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„Back From Hell“ heißt das neue Album von Caliban. Dieser so aufregenden Metalcore-Band, die auch nach fast 30 Jahren noch mächtig aufregend ist. Keine Spur von Altersmilde, die neue Platte ballert und groovt wie eh und je, ist mit einer beachtlichen Energie ausgestattet und klingt ganz schön abwechslungsreich und nicht nur wegen der neuen zweiten Stimme von Iain Duncan auch wieder ein wenig anders. Und obendrauf gibt es Features mit unter anderem Fit For An Autopsy und Mental Cruelty. Wir trafen uns zu einer Runde Skype mit Gitarrist Denis Schmidt und Schlagzeuger Patrick Grün.
GL.de: Wir hatten unser erstes Interview mit euch im Jahr 2004, heute ist unser zweites.
Patrick: Dann lasst ihr euch immer so 21 Jahre Zeit, oder was? Oder immer nur, wenn was Besonderes ansteht, wie damals die Machine Head Tour und jetzt die „Back From Hell“ Tour?
GL.de: Nur bei besonderen Platten und besonderen Anlässen, ganz genau. Wie „Back From Hell“, die richtig klasse ist. Gibt es etwas, auf das ihr besonders stolz seid?
Patrick: Ich bin stolz darauf, dass wir immer noch am Start sind, und dass wir immer noch und nach so vielen Jahren in diesem Business und mit diesem Touring Potenzial, was wir in den letzten 25 oder 28 Jahren hatten, immer noch kreativ genug sind, dass die Leute kommen und sagen „Och, das gefällt mir gut.“ Aber ich könnte jetzt nicht sagen, ganz explizit, bei dem Song bin ich sehr stolz auf das oder das.
Denis: Das wüsste ich jetzt auch nicht. Also da würde ich auch generell sagen, dass wir insgesamt schon ein ziemlich starkes, modernes Album rausgehauen haben.
GL.de: Wie schafft man es denn, nach so vielen Jahren immer noch frisch und relevant zu klingen, ohne sich zu wiederholen?
Patrick: Vielleicht liegt es daran, dass wir mit der Zeit gehen möchten, dass wir Augen und Ohren offen halten, sehen, was ist, und wir uns auch gerne von anderen Künstlern inspirieren lassen. Das sieht man ja über die Jahrzehnte, wir haben immer Gastmusiker mit dabei. Das hat ja nicht nur damit was zu tun, weil wir da irgendein geiles Feature machen wollen, sondern das sind ja auch oftmals Künstler, die uns ja auch inspirieren. Also die wir halt feiern und gut finden und deren Musik wir schätzen und lieben. Und ich glaube, wenn man sich nicht so verschließt, sorgt das für eine gewisse Frische. Wenn man eben nicht so verstaubt und zu engstirnig ist und sagt „Nein, ich mach aber nur Thrash Metal. Nein, ich mach aber nur diese Art von Musik und gucke nicht über den Tellerrand hinaus.“ Da waren wir ja noch nie die Typen für, wir haben schon immer alles an Musik gefeiert, was uns gefallen hat, ohne dass die Szene Polizei uns erzählen konnte, das darfst du eigentlich gar nicht hören, weil das gehört überhaupt gar nicht dahin dann. Also offene Augen, offene Ohren und keine Angst vor Neuem.
GL.de: Du hast die Features angesprochen. W ie läuft sowas ab? Ist das einfach nur ein Anruf „Ey, hast du Bock mitzumachen? Wir hatten hier einen Part“ oder ist das viel Stress mit Anwalt und Vertrag und Beteiligungen und so?
Denis: Der erste Schritt ist, dass wir uns beraten, wen man nehmen könnte, wer passt dazu und der wird dann halt gefragt von uns persönlich erstmal und alles Andere macht das Management.
Patrick: Aber schlussendlich ist es tatsächlich bei uns so, dass wir die Musiker nicht einkaufen, wir mussten zu Glück bis jetzt für keinen eine hohe Gage zahlen, sondern dadurch, dass wir halteinfach zweieinhalb Jahrzehnte unterwegs sind und die ganze Welt gespielt haben und mit vielen Bands gut bekannt oder sogar gut befreundet sind, ist da der Weg natürlich oftmals auch leicht. Ich sag jetzt mal Molle von HSB zu Fragen und sagen, „Ey, wir können uns vorstellen, hier muss von dir so einn Scream drüber“, da ist der Weg natürlich sehr leicht und sehr einfach. Ja, aber selbst auch mit anderen Künstlern wie Matt von Trivium oder Head von Korn war das alles ohne Gage und ohne Anwalt und ohne alles, sondern das sind halt Musiker, die sagen „wir feiern das, was ihr macht und ich freue mich, ein Teil davon zu sein.“ Und das ist schon auch ein gewisser Ritterschlag, weil wir haben ja jetzt nicht nur Proberaumbands, die bei uns mitgemacht haben, sondern das sind ja schon auch n Paar ja Ikonen und starke Sachen.
GL.de: Mit Blick auf eure Historie und eure vielen Jahre, die ihr schon am Start seid. Wird es mit der Zeit einfacher, sich zu öffnen und neue Dinge auszuprobieren, weil man ja schon so viel kennt und weiß und was funktioniert oder denkt man auch mal „Ich habe jetzt so ein Alter erreicht, also ich kann jetzt nicht mehr mit irgendwelchen Elektro, Hip-Hop, keine Ahnung was Stilen spielen. Das wäre jetzt nach der langen Historie unglaubwürdig.“ Oder ist man eigentlich freier? „Ich hab das schon so lange gemacht, ich kann machen, was ich will.“
Patrick: Wir wissen über diese lange Zeit, was uns gut steht, was wir gut können und was wir halt eben nicht können. Ich werde übermorgen 50 und wenn Band jetzt von mir verlangen würde, dass ich da irgendwie 300 BPM spielen muss, weil das Halt gerade The Shit ist. Na dann würde ich halt sagen „alles klar, das ist ja wunderbar, das können wir dann vielleicht irgendwie im Studio faken“. Aber das ist halt völlig unrealistisch und wir haben halt gelernt das zu machen, was wir irgendwie auf die Kette kriegen, was wir gut können. Wir haben aber auch keine Angst, uns wie gesagt neuen Dingen zu stellen, aber immer mit dem Hintergrund: „Wo sind wir, wer sind wir, was können wir und was wollen wir halt machen? “ Wir sind nicht verschlossen neuen Dingen gegenüber, wissen aber genau, wofür Caliban steht.
GL.de: Und trotzdem ist „Back From Hell“ ein ganz schön abwechslungsreiches, komplett unlangweiliges Album, das gut ballert, aber dann auch irgendwie diese Melancholie hat, „Solace In Suffer“ kommt mit verzweifelte Momente, die das Ganze dann wieder irgendwie n bisschen anders machen. Es ist einfach von Anfang bis Ende extrem spannend. Wann weiß man bei einer Albumproduktion in welche Richtung die Platte geht? Merkt man das recht früh oder kommt das erst, wenn man die Songs in die richtige Reihenfolge packt?
Patrick: Man versucht natürlich immer, einen roten Faden für ein Album zu finden und wenn man dann letztendlich alle 12 Songs beisammen hat, dann überlegt man natürlich, wie könnte man so ein Album strukturieren und womit geht es los. Wir entscheiden uns ja oftmals ganz klassisch, dass wir eben nicht mit dem ruhigsten Song das Album beginnen, es soll immer erst mal so ein Hallo Wach Effekt entstehen. Ähnlich sind auch unsere Setlisten. Am Anfang muss es halt mal krachen und da muss die Neugierde geweckt werden. Ind dann kann man es vielleicht in der Mitte oder so im letzten Drittel mal ein bisschen ruhiger angehen, wenn du so eine Nummer has,t und dann schiebt man hinten halt vielleicht noch mal raus. Aber das muss man immer mal hintereinander setzen dann mal hören und gucken, wie es sich anfühlt.
GL.de: Stichwort Setlist. Ihr habt jetzt ganze Menge Platten gemacht. Wird das nicht irgendwann zur Qual sich entscheiden zu müssen, was man denn live spielt?
Dennis: Ja, es ist halt schwierig. Eigentlich will man für sich selber die Songs spielen, die einem selber sehr gut gefallen – aber das sind meistens nicht die Songs, die die breite Masse hören will und dann muss man da schon so ein paar Kompromisse eingehen. Wobei wir bei dem neuen Album eigentlich ziemlich schnell Songs rausgesucht haben, die hier alle gut finden und wo klar war, dass wir die spielen werden. Aber bei den alten Songs ist es natürlich schwierig und manche der ganz alte Gassenhauer spielen wir auch gar nicht mehr, weil die sind ja schon in die Jahre gekommen und das Ist irgendwie nicht mehr angebracht, finde ich.
Patrick: Ja, aber andere Gassenhauer wollen wir ja jetzt auch nicht vom Tisch fegen, also da sollte es auf jeden Fall für die Leute die ein oder andere Überraschung geben. Wir werden natürlich Hits spielen, aber wir werden auch in den Jahren weit nach hinten fahren und da noch mal was Spannendes und Interessantes rausholen, was wir auch schon seit bestimmt einem Jahrzehnt und länger nicht mehr live performt haben.
GL.de: Wird denn Iain auch bei den alten Songs dann die Vocals übernehmen?
Denis: Schauen wir mal.
Patrick: Also ich denke, Dennis wird sich das ein oder andere natürlich nicht vom Brot ziehen lassen und da gibt es natürlich auch genügend Songs, wo die Leute einfach Denis‘ Stimme auch erwarten und das dann auch dementsprechend feiern – zurecht!
GL.de: Aber Stichwort Iain, gab es eigentlich erst die neuen Lieder oder gab es erst ihn in der Band?
Patrick: Es gab erst Iain in der Band. Ich will jetzt nicht ausschließen, dass Marc nicht da schon irgendwo irgendwelche Riffs auf einem auf dem Rechner liegen hatte, aber Iain gab es schon und dann kam erst der neue Prozess zum Album. Und Iain ist da auch völlig aufgegangen. Das war auch so eine Sache, die für uns ja auch wichtig war, Iain mit in die Band zu nehmen. Nicht, weil wir uns schon ewig kennen und wir wissen, dass er ein fantastischer Musiker ist, sondern wir wissen auch, dass er einen geilen Input hat. Sei es jetzt für live, sei es vor allem jetzt auch für das Album, bei dem er sehr kreativ Marc und dem Produzententeam unterstütz hat. Diese Summe macht, dass dieses Album auch einfach so spannend ist, wie es jetzt klingt.
GL.de: Hätte Iain auch dem Job in der Band bekommen, wenn er nur eine Sache können würde, also nur Bassist oder nur Stimmung oder war dieses diese Doppelfunktion der Trigger für den Job?
Denis: Das war schon sehr ausschlaggebend. Ich meine, ich bin damals da so in dieses Gesinge mehr oder weniger reingeschubst worden. Während einer Albumproduktion wurde gesagt, wer kann von euch singen und ich konnte es halt am Besten und seitdem habe ich dann gesungen und eigentlich habe ich mich da nie so richtig wohl gefühlt. Mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt und es macht auch mehr oder weniger Spaß.
Patrick: Aber hast du ja immer gut gemacht. Das ist ja nun mal ein Fakt. Ich weiß, du stellst dich da jetzt so ein bisschen unter den Scheffel, aber das musst du gar nicht tun, weil letztendlich ist es ja so, dass auf den ganzen bestehenden Hits, die wir halt haben, sind halt nun mal am Ende des Tages auch deine lieblichen Vocals zu hören – auch wenn man da reingeschubst wurde. Ich war ja bei diesem ganzen Prozess auch dabei, ich durfte ja auch vorsingen und wurde dann als nicht tauglich abgewählt. Aber Dennis hat es gemacht, vielleicht erst mal so n bisschen widerwillig, aber am Ende des Tages hattet sich ja ausgezahlt. Also es ist ja gut geworden.
Aber ich weiß jetzt gar nicht, ob es so anders wäre, hätte Iain gesagt ich kann nur Bass spielen oder ich kann nur singen. Aber natürlich ist das Gesamtpaket einfach super. Dass man sich schon ewig kennt – er hat früher bei We Butter The Bread With Butter gespielt, die waren schon mal auf der „Get Infected“ Tour bei uns im Support und wir haben uns immer gut verstanden -und er einfach auch ein guter Musiker, ein sympathischer Typ und irgendwie ein Freigeist ist. Und er ist auch noch 10 oder 15 Jahre jünger als wir, von daher bringt er da auch noch mal was ganz Spritziges mit in den Altherrentrupp hier rein. Und das hat halt einfach alles gepasst.
GL.de: Jetzt hättet mit As I Lay Dying touren sollen, was aus bekannten Gründen nicht geklappt hat. Wie reagiert man dann als Band, wenn man dann so etwas passiert und man plötzlich vor so einer Blackbox sitzt und komplett von vorne planen muss. Wie geht man da ran und wieviel Panik und wieviel Enttäuschung und Wut spürt man, wenn man sowas hört?
Patrick: Von allen Punkten, die du gerade genannt hast: ganz viel! Wir haben es ja schon im Vorfeld, bevor das in die Presse kam, schon im Background irgendwie rumoren hören und wir sind natürlich mit den Musikern auch befreundet. Aber für uns war das jetzt ein ganz, ganz schweres Brett. Weil wir uns seit der Coronazeit so bisschen zurückgezogen haben. Erst zwangsläufig, danach haben wir diese Pause, diese Ruhe ein bisschen mehr ausgedehnt. Jeder hat sich noch mal anders orientiert für sein Leben. Weil man halt einfach auch gemerkt hat, oh, so schnell ist der Ofen aus. Wir wollten halt keinen Schnellschuss machen. Also wir haben gedacht, wir spielen ein bisschen und dann kam auch mal eine EP und ein Album raus. Aber damit haben wir ja nie großartig was gemacht. Es gab ja keine große Europatour mit einem geilen Package, wie wir das sonst eigentlich ja immer alles gemacht haben. Aber dann kam halt dieses Angebot und dann haben wir gedacht, dass das ist natürlich eine tolle Support Tour für uns und zusammen mit dem Album haben wir dann diesen Paukenschlag, den wir eigentlich wollten. Ja, und dann war alles darauf gemünzt. Ich mein, das ist ja nicht nur von „Ich hab‘ jetzt hier ein Album geschrieben“ und „Jetzt geh ich mal ein paar Konzerte spielen“. Da hängt ja ein riesiger Mechanismus dran. Sei es mit der Plattenfirma, mit der Booking Agentur, mit der ganzen Promo und alles was da ist. Es werden Leute gebucht, wir haben eine komplette Crew gebucht, wir haben einen Tourbus gebucht. Und alles war in den Startlöchern und auf einmal zerfällt dieses Ding. Und du stehst auf einmal wieder vor deinem zweiten Nichts. Von heute auf morgen. Erst war da dieses Corona, was dich völlig gelähmt hat. Und dann hast du da diese Hoffnung auf dieses Ding. Und dann? Platsch, fällt alles hinten runter. Aber dann wollten wir nicht mehr länger warten und irgendwo in der Versenkung rumdümpeln und dann haben wir mit dem Management gesprochen und mit unserer Booking Agentur und wir haben diese Tour jetzt innerhalb von fünf Monaten aus dem Boden gestampft. Es ging halt ratzfatz. Jetzt ist es uns wichtig, dass wir jetzt endlich wieder rausfahre und uns mit einem tollen Album wieder live präsentieren können. Und wir hoffen natürlich, dass die Fans da draußen das auch dementsprechend annehmen und Bock darauf haben und dann halt auch zahlreich erscheinen, um dann mit uns „Back From Hell“, was es ja wirklich auch ist, dann auch zu zelebrieren.
GL.de: Wir wünschen euch für die Tour die Platte alles Gute – und wir quatschen dann 2049 noch mal?
Patrick: Ja, okay. Dann bin ich zumindest im Rattenalter.
Termine:
13.05.25 Munich, Backstage
17.05.25 Leipzig, Conne Island
18.05.25 Köln, Essigfabrik
„Back From Hell“ von Caliban erscheint auf Century Media/Sony Music.