Das erste Lebenszeichen von Justin Vernon nach der Pandemie-bedingten Auszeit ist das Konzept-Projekt „Sable, Fable“ – das aus den drei Songs seiner letztjährigen EP „Sable“ besteht, die mit neun neuen Songs unter dem Subtitel „Fable“ auf dem Longplayer zusammengefasst wurden. Im Wesentlichen erzählt Vernon hier die Geschichte eines Mannes (vermutlich ihm selbst), der sich an einem Wendepunkt seines Lebens aus einer depressiven Phase herausarbeitet und einer hoffnungsvollen Zukunft entgegenstrebt. Interessanterweise schildert Vernon diese Sinnsuche und emotionale Bildungsreise auf zwei völlig unterschiedliche Weisen.
Der „Sable“-Part zeigt Vernon in jenem grüblerischen Folk-Modus, der schon seine Frühwerke auszeichnete und präsentiert die drei Stücke in einem sparsam/asketisch arrangierten Folksetting. Die Suche nach dem Sinn des Lebens in dem zweiten „Fable“ genannten Teil des Projektes zeigt Vernon als Soundmaster und Songwriter in einer suchenden, experimentellen und mit elektronischen Elementen erzeugten R’n’B-Klangwelt, die erst am Ende, mit dem vorletzten Track „There’s A Rhythmn“ zu einem versöhnlichen, songorientierten Abschluss findet, dem noch der lautmalerische Instrumental-Track „Au Revoir“ als Coda hintangestellt wird. Das, was sich zwischen dem „Sable“-Teil und diesem hoffungsvollen Endteil abspielt, zeigt Justin Vernon in einem fragmentarisch ausgelegten Suchmodus. Die zerfaserten, ineinander übergehenden Tracks zeigen Vernon offensichtlich auf der Suche nach jenem Rhythmus, den er in dem Track „There’s A Rhythmn“ dann – wohl im organischen Herzschlag – findet. In den nicht so gelungenen Parts dieser Suche scheint Vernon mit irgendwelchen Beats zu hantieren und auf die songwriterische Inspiration zu warten, während er in den gelungeneren Tracks wie „Everything Is Peaceful Love“, „From“, oder dem mit Danielle Haim eingesungenen Duett „If Only I Could Wait“ mit souligen Pop-Elementen spielt (und dabei viel zu oft seine gefürchtete Falsett-Stimme einsetzt).
„Sable, Fable“ ist also eine Art Bastard, auf dem zwei sehr unterschiedliche Facetten des Justin Vernon beleuchtet werden; wobei die erzählte Geschichte sehr viel schlüssiger zur Geltung kommt, als die erratisch anmutende musikalische Umsetzung.
„Sable, Fable“ von Bon Iver erscheint auf Jagjaguwar/Cargo.