Platte der Woche KW 34/2025
Auf ihrem neuen Album klingen Wolf Alice wie eine Band, die nichts mehr zu bewiesen hat und es trotzdem gerne tut. Nachdem das Londoner Quartett mit seinen ersten drei Alben künstlerisch und kommerziell alles erreicht hatte, was in der Indie-Sphäre möglich ist – mit der 2021er-Glanztat „Blue Weekend“ gelang sogar der Sprung auf den ersten Platz der britischen Albumcharts! -, schlägt die Band nun selbstbewusst ein neues Kapitel auf.
Die jugendliche Verunsicherung, die bisweilen die Texte der bisherigen Alben geprägt hatte, tauschen Ellie Rowsell, Joel Amey, Joff Oddie und Theo Ellis – inzwischen alle jenseits der 30 – nun gegen einen selbstsichereren, klareren Blick auf die Welt ein, wenn die Frontfrau betont scharfsinnig über das Leben und die Liebe sinniert, ohne dass sie in Parolen verfallen muss, um zu beeindrucken.
Auch klanglich findet unter der Produktionsregie des Grammy-prämierten Tausendsassas Greg Kurstin eine Kurskorrektur statt. Ohne ihre Wurzeln im Spannungsfeld von Indierock und Alternative Rock vollends zu vergessen, suchen sich Wolf Alice auf „The Clearing“ neue Herausforderungen und finden diese einmal mehr in der Vergangenheit.
Unverhohlenen Anleihen beim Pop und Rock der 70er-Jahre in all seinen schillernden Facetten drückt die Band hier beeindruckend selbstbewusst und ohne Zögern ihren eigenen Stempel auf und sorgt so mit beeindruckender Leichtigkeit dafür, dass ihr Majorlabel-Erstling praktisch vom ersten Ton an zum Triumphzug wird.
Die härtere, schnellere Seite von Wolf Alice rückt auf „The Clearing“ ein Stück weit in den Hintergrund, dafür gibt sich die Band vielschichtiger als je zuvor und kann gerade auch mit langsameren, nuancierten Liedern glänzen, denn das Songwriting ist so gut, dass es gar keine wuchtige Power braucht, um das Publikum zu begeistern.
So steht dann mit „Thorns“ gleich ein großer, streicherverzierter Piano-Pop-Moment am Anfang der Platte, bevor sich der Ohrwurm „Bloom Baby Bloom“ durch mehrere Genres zu winden scheint und sich so geschickt und fast unmerklich allen Schubladen entzieht. Etwas ganz Ähnliches gilt für „Leaning Against The Wall“, bei dem Gitarren-Fingerpicking den Weg für glitzernde Synthesizer-Drones frei macht.
„Passenger Seat“ dockt derweil mit seinen Roadtrip-Vibes an Modern-Americana-Tugenden an, bevor sich „White Horses“, bei dem sich Drummer Amey den Gesang mit Rowsell teilt, mit seiner kribbeligen Mischung aus Folk, Rock und Psychedelic als heimlicher Favorit des Albums entpuppt. Oder besser gesagt: einer von vielen Favoriten.
Dass „The Clearing“ am Ende trotzdem wie aus einem Guss klingt, ist der beste Beweis dafür, dass Genreschubladen überflüssig sind, solange die Künstlerinnen und Künstler mit großer Leidenschaft, unbändigem Selbstvertrauen und spürbarem Spaß am eigenen Tun bei der Sache sind. Wolf Alice haben das begriffen und sich selbst – und ihr Publikum! – mit einer der beeindruckendsten Platten des Jahres beschenkt.
„The Clearing“ von Wolf Alice erscheint auf RCA/Sony Music.