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Hoffnung und Natur
Um es gleich aus dem Weg zu räumen: Der Name der englischen Songwriterin Caoilfhionn Rose spricht sich „Keelin“ aus. Es gibt in Irland zwar auch noch andere Möglichkeiten, diesen Namen auszusprechen – aber das ist hier nicht relevant, da Caoilfhionn eben nicht in Irland lebt (und arbeitet), sondern in Manchester und den Namen lediglich ihrer Irischen Mutter zu verdanken hat. Deswegen ist das erste, was Caoilfhionn Rose auch bei ihrer ersten Headliner-Show in Köln machte, die Sache mit dem Namen aus dem Weg zu räumen (auch indem sie ein Backdrop mit dem Namenszug auf einen Vorhang neben der Bühne projizierte), bevor es dann daran ging, das aktuelle Album „Constellation“ zusammen mit dem dem Multiinstrumentalisten Rich Williams und der Londoner Saxophonistin/Flötistin Caitlin Laing-McEvoy in einem experimentellen Trio-Setting vorzustellen.
Caoilfhionns musikalische Reise begann bereits 2018 mit der Veröffentlichung des Dreampop-Albums „Awaken“ – das noch stark von poppigen Arrangements und konventionell strukturierten Songstrukturen geprägt war. Es war dann die Pandemie, die Caoilfhionn und ihren Partnr Rich Williams dazu bewog, für das zweite Album „Truly“ ein neues Format zu finden, das sich auch ohne direkte Band-Beteiligung im heimischen Studio realisieren ließ. Das führte dann dazu, dass die neuen Songs einen zunehmend ätherischen, lautmalerischen Charakter annahmen – was auch damit zusammenhängen mag, dass Caoilfhionn Rose damals auf die Erfahrungen zurückgriff, die sie zuvor durch eine Zusammenarbeit mit Vinnie Reillys Durutti Column gewonnen hatte, deren Bassist Keir Stewart das Material auch produzierte.
Im Wesentlichen beschritten Caoilfhionn und Rich diesen Weg auch auf dem neuen Album weiter fort – allerdings in mit einem kollaborativen Ansatz, wieder mit einer Rhythmusgruppe und Beiträgen des Saxophonisten Gavin Barras, des Pianisten John Ellis von Cinematic Orchestra und Produzent Aaron Wood, der Ambient-Samples und -Texturen beisteuerte. Caoilfhionn bezeichnete dieses Projekt (das seither durch eine digital erschienene Live im Manchester Space-Studio eingespielte Session ergänzt wurde) als „Collage“. Und in diesem Sinne sind dann auch die Live-Performances auf der gerade laufenden Europa-Tour zu verstehen.
Die Show in der Wohngemeinschaft erwies sich dann als Hybrid-Version der verschiedenen Ansätze von den drei Studio-Produktionen – wobei Caoilfhionn an Klavier und Gitarre, Caitlin mit Saxophon und Flöte und Rich mit dem ganzen Rest den improvisatorischen Ansatz in einem zwar reduzierten, aber dennoch effektiven und erstaunlich lockeren Setting präsentierten. „Wollt ihr vielleicht einen Extra-Song hören?“, fragte zum Beispiel Rich mitten im Set und programmierte seine Elektronik flugs für den gar nicht auf der Setlist stehenden Track „Flourish“ um. Davon waren Caoilfhionn und Caitlin zwar nicht so begeistert – weil dadurch die Optionen für eine mögliche Zugabe eingeschränkt wurden – aber letztlich war es denn gerade diese Art von kommunikativer Lockerheit, die die Show auszeichneten.
Worum geht es aber eigentlich musikalisch? Nun – Caoilfhionn ist eine große Natur-Liebhaberin und erzählt in ihren Songs weniger Geschichten, als dass sie Naturphänomene auf poetische Weise präsentiert. In ihren Songs finden sich darum haufenweise allegorische Naturbilder, die Caoilfhionn metaphorisch in Kontext zu ihrer Weltsicht setzt. Dabei ließ sie sich für das „Constellation“-Projekt von dem Gedichtband „Came The Lightning“ inspirieren – einem Reigen von 12 Gedichten, die Olivia Harrison ihrem verstorbenen Gatten George Harrison gewidmet hatte, dem Caoilfhionns Meinung nach den Gedanken der Hoffnung im Angesicht des Verlustes besonders effektiv zum Vorschein gebracht habe. Das zeitigte dann den Track „Like Lightning“, der während der „Constellation“-Sessions entstand, aber als separater Stand-Alone-Track veröffentlicht wurde – und der in Köln dann auch im Zentrum stand.
Das Format für das „Constellation“-Album fand Caoilfhionn praktischerweise über den Track „Fall Into Place“, mit dem das ganze Projekt in Schwung kam und der mit seinen federleichten, jazzigen Grooves, den lautmalerischen Saxophon-Elementen, dem ätherischen Gesang und dem verspielten Klavierspiel die Grundlage für das Sounddesign des Albums – und auch der Show in der Wohngemeinschaft bildeten. Gerade die zuvor angesprochene Betonung des Hoffnungs-Aspektes bewahrt die Musik von Caoilfhionn Rose – und besonders die atmosphärischen Tracks des vollständig gespielten „Constellation“-Albums – trotz der melancholischen, verträumten Grundstimmung dabei vor Schwermut und Depression.
Da die songorientierten Tracks des „Awake“-Albums in Köln ausgespart wurden, bewegten sich die Performances in einem hypnotisch/freistiligen Setting mit deutlicher Ambient-Note, die allen Beteiligten viel Raum zur Entfaltung bot. Insbesondere Rich Williams überzeugte dabei als vielseitiger Instrumentalist, der seinen Instrumenten zuweilen recht überraschende Sounds entlockte und dabei zwischen Gitarre, Bass, Keyboards und Triggerpads hin und her wechselte. Besondere Highlights des Sets in Köln waren dann eine Coverversion von „I’ll Be Your Mirror“ von Nico & Velvet Underground, die erstens gar nicht auf der Setlist gestanden hatte und zweitens von den Musikern auf eine durchaus innovative Weise in das Band-eigene Sounddesign transplantiert wurde und das abschließende „Garden“ – einer der beiden nicht gelisteter Hidden Tracks vom „Truly“-Album, den Caoilfhionn dann solo vortrug. Von dem „regulären“ Programm gefiel dann erstaunlich lebhafte, federnd pulsierende Version des Songs „Josephine“ vom „Constellation“-Album.
Insgesamt gefiel die ruhige, zurückhaltende Art, mit der Caoilfhionn ihre Musik im Einklang mit der leicht eskapistischen Naturphilosophie ihres Materials präsentierte, die auf amüsante Weise mit der erklärwütigen, geerdeten Art Rich Williams kontrastierte. Caitlin Laing-McEvoy blieb dann nichts anderes übrig, als schmunzelnd daneben zu stehen. Natürlich war das dann kein Rock-Konzert – aber auch vom klassischen Folkpop-Setting und von ihren Anfängen als Dreampop-Künstlerin hielt sich Caoilfhionn Rose dann erstaunlich weit entfernt. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass sie mit dem kollaborativ/lautmalerisch/impressionistischen Ansatz des „Constellation“-Projektes ein eigenes Subgenre geprägt hat.