Im Prinzip schreibt Kristian „The Tallest Man On Earth“ Matsson nach seiner Rückkehr zum Album-Format musikalisch das fort, was er zuletzt mit „I Love You. It’s A Fever Dream“ als Stilmittel für sich entdeckte: Eine Art von psychedelisch aufgedröseltem Folk-Pop, der von einer melancholischen Grundnote zusammengehalten hat, aber noch so weit vom Männerschmerz entfernt ist, dass die Sache Generationen- und Geschlechter-übergreifend interessant bleibt. Eine wohl Pandemie-bedingte Auszeit, in der er von seiner Wahlheimat NYC zurück auf den heimatlichen Hof in Schweden zog, brachte ihm indes nicht die gewünschte Inspiration, denn erst als es 2021 wieder möglich war, live zu spielen, fand er zu seiner ursprünglichen kreativen Quelle zurück – der Rastlosigkeit als Triebfeder für sein Songwriting.
Auf dem neuen Album geht es also nicht um Bodenständigkeit (wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre), sondern um die Suche des Individuums nach einer gangbaren Position im Leben in schwierigen Zeiten. Kristians Rezept ist dabei der Optimismus als Solches – was in seinen neuen Songs in Kombination mit den Erinnerungen an die düsteren Zeiten der Pandemie und der inhärenten skandinavische Melancholia zu einer stimmungsmäßig ausgeglichenen Balance zwischen Dur und Moll führt. Kristians Songs sind also nie nur fröhlich oder nur melancholisch. Was das neue Album auf der produktionstechnischen Seite auszeichnet, ist dann der Umstand, dass er erstmals mit einer Band zusammen im Studio arbeitete, wo Nick Sanborn von Sylvan Esso als Produzent hinter den Reglern saß und Kristian mit einem luftigen, vielschichtigen Sound-Design viel Raum für seinen charakteristischen Hochton-Gesang freiräumte. Unter dem Strick präsentiert sich TTMOE als songwriterisch deutlich überlegene Alternative für Musikfreunde, denen das Genöle von Ed Sheeran nun wirklich langsam zu viel wird.
„Henry St.“ von The Tallest Man On Earth erscheint auf Anti.