Wenn es darum geht, den Geist des anglo-amerikanischen Indierocks der 90er- und 00er-Jahre mit viel Fantasie und einem feinen Händchen für eingängige Hooks in die Gegenwart zu befördern, liegen Sloe Noon – anders als das Fußballteam ihrer Heimatstadt Dortmund – seit Jahren stabil auf Champions-League-Kurs. Zugegeben, es hat rund zwei Jahre gedauert, bis Mastermind Anna Böke und Co. alle fünf Songs ihrer neuen EP mit dem augenzwinkernden Titel „All Feelings, No Technique“ fertig eingespielt hatten, aber das tut der Freude über diesen Nachfolger zu „Embassy Court“ (2021) und „Liminality“ (2022) natürlich keinen Abbruch. Seinen Ursprung hat das Projekt in Brighton, wo Anna studierte, und das ist vermutlich der Grund dafür, dass sie zwar auch die Krautrock-Beats des Ruhrpotts als Inspiration nennt, vor allem aber dadurch begeistert, dass sie den Sweetspot zwischen ohrwurmigem Gitarren-Pop, krachigem Indierock und vernebeltem Shoegaze mit solch einer Leichtigkeit trifft, die ansonsten Lichtgestalten wie Alvvays vorbehalten ist.
Drei der Songs, mit denen Anna textlich ihre eigenen Emotionen und Unsicherheiten spiegelt und aufarbeitet, entstanden unter der Produktionsregie von Theo Verney, der in der Vergangenheit den fantastischen English Teacher den Weg zu ihrem Mercury-Prize-prämierten Debütalbum „This Could Be Texas“ ebnete. Kein Wunder also, dass sich gleich zu Beginn „New > Old“ durch ein ähnlich brillantes Spiel mit der Dynamik auszeichnet, wenn Sprechgesang und rhythmusbetonte Begleitung bei den Strophen den Weg frei machen für einen hymnischen Power-Refrain. Mit den weiteren vier Songs entfernen sich Sloe Noon nie allzu weit von diesem Erfolgsrezept, sorgen aber mit geschickten Variationen dafür, dass hier kein Song wie der andere klingt. Das führt dazu, dass jeder dieser Songs als Single funktioniert und die EP trotzdem wie aus einem Guss klingt. Verträumt und eindringlich zugleich, ist Sloe Noon mit „All Feelings, No Technique“ ein großer Wurf gelungen.
„All Feelings, No Technique“ von Sloe Noon erscheint auf Dalliance Records.