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„Ich will kein Rockstar sein.“
In den USA ist die ursprünglich aus Virginia stammende Songwriterin Kate Bollinger – spätestens seit sie sich mit den Songwriter/Produzenten-Koryphäen Matthew E. White, Sam Evian und Michael Collins a.k.a. Drugdealer angefreundet hatte (die ihre eigenen Bestrebungen als Mentoren und Kollegen bis heute unterstützen) – nach einem Umzug nach Los Angeles zu einer fixen Größe der transkontinentalen Indie-Songwriter-Fraktion geworden. Nach einer Reihe von Indie-Veröffentlichungen und ersten Touren durch die USA spielte sie im Herbst letzten Jahres ihr Debüt-Album „Songs From A Thousand Frames Of Mind“ ein, mit dem sie nun auch auf ihre erste offizielle Headliner-Tour mit Band durch Europa kam. (Zuvor war sie nur für einzelne ausverkaufte Solo-Gigs bereits ein Mal hier gewesen, um die Lage zu peilen.)
Nachdem es für internationale Musiker immer schwieriger wurde, mit großer Entourage auf Konzertreisen zu gehen, hatte auch Kate das einzig Vernünftige getan und war alleine mit ihrem Collegekumpel, dem Drummer Jacob Grissom – der seit Anbeginn in ihrer Band tätig ist – nach Europa angereist und hatte sich dort mit den britischen Musikern James Howard und Evan Hinshelwood zusammengetan, die ihr von Dana Gavanski – die sie im UK als Support-Act begleitete – empfohlen worden waren, da sie mit diesen Musikern schon zuvor zusammengearbeitet hatte. Kate studierte das Programm für die Tour vor Ort mit den Musikern ein, was dazu führte, dass es wenig Möglichkeiten gab, das dann zu variieren, sodass Kate die ganze Euro-Tour mit derselben Setlist absolvieren musste. Als Support-Acts waren dann auch lokale Acts hinzugebucht worden – während bei den Konzerten in Deutschland dann die russische Kosmopolitin, Musikerin, Designerin und Produzentin Kate NV (eigentlich Ekaterina Yuryevna Shilonosova) zum Anheizen auf der Bühne stand.
Die Sache ist dabei die: Kate NV ist auch als Mitglied der russischen Rockband Glintshake tätig und pflegt auch auf ihren Studioproduktionen einen eher kollaborativen Ansatz. So veröffentlichte sie beispielsweise 2023 zusammen mit Angel Deradoorian das Album „Ticket To Fame“ unter dem Projektnamen Decisive Pink. Sie selbst spielt dabei im Studio Bass, Gitarre, Keyboards und diverse Percussion-Instrumente und lässt sich von Gästen an Saxophon oder Klarinette begleiten. Auf dem anstehenden Live-Album „Room For The Moon“ wird dann gar ein größeres Ensemble zu hören sein. In Köln indes stand Kate ganz alleine mit einem Triggerpad auf der Bühne, auf dem sie dann die vorproduzierten Backing-Tracks abrief, auf denen dann die zuvor genannten Elemente auch zu hören waren.
Kate selbst steuerte dann nur noch ein paar Töne auf einem Mikro-Keyboard bei und konzentrierte sich ansonsten darauf, zu singen (multilingual) – und zu tanzen. Mit teils dramatischen, teils ulkigen und teils linkischen Gesten untermalte sie dabei ihre zuweilen recht unerbittlichen, avantgardistischen Minimalpop-Songs – und betonte so den artifiziellen Charakter der ganzen Produktion (etwa im Sinne von Kraftwerks Robotern). Nach eigener Aussage lässt sich Kate dabei von russischer New Wave und japanischer Pop-Musik der 70er und 80er Jahre inspirieren – und nach dem, was es dann vor Ort zu hören gab, sind ihr auch Free-Jazz, Krautrock und die elektronische Musik der Düsseldorfer Gründerväter nicht unbekannt. Das war nun alles schön und gut und auf gewisse Weise auch charmant und hinreichend verrückt – hatte aber mit der organischen Erlebniswelt von Kate Bollinger so gar nichts zu tun und stellte somit die Geduld der Fans schon ein wenig auf die Probe.
Zu sehen war das alles übrigens nur eingeschränkt, denn aufgrund der aktuellen Beleuchtungs-Politik im Gebäude 9 wurden die Musiker nach dem Motto „50 ways to blind the viewer“ nur von hinten angestrahlt, dafür aber das Publikum bis zur Hallenmitte ständig geblendet.
Als Kate und ihre Musiker dann die Bühne betraten, überraschte zunächst der Bühnenaufbau – denn die Musiker waren in der hinteren Bühnenhälfte im Halbkreis aufgebaut, wobei Kate selbst auf der linken Seite der Bühne (und dann eher im Schatten) stand. Auf die Frage, warum sie denn dieses Setting gewählt habe, anstatt sich standesgemäß als „Rockstar“ in der Bühnenmitte zu präsentieren, meinte sie nach der Show, dass sie gerne ihre Band haben sehen wollte, um sich mit den Musikern abstimmen zu können, und ergänzte dann nach einer kleinen Pause: „Und wahrscheinlich will ich auch gar kein Rockstar sein.“
Das muss ja auch nicht sein, denn die Musik von Kate Bollinger spricht ja für sich. Kates musikalische Reise begann bereits 2017 mit eigenen Songs und einer ersten EP namens „Key West“. Nachdem Kate ihr Universitätsstudium abgeschlossen hatte, tat sie sich zunächst mit studierten Jazz-Musikern zusammen, die sie dann im Folgenden als Live-Band begleiteten und Sound auch deutlich in Richtung Jazz-Pop prägten. Später kamen dann zunehmend Indie-Pop-Elemente hinzu und nachdem Kate nun schon seit einer ganzen Zeit in L.A. lebte, haben sich heutzutage auch deutliche Westcoast-Vibes im Sounddesign eingeschlichen – was sich bei Kates Debüt in der Domstadt dann auch auf positive Weise im Live-Sound niederschlug (obwohl Kates Studioaufnahmen allesamt noch in ihrer alten Heimat stattgefunden hatten). Die Performance war dann vergleichsweise unspektakulär angelegt. Kate präsentierte das Material hochkonzentriert und meistens mit geschlossenen Augen und wirkte dabei fast schon ein wenig schüchtern. Die Musiker folgten dann ihren Vorgaben ohne viel Aufhebens, wobei sich James Howard einige schöne, hakeliger und nicht zu lange psychedelische Soli leistete und gelegentlich von der Gitarre ans Keyboard wechselte.
Da Kate im Laufe der Zeit eine ganze Menge an Songs angesammelt hat – und sich vergleichsweise lange Zeit mit der Veröffentlichung des Debüt-Albums gelassen hatte – nutzte sie die Gelegenheit, dann neben den Songs des Albums (die – wie erwartet – etwas schneller und mit mehr Punch dargeboten wurden als auf der Konserve) auch einen bunten Querschnitt durch ihr bisheriges Oeuvre zu präsentieren. Dabei gab es dann älteres Material zu hören – darunter dann auch Favorites wie das frühe Pop-Meisterwerk „Yards / Garden“ oder das auf Französisch vorgetragene „J’aime Les Filles“. Für diesen Song legte Kate dann die Gitarre zur Seite und trug diesen – mit einem Glas Wein in der Hand – in ihrem klassischen „Chanson-Modus“ vor, der noch am ehesten an ihre Solo-Shows erinnerte; der dann auch gegen Ende des Sets bei klassischen Noir-Jazz-Balladen wie „Lonely“ oder besonders bei dem leicht verrucht angelegten „Sweet Devil“ zum Tragen kam. Insgesamt wurde das Jazz-Flair, das Kates Shows früher ausgezeichnet hatten, zugunsten eines gewissen Jangle-Pop-Faktors zurückgefahren. Es gab dann mit einem neuen Gitarren-Pop-Song mit 60s Flair namens „My Bobby“ (wohl eine Anspielung auf die Bobby McGee aus dem Song von Kris Kristofferson, der von Janis Joplin unsterblich gemacht wurde) vermutlich auch schon einen ersten Blick auf Kates kommendes Album, an dem sie gerade arbeitet und das sie im August erstmals in L.A. einzuspielen gedenkt.
Da Kate nichts vom Zugaben-Konzept hält und stattdessen lieber gleich nach der Show zum Signieren kommt, erfüllte sie am Ende der Show spontan noch ein paar Publikumswünsche und spielte etwa ihren ersten Song „Candy“ – wobei es dabei das Problem gab, dass James und Evan das alte Material gar nicht richtig kannten und erst während des Vortrages irgendwie zusammenfinden mussten – was aber am Ende gelang – wenn auch humpelig und unstet. Das aber machte die Sache dann aber umso sympathischer (und erklärt ja auch vielleicht, warum es Kate Bollinger nicht so sehr mit dem Rockstar-Image hat). Insgesamt präsentierten sich Kate und die Musiker das Material musikalisch geradliniger und poppiger als auf dem Album – gleichwohl der mit selbstgebastelten Papp-Tieren liebevoll ausgestaltete Bühnenhintergrund immer noch ein gewisses spinnertes „Alice In Wonderland“-Flair verbreitete, das Kate ja seit der LP-Veröffentlichung propagiert (was ja auch gut so ist).
Dem Publikum schien das jedenfalls sehr gut zu gefallen zu haben, sodass sich am Ende eine lange Schlange am Merchstand bildete – obwohl es beispielsweise keine CDs mehr zu erstehen gab. Ohne Frage dürfte Kate Bollinger also gerne auf der nächsten Tour auch wieder in Köln vorbeischauen – denn irgendwie scheint sie mit ihrem bodenständigen Retro-Flair, dem ansprechenden Songwriting, ihren nach wie vor spürbaren Jazz-Vibes in Verbindung mit dem klassischen Gitarrenpop-Ansatz die Herzen der Zuschauer gewonnen zu haben.