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„Ich mache doch nichts, was ich nicht mag!“
Als die New Yorker Songwriterin Sophie Auster Ende 2019 im Rahmen eines kurzen Euro-Trips auch einen kurzen Abstecher zum Hamburger Nochtspeicher machte, war die Welt ja noch eine andere. Damals hatte Sophie vor, im Jahre 2020 mit einer „richtigen“ Tour nach Europa zurückzukehren und arbeitete bereits an neuen Songs, die sie ihrer damals aktuellen EP „History Happens At Night“ hinterherschicken wollte. Wir wissen, was dann passierte: Die sich Anfang 2020 ausbreitende Pandemie machte diese Pläne natürlich zunichte. Dass es dann aber nahezu sechs Jahre dauern sollte, bis Sophie nun wieder in Deutschland zu Gast sein würde, hatte noch andere Hintergründe…
Zwischenzeitlich wurde Sophie Mutter und während sie dann an neuem Material arbeitete, gab es noch eine schwierige Phase, als Sophies Vater, der New Yorker Schriftsteller Paul Auster, an Krebs erkrankte und dem Leiden schließlich erlag. Das war dann auch der Anlass, der dazu führte, dass Sophies neues Album, das kürzlich erschienene „Milk For Ulcers“, musikalisch eine ganz andere Richtung annahm als ursprünglich geplant und sehr viel persönlicher ausfiel, als Sophies bisherige Alben, die oft von Filmen, Poesie, Literatur und inszenierten Szenarien bestimmt waren. Nachdem aber ihr Vater – der Sophies größter Fan gewesen war – das komplette Album noch hätte hören (und mit ihr diskutieren) können, hatte es Sophie dann kaum erwarten können, nun endlich wieder auf Tour zu gehen – und dabei auch wieder in der Domstadt aufzuspielen.
Für ihre Touren in Deutschland schlägt Sophie Auster ihre Basis in Berlin auf, wo sie dann mit ihren Musikern für die Konzerte probt und sich auch mit einem Support-Act zusammen tut, der sie dann bei den deutschen Terminen begleitet. In dem Fall war das der Kölner Musiker Fabian Kuhn, der wohl schon etwas länger im Geschäft ist. Jedenfalls erzählte er von seinen Abenteuern als professioneller Musiker, die er zur Basis für seine gefälligen Indie-Pop-Songs mit leichtem Americana-Touch hernimmt – welche er bislang auf seiner EP „Constellation“ zusammengefasst hat. Offensichtlich hat Fabian Kuhn dabei die zeitgenössischen Kollegen der internationalen Songwriter-Fraktion eifrig studiert und sich dabei die für ihn geeigneten musikalischen Versatzstücke – aber leider auch deren Manierismen (angedeuteter Falsett-Gesang, Ohoohohh-Chöre oder stadienreife Rockstar-Posen) herausgesucht und für sein eigenes Material passend gemacht. Deswegen klingen Kuhns Songs bereits auf gewisse Weise vertraut – dann aber auch nicht besonders überraschend oder aufregend, weil sie nämlich immer genau in der erwarteten Richtung vor sich hinmäandern. In den verfügbaren Info-Texten wird allenthalben darauf hingewiesen, wie authentisch Fabian als Musikus agiere. Als Performer schoss er – zumindest an diesem Abend – aber deutlich über das dem Rahmen angemessene Ziel hinaus und betätigte sich als überdrehter Club-Animateur, der mehr Zeit damit verbrachte, das Publikum zum Jubeln und Mitsingen zu animieren und anzufeuern, als etwa sein Songmaterial für sich sprechen zu lassen. Das tat er dann bei jedem einzelnen Track; was nun eindeutig zu viel des Guten war.
Wie man so etwas besser hinbekommen kann, zeigten im Anschluss Sophie Auster und ihre Musiker, die nämlich später nur an genau einer Stelle – und ohne explizit dazu aufzufordern – das Publikum durch Klatschen zum Mitmachen animierten. Nachdem Sophie Auster mit ihrer Band (zu der auch die Pianistin Mary Davy gehörte, die die Piano-Parts auf dem neuen Album im Studio eingespielt hatte) die Show mit dem Song „Heartbreak Telephone“ eröffnet hatte, machte sie gleich deutlich, worum es gehen sollte – nämlich das neue Album „Milk For Ulcers“ in Gänze zu spielen. Freilich: Ganz so einfach machte es sich die Gute dann aber doch nicht – und reicherte das Set mit einer überraschenden Auswahl an Songs an, die sich eben nicht auf dem Album befanden.
Da waren dann etwa die Cover-Versionen – „Cool Cat“ vom 82er Queen-Album „Hot Space“ und „Love You Inside And Out“ aus der Disco-Phase der Bee Gees Ende der 70er Jahre. Beide Songs wurden von Sophie und ihrer Band dann in schwülstigen R’n’B-Versionen mit einer Prise Nightclub-Flair interpretiert. Sophies eigene Disco-Facetten (die ihr übrigens sehr gut stehen) kamen dann allerdings in den Songs „Dance With Me“ vom „Next Time“-Album und dem als Zugabe gegebenen Single-Track „The Fall“ zum Tragen.
Weitere versteckte Highlights waren dann Single-Tracks wie „Let’s Get Lost“ oder „If I Could“ (der im weitesten Sinne auch als Disco-Song interpretiert wurde) und „Dollar Man“ vom „Next Time“-Album. Sophie erklärte dem Publikum, dass sie diesen Song „Leuten wie dem ‚Orangenmann’“ gewidmet habe. „Seinen Namen nenne ich aber nicht – denn das hat er nicht verdient“, schmunzelte Sophie und führte dann aus: „Das ist übrigens ein älterer Song von mir. Ich denke aber, er ist trotzdem ganz gut, denn ich mache doch nichts, was ich selber nicht mag.“ Fun Fact am Rande: Sophie hatte während der ersten Amtszeit von Trump bereits aus Frust einen Song namens „No Country For Orange Man“ geschrieben und auf Instagram hochgeladen. Leider hat sie den aber nie aufgenommen. „Vielleicht sollte ich das aber mal tun“, meinte sie nach der Show.
Zu einem Publikums-Favoriten und Highlight der Show geriet dann aber ein ganz anderer Song. Als Sophie nämlich den Track „Let It Be Spring“ solo auf der akustischen Gitarre vortrug (während sie sich ansonsten voll und ganz auf das Singen konzentrierte), hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können.
Als Performerin überzeugte Sophie wie gewohnt mit ihrer souveränen Bühnenpräsenz, einer ansprechenden Gestik und Dramaturgie und der spontanen Art, in der sie (wie sie sagte, ohne Plan) die entscheidenden Hintergründe ihrer Schlüsseltracks des neuen Albums offenlegte. So erklärte sie etwa, dass sie den Song „Look What You’re Doing To Me“ für ihren Ehemann Spencer geschrieben habe – der somit zu den „unschuldigeren“ Tracks der LP zählte –, räumte ein, dass „Man Like You“ eine Art Schmäh-Song für einen ungenannten Musik-Manager sei und gestand, dass sie „Don’t Ask Me What I Do“ als eine Art Entschuldigung für jene geschrieben habe, die in der schwierigen Zeit, als sie sich nicht von ihrer angenehmsten Seite gezeigt hatte, zu ihr gestanden haben. Letztlich ging sie dann auf den Song „Blue Team“ ein, den sie für ihren Vater als letztes für das Album geschrieben habe, als dieser schon im Sterben lag. So zeigte sich Sophie glücklich darüber, dass ihr Vater nicht nur den Song – sondern eben auch das ganze Album – noch hören konnte und erklärte dann, dass es ihr sehr geholfen habe, dass sie über diesen Song dann auch das schwierige Thema Verlust und Trauer verarbeiten und habe ansprechen können. Da hat die Gute wohl einen Punkt, denn gerade in Zeiten von Trauer und Verlust ist es ja wichtig, diese Emotionen nicht in sich hineinzufressen, sondern zu kommunizieren – wobei Musik ein unverzichtbares Hilfsmittel ist.
Rein auf der musikalischen Ebene gab es an der Show überhaupt nichts auszusetzen. Die Band agierte souverän und effektiv – aber eher im Hintergrund – und überließ Sophie Auster dann das Spotlight. Das war an diesem Abend zum Glück dann auch wörtlich zu nehmen, denn alles war gut sichtbar ausgeleuchtet. Sophie Auster gehört ja zu den Musikerinnen, die über ihre Liebe zum Gesang zur Musik gekommen sind. Zwar hat sie sich heutzutage auch als Songwriterin einen Namen gemacht – aber sie hat sich ihrem Material seit jeher schon über den Gesang genähert. Das wurde auch an diesem Abend dann deutlich, denn schöner und emotionaler hat sie eigentlich noch nie gesungen. Dabei scheut Sophie Auster als Performerin weder die große Geste noch den Bezug zu ihren Vorbildern (etwa Roberta Flack) – findet dabei aber mühelos zu ihrer eigenen Identität als Sängerin. Formulieren wir es mal so: Wenn Sophie die Stimmbänder schwingt, dann hört man da niemanden, der irgendwelchen Vorbildern nacheifert, sondern jemand, der deren Tugenden zu schätzen weiß und respektiert und sich diese dann selbst zu eigen macht. Wie üblich stand Sophie nach der Show noch den Fans zur Verfügung, hatte aber bis auf ein paar Damen-T-Shirts nichts mehr feilzubieten, da das ganze Merch bereits ausverkauft war – was dann ja für sich spricht.
Fazit: Ein gewisses Faible für diese Art von Old-School-Präsentation und ein Programm, das auf eher klassischen musikalischen Tugenden als zeitgemäßen Trends und Moden basiert, vorausgesetzt, war das dann ein ziemlich perfekter Konzertabend.