Platte der Woche KW 30/2014
Der Typ ist so geil. Schon lange eine Legende, aber spätestens jetzt so etwas wie der deutsche Mike Patton. Jens Rachut, der Punk aus Hamburg, hat eine neue Band. Nach unter anderem Angeschissen, Blumen am Arsch der Hölle, Dackelblut, Kommando Sonne-Nmilch und Oma Hans nun also Alte Sau. Eine drei Köpfe starke Band, ohne Gitarre, ohne Bass, nur mit Orgel, Schlagzeug und Rachut ausgestattet. Das Resultat: Alter!
Punk ist das nicht und genau deshalb vielleicht doch. Es ist auch keine Rockmusik, Pop schon gar nicht und gelärmt wird ebenso wenig. Und trotzdem muss das weder Kunst noch Avantgarde oder gar eine Revolution sein. Dieses runde Dutzend Lieder ist einfach ein dicker, fetter Mittelfinger und das vielleicht rachutste Rachut-Album, es ist ein Schrei in dein Gesicht, es ist Rachut in Höchstform und zu jeder Zeit im Mittelpunkt. Denn seine Stimme ist es, die dem Album das Besondere verleiht und der Orgel und dem Schlagzeug eine Berechtigung gibt. Es ist seine Stimme, die hier den Ton angibt und es ist seine Stimme, die die Texte singt, spricht und schreit, die all den anderen, die all den Turbostaats und Findusen – so grandios die auch sind! – mal wieder zeigt, wie es der Meister macht. DER Meister.
Dem ist hier nach Psycho-Mucke, nach dunkler, böser Unterhaltung, nach Spoken Word und Kopfkino. „Hinter dir die Reste eines Menschen, er hat sich verschätzt über Dauer, Nähe und Geisteskraft, er hoffte, dass er dich besitzt“, heißt es in „Besitz“. Schon mal uff und das von vorne bis hinten. Zuhören, bitte. Und doch nichts kapieren.
Rachut singt hier nicht alleine, Rebecca Oehms, die Orgelspielerin, singt häufig mit, auch ein Chor – Die sibirischen Falken – ist zu hören. Über Horrorfilm-Orgeln, über anstrengende Sounds, über Musik, die nicht immer als solche zu bezeichnen ist. Über Töne, die sicher auch ein Mike Patton abfeiern würde…
„Alte Sau“ von Alte Sau erscheint auf Major Label/Broken Silence.