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Das düstere Herz des Rock’n’Roll
Erst vor wenigen Monaten waren L.A. Edwards – die „Familienbande“ um die Brüder Luke Andrew, Jay und Jerry Edwards – schon als Support-Act für Lucinda Williams in unseren Breiten unterwegs gewesen und hatten dort mit ihrem Heartland-Sound auf die Songs der Grande Dame des Americana-Rock eingestimmt. Was die Fans damals offiziell noch gar nicht wussten, war die Tatsache, dass Luke Edwards & Co. zu diesem Zeitpunkt bereits die Songs ihres nun gerade erst erschienenen fünften Albums „Pie Town“ fertig hatten – was dann erklärte, dass bereits jetzt ihre erste Headliner-Tour stattfinden konnte.
Damals spielte die Band auch in größeren Venues (in Köln beispielsweise im Carlswerk Victoria) und präsentierte ihr Material mit entsprechend großer Geste, aufwendiger Lightshow und teils mit der Betonung der folkigeren Aspekte ihrer frühen Arbeiten. Für ihre erste europäische Tour unter eigenem Namen waren die Gigs dann allerdings in kleineren Clubs mit Rock’n’Roll Flair gebucht worden – denn auch wenn L.A. Edwards den Geschmack des amerikanischen AOR-Publikums zu bedienen verstehen, sind sie vor allen Dingen und zunächst eine Rockband. Deswegen geriet ihr Set im Blue Shell denn auch zu einer Demonstration dessen, was man mit ordentlichen Sounds, wenig Show-Effekten und handwerklich souveräner Darbietung im klassischen Rockmodus auch heutzutage noch reißen kann.
Als Support-Act hatten sich die Brüder die kalifornische Songwriterin Jade Jackson mitgebracht – die 2019 bei ihrem zweiten Besuch in der Domstadt (damals zusammen mit ihrer Band) bereits im Blue Shell aufgetreten war, um dort die Songs ihres zweiten Albums „Wilderness“ zu präsentieren. In den Wirren der Pandemie geriet Jades Karriere dann allerdings ins Wanken. Nachdem ihre ersten beiden Alben noch von Mike Ness von Social Distortion produziert worden waren (und demzufolge einen gewissen Rock-Drive hatten), erschien 2021 noch die LP „Breaking Point“, die Jade zusammen mit der Country-Künstlerin Aubrie Sellers (der Tochter von Lee Ann Womack) einspielte. Diese brachte indes nicht den gewünschten Erfolg, so dass Jade in der Folge von ihrem Label gedropped worden war und nun erst mal alleine auf weiter Flur dastand.
Und da kommt dann Luke Edwards ins Spiel, mit dem Jade schon seit einiger Zeit befreundet war und sie erst mal auf seinem eigenen Label Bitchin‘ Music unterbrachte und mit ihr zusammen die EP „Silent Wings“ produzierte, die fünf neue Songs Jades enthält und am Tag nach der Kölner Show erschien. Kurzum: Jade Jackson gehört jetzt auch erst mal zum Familienunternehmen Edwards und supportete nun die Band auf der aktuellen Europa-Tour. Für die Kölner Show gab es noch eine Überraschung, denn während Jade die Songs ihrer älteren Alben solo akustisch vortrug, konnte sie Luke Edwards dazu bewegen, sich für den Song „Flutter“ dann noch als E-Gitarrist auf die Bühne zu gesellen. Dafür musste im Vorfeld der Soundcheck dann um eine halbe Stunde verlängert werden, denn live gespielt hatten Jade und Luke den Track zuvor noch nicht. Logischerweise präsentierte Jade die Songs ihrer LPs „Gilded“ und „Wilderness“ in einem entschleunigten Folk-Setting. Zu Glück bedeutete das aber nicht, dass der Versuch, sie mit dem Aubrie Sellers Projekt als Country-Künstlerin zu etablieren, Fuß gefasst hatte. Jade Jackson ist schlicht eine brillante Storyteller-Songwriterin mit einem Hang zu melancholischen Songs wie „Loneliness“. Diesen Song hatten sich Fans auf Instagram für diese Tour gewünscht und da das auch einer ihrer persönlichen Favorites ist, spielte sie diesen Track dann mit besonderer Hingabe. Alles in allem lässt sich sagen, dass die gegenwärtige Situation Jade Jackson als Künstlerin demütiger, freundlicher, empathischer und allgemein netter gemacht zu haben scheint, denn während sie sich bei ihren beiden vorherigen Besuchen in Köln noch mit einer leicht blasierten, professionellen Badass-Attitüde gezeigt hatte, zeigte sie sich in Köln von ihrer zugänglichen Seite.
Mit irgendwelchen Attitüden scheinen sich Luke Edwards und seine Mannen hingegen überhaupt nicht auseinandergesetzt zu haben. Sie spielten ihr Set betont lässig und cool vor sich hin und schienen dabei einfach in ihrer Musik und dem Zusammenspiel untereinander aufzugehen. „Schienen“ ist dabei das richtige Wort, denn zu sehen gab es da relativ wenig. Während Jade Jackson zuvor noch ganz normal im Limelight gestrahlt hatte, standen die Jungs weitestgehend im Dunkeln, wurden nur von hinten und dann meist dunkelrot beleuchtet und wurden nur punktuell – etwa bei einem Solo – mal kurz angestrahlt – wohl um zu beweisen, dass noch alle da waren. Eine der Interpretationen für dieses Szenario war dann die, dass sich L.A. Edwards als Rockstars nicht so viel einbilden und lieber ihre Musik für sich sprechen lassen.
Das Set bestand aus den Tracks der letzten beiden Alben „Out Of The Heart Of Darkness“ und eben „Pie Town“ – wobei die Show dann schon sehr clever aufgebaut war. Nachdem die Herren mit dem potentiell als Stadien-Hymne angelegten Opener „Don’t Know Better“ erst mal das Terrain abgesteckt hatten, ging es mit den zurückhaltenderen Heartland-Tracks „Louisiana“ und „El Camino“ weiter. Das blieb dann auch so – immer mal wieder unterbrochen von eher balladesken Nummern wie „If I Had You“ oder poppigeren Tracks wie „Little Sunshine“ bis dann im letzten Drittel der Show so ziemlich alle Rock-Klassiker der beiden Alben versammelt wurden und sich das Energie-Level, die Dynamik und auch das Tempo mit „I Won’t“, „Good Luck“, „Already Gone“, „Peace Be With You“ und „Let It Out“ dann ständig steigerten. Als Zugabe gab es dann noch den Track „Day I Die“, den die drei Brüder für ihre Mutter geschrieben hatten und diesen dann akustisch ohne die Begleitmusiker präsentierten, wozu Jerry sich dann mit einer akustischen Gitarre zu den Brüdern Luke und Jay an ein einzelnes Mikro gesellte und die Jungs dann ihren ausgetüftelten Harmoniegesang anstimmten.
Wie muss man sich das Ganze nun vorstellen? Nun: Die Band hatte dergestalt viel Equipment auf der Bühne platziert, dass da sowieso kein Platz für großen Showeinlagen gewesen wäre. Lediglich Luke drehte sich mal hierhin und mal dorthin – während die anderen an ihrem angestammten Platz verweilen mussten. Noch eine Randnotiz: Der zweite Raum des Blue Shell, in dem sich auch der abgetrennte kleine Backstage-Bereich befindet, war so mit Gitarren-, Keyboard- und Equipment-Koffern zugestellt, dass nur noch ein schmaler Gang zum Toilettenbereich zugänglich war. Ihre letzten beiden LPs hatten sich die Brüder von dem legendären Mixer-King Tom Lord Alge abmischen lassen, der schon Acts wie U2, den Simple Minds, Peter Gabriel und nicht zuletzt den Rolling Stones zu klanglicher Glanz und Gloria jenseits des banalen Alltagslebens verholfen hatte. Die Show im Blue Shell klang nun so, als hätten die Brüder Edwards dieses monumentale Sounddesign nun wieder auf ein Rock’n’Roll-Level kondensiert und trotz Keyboards, Effektpedalen und allerlei Sound-Gadgets das Herz des Rock’n’Roll (das auf der letzten LP ja noch düster gewesen zu sein scheint) dann wieder freigelegt. Das kam dann um den Preis daher, dass auf richtige Balladen und akustische Gitarren dann verzichtet wurde – und einige attraktive, lyrische Tracks des Pie-Town-Albums wie z.B. „Can You See Me“, „For You“ oder „Angel Wait“ von der Setlist runtergefallen waren. Sei es drum: Shows wie diese lassen den Glauben an das Gute in der Rockmusik dann wieder aufleben – und mit dieser Art von klanglichem „Downsizing“ im Vergleich zur üppigen Studioproduktion haben sich L.A. Edwards ja auch einen Gefallen getan.