Das dritte Werk von Anaïs Mitchell, Josh Kaufman und Eric D. Johnson a.k.a. Bonny Light Horseman trägt zurecht gleich zwei Titel, denn die 18 neuen Tracks (und zwei Sound-Schnipsel) mit einer Gesamtspiellänge von deutlich über einer Stunde hätten zumindest nicht auf einer einzelnen Vinyl-Scheibe Platz gefunden, weswegen das Projekt von vorneherein als Doppel-LP konzipiert wurde. Offensichtlich hatte das Songwriter-Trio so viel zu sagen, dass sich die drei Auteure ganze fünf Monate Zeit in den gewiss nicht leeren Terminkalendern der Beteiligten freischlugen, um die neuen Songs gemeinsam in einem alten Pub namens „Levis“ im irischen Ballydehob auszuformulieren und diesen – teilweise mit Hilfe der zum Zuhören eingeladenen Anwohner – Leben einzuhauchen.
Bemerkenswerterweise ging es Bonny Light Horseman trotz dieses Ansatzes nicht darum, zwei grundsätzlich verschiedene Scheiben zu konzipieren, sondern nur darum, auch alle Ideen und Themen unterbringen zu können. Die Songs um Erinnerungen, Liebe, Verlust, enttäuschte Erwartungen, verpasste Chancen, Träume, Pläne, Beziehungen, Freunde, Familie und Liebende wurden von den drei beteiligten Musikern dabei musikalisch dieses Mal vielseitiger, fülliger, verspielter und abwechslungsreicher ausgestattet als bislang – und erstmalig hat man auch das Gefühl, dass das ursprünglich auf Bitten von Justin Vernon und Aaron Dessner für ein Festival gegründete Projekt sich im Laufe dieser Produktion zu einer echten, untereinander interagierenden Band zusammenraufte%3B und eben nicht mehr zu einem Projekt, bei dem die einzelnen Protagonisten sich beim Präsentieren der eigenen Songs von den anderen beiden unterstützen ließen.
Hauptsächlich deutlich wird das durch den Umstand, dass der Gesang dieses Mal paritätisch aufgeteilt wurde – mal als Lead-Vocals, mal als Duett, mal als Harmonie-Gesang und oft in einer Mischform, bei der alle ihren Senf dazu geben. Das ist alles gar nicht so selbstverständlich, denn immerhin handelt es sich bei den drei Songwritern um versierte Individualisten und sozusagen Meister ihres Fachs. Des Weiteren nutzten Bonny Light Horseman die Gelegenheit, ihr musikalisches Repertoire von der ursprünglichen folkigen, balladesken Basis zu lösen und behutsam in Gefilde wie Rock („When I Was Younger“), Southern Soul („Don’t Know Why You Love Me“) oder im Falle des Über-Songs „Tumblin‘ Down“ sogar in Richtung leichtfüßigen Folk-Pops zu überführen. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei das Pub-eigene alte Klavier, das für die Aufnahmen ordentlich gewienert wurde und auf vielen Songs eine wichtige Rolle einnahm. Die Hälfte der Songs wurde – zusammen mit der aus JT Bates und Cameron Ralson – vor Ort in dem besagten Pub eingespielt, der Rest, dann im Dreamland Recording Studio in Upstate New York, wo auch die beiden Vorgänger-Alben entstanden. Die investierte Zeit und der Aufwand haben sich in jedem Fall gelohnt. „Keep Me On Your Mind / See You Free“ ist das bisherige Magnum Opus des Projektes Bonny Light Horseman geworden.
„Keep Me On Your Mind / See You Free“ von Bonny Light Horseman erscheint auf Jagjaguwar/Cargo.