Platte der Woche KW 27/2025
Von klassischen Singer/Songwritern ist man es ja gewohnt, dass diese sich über ihre Kunst die Seele aus dem Leib reißen und sich in konfessioneller Autotherapie ergehen. Die Sache ist nur die: Der in Manchester gestrandete US-Musikus Brian Christinzio (kurz “BC”) Camplight ist eben kein klassischer Songwriter, sondern ein multiinstrumental agierender Soundwhiz, der in seiner Karriere als Solo-Künstler schon für manche musikalische und produktionstechnische Überraschung gesorgt hat – und sich bis zu seinem letzten Album “The Last Rotation Of Earth” in Sache opulent orchestrierter Chamber-Pop-Grandezza ein eigenes musikalisches Denkmal gesetzt hat, das sich kaum mehr toppen lassen würde. Dazu passt eigentlich gar nicht die Art von selbstzerfleischenden Reflexionen, die sich Camplight seit seinem 2005er Debüt “Hide, Run Away” als Running Commentary zu den Krisenszenarien seines Lebens (wovon es so einige gibt) zum Thema gemacht hat.
Nachdem er zuletzt über seinen Immigranten-Status, die Themen Verlust und Trauer und dem Kampf mit seinen Abhängigkeiten und der geistigen Gesundheit beschäftigt hatte, wandte sich auf seinem siebten Album „A Sober Conversation“ dem vielleicht dunkelsten Kapitel seines Lebens zu. Indem sich Camplight nach einer erfolgreichen Rehab vom Alkohol-Abusus hatte lösen können, kam er an den Punkt, dass er sich in einer „nüchternen Konversation“ mit sich selbst dem Ereignis stellen konnte, das ihn unterbewusst seit seiner Kindheit belastet hatte.
In einem sorgfältig orchestrierten Songreigen beschreibt Camplight in dem Opener „The Tent“ zunächst das Szenario, in dem er als Kind in einem Sommercamp missbraucht wurde, thematisiert dann seinen Weg in die Verdrängung und die Abhängigkeiten und realisiert erst in dem vielleicht verstörendsten Stück seiner Laufbahn, dem Kurzmusical „Rock Gently In Disorder“, die Zusammenhänge. Mit dem – ebenfalls verstörenden – Hörspiel „Leaving Camp Four Oaks“ setzt er dann einen Schlusspunkt unter dieses Kapitel seines Lebens.
Solch finsteres Material bedarf natürlich einer besonderen musikalischen Umsetzung. So verzichtete Camplight darauf, den zuvor eingeschlagenen Weg in Richtung Opulenz weiterzuverfolgen, spielte die neue Scheibe (mit Unterstützung seines Drummers Adam, Dawson) weitestgehend alleine ein und präsentiert musikalisch nochmals eine neue Facette seines Tuns, indem er sich als Piano-Man in einer Art Glamrock-Setting vorstellt. Die anstehende Herbst-Tour wird BC Camplight sogar solo bestreiten – und sich so seinen Fans ohne produktionstechnischen Schutzwall stellen.
Musikalisch ist diese Scheibe logischerweise dann auch deutlich düsterer ausgefallen, als man das von den Werken des Maestro bislang gewohnt hat – wobei die Sache durchaus ihren Reiz hat, da BC ja das Songwriting keinesfalls verlernt – nur eben die emotionale Stoßrichtung geändert hat. In Songs wie dem mit Abigail Morris von The Last Dinner Party als Duett vorgetragenen Single-Track „Two Legged Dog“, dem munteren, Bowiesquen Titeltrack oder dem geradezu leichtfüßigen Pop-Nummer „Bubbles In The Gasoline“ (bei dem ihm seine bisherige Backing-Sängerin Jessica Brennay erneut als Duettpartnerin unter die Arme greift) findet BC Camplight – zumindest musikalisch – zu Momenten ausgesuchter Schönheit und Ausgeglichenheit. Obwohl Schmerz, Verwirrung und Wut auch schon BC Camplights bisherige Scheiben mehr oder weniger stark geprägt haben (wie es in der Bio ganz richtig heißt), ist „A Sober Conversation“ sein bislang mutigstes, persönlichstes, radikalstes und konsequentestes Album geworden.
„A Sober Conversation“ von BC Camplight erscheint auf Bella Union/Rough Trade.