive Ballade interpretiert wurde und dabei die epischen Ausmaße der Dulcimer-verzierten, sich stetig steigernden und in einem Sputnik-Sample aufgehenden Albumversion nur andeutete.
Doch nicht nur die neuen Stücke zelebrierte Grant mit viel Inbrunst, höllischer Lautstärke und bisweilen etwas zu viel Distortion, auch bei den Hunderte Male gespielten Klassikern erlaubte er sich gut gelaunte Schlenker. So wurde aus „The Girl Who Lives On Heaven Hill“ doch tatsächlich „The Girl Who Lives In Düsseldorf“, und am Ende des gleichen Liedes versteckte er sogar ein Überraschungsei, als er vor titelgebender Dame auf die Knie ging: „I get right down on my knees and beg / for just one look inside her kinder egg.“ Noch lustiger war allerdings die Textvariation bei „She Floated Away“. Aus „A man has two reasons for the things that he does, the first one is pride, the second one is love“ wurde doch tatsächlich „The first one is pride, the second one I forget“…
Doch auch sonst sorgte der gut getimte Querschnitt durch Grants komplettes Schaffen, angefangen bei Hüsker Dü über Nova Mob bis zu seinen jüngsten Soloveröffentlichungen, für viel Begeisterung im gut besuchten Grend, lediglich zwei alkoholisierte Fans in Reihe 1 waren offenbar ausschließlich wegen der Frühwerke gekommen und glaubten, den Künstler ansonsten mit Privatunterhaltungen übertönen zu können, bis sie von Grant deutlich, aber dennoch ziemlich lässig zurechtgewiesen wurden. Seine gute Laune ließ sich der Mann aus South St. Paul aber auch davon nicht verderben. Bester Beweis: Während seine Konzerte heutzutage für gewöhnlich nach 90 Minuten enden, stand er in Essen viel länger auf der Bühne. So lange sogar, dass er gegen Ende des Öfteren eine Rückversicherung aus dem Publikum benötigte, weil er sich – mangels schriftlicher Setlist – kaum noch daran erinnern konnte, welche Songs er zu Beginn des Konzerts schon gespielt hatte. Aber bei zwei Stunden Bühnenzeit und weit über 30 Songs kann das auch einer Legende wie Grant Hart schon mal passieren!
Setlist:
Awake, Arise 
So Far From Heaven 
The Girl Who Lives On Heaven Hill 
You’re The Reflection Of The Moon On The Water 
Is The Sky The Limit?
Terms Of Psychic Warfare 
2541 
Barbara 
Evergreen Memorial Drive 
California Zephyr 
Pink Turns To Blue 
My Regrets 
Now That You Know Me 
She Floated Away 
A Letter From Anne Marie 
Back From Somewhere 
The Last Days Of Pompeii 
Admiral Of The Sea 
Don’t Want To Know If You Are Lonely 
Little Miss Information 
Signed D.C. 
Never Talking To You Again 
Flexible Flyer 
Charity, Chastity, Prudence And Hope 
Over My Head 
The Main 
It’s Not Funny Any More 
Standing By The Sea 
Remains To Be Seen 
Sorry Somehow 
Come, Come 
Where You Gonna Land? 
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