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Toller Klang, wenig Swing
„It don’t mean a thing, if it ain’t got that swing“ heißt es in dem gleichnamigen Lied von Duke Ellington. Die Aussage ist natürlich völlig überzogen. Dennoch: Bei Diana Kralls Auftritt im Kuppelsaal des Hannoverschen Congress-Zentrums wären die 2.100 Gäste sicher über ein bisschen mehr Swing erfreut gewesen. Die im Trio mit Sebastian Steinberg am Kontrabass und Matt Chamberlain am Schlagzeug dargebotenen Arrangements werden zwar überwiegend sehr zurückhaltend vorgetragen, die herausragenden instrumentalen Fähigkeiten der Musiker kommen bei der tollen Akustik im Saal jedoch wunderbar zur Geltung. Krall lässt ihre Stimme mitunter rau und brüchig klingen, zeigt gefühlvolle Phrasierungen und erzählt zwischendurch Anekdoten aus ihrem musikalischen Leben.
Das Set umfasst vor allem mehr oder weniger bekannte Stücke der üblichen Verdächtigen aus dem Great American Songbook: Cole Porter, Nat King Cole, Irving Berlin. Und leider nur den Titelsong aus dem mit Ehemann Elvis Costello geschriebenen Album „The Girl In The Other Room“, der den Tod von Kralls Mutter verarbeitet. Zusammen mit „Glad Rag Doll“ ragen diese beiden Alben aus dem Katalog heraus, der überwiegend geschmackvolle, oft in Richtung Easy Listening ausgerichtete Cover beinhaltet und gern auch in Pop-Gefilden wildert. Und die, wohlgemerkt, mit Vergnügen zu hören sind. Live freilich reicht der Kanadierin dies nicht. Sie lässt dem großartigen Steinberg Raum für seinen groovenden Bass und Chamberlin streut das eine oder andere versierte Drumsolo ein. Zudem weiß die 60-Jährige selbst am Flügel zu überzeugen.
Für vier Songs entlässt sie ihre Mitstreiter und singt solo am Klavier ein kompaktes „‘S Wonderful“. „That’s it!“ ruft sie angesichts der Kürze der Darbietung dem sichtlich überraschten Publikum augenzwinkernd zu. Burt Bacharachs „The Look Of Love“, in Kralls Studioversion mit Streichern des Claus Ogerman-Orchesters verziert, gewinnt live durch ihre emotionalen Phrasierungen. Krall verweist zudem auf Bacharachs Zusammenarbeit mit Elvis Costello, die 1998 zusammen das Album „Painted From Memory“ aufnahmen. Gern erzählt sie über ihre Kindheit in einem musikalischen Elternhaus, auch von einem Konzerterlebnis als 16-Jährige, als sie Oscar Peterson als große Inspiration für ihr Klavierspiel ausgemacht habe. Nachzuhören in ihrer Version von George Gershwins „I Was Doin‘ All Right“. Ebenfalls solo am Klavier gesungen: Joni Mitchells „A Case Of You“. Gehaucht, brüchig, fast gesprochen und schließlich mit warmer, kräftiger Stimme vorgetragen.
Ohnehin: Joni Mitchell wie auch Billie Holiday werden als Vorbilder genannt. Stimmen, die in ihrer Einzigartigkeit herausragen. Mitchells „Comes Love“ erhält eine bluesige Note, nimmt Fahrt auf, Krall zieht die Hand über die Tasten. Zwischenapplaus – nicht nur hier. Mitchells Lesung von „You’ve Changed“ gelingt auf ihrem orchestrierten Album „Both Sides Now“ jedoch berührender. Cole Porters „I’ve Got You Under My Skin“ wird entschleunigt, eher Bar-Jazz. „Face The Music And Dance“ dekonstruiert und verlangsamt Krall dermaßen, dass Frank Sinatras swingende Aufforderung zum Tanz in weite Ferne rückt. Fats Wallers „I’m Confessin‘“ ist ein Showcase für Steinberg am Bass, kaum Klavier, Gesang nahe am à cappella. Zu selten wird das Tempo angezogen: So wie in „Just You, Just Me“, bei dem das Trio in Anlehnung an Nat King Cole in seinen „After Midnight Sessions“ atemlos durch den Song jagt, angetrieben durch viel Applaus. Oder wie in dem oft gecoverten, hier aber herzlich willkommenen Ritt über die „Route 66“.
Insgesamt ein Konzert zum entspannten Zurücklehnen mit einigen Improvisationen und durchaus spannenden Erweiterungen bekannter Standards. Dem Programm hätte allerdings ein wenig mehr Up-Tempo-Swing gutgetan. Am Ende zwei Zugaben sowie Standing Ovations. Und zu Hause „Live In Paris“ aufgelegt.
Anmerkung: Fotos vom Konzert mussten beim Management von Diana Krall zur Prüfung und Genehmigung eingereicht werden. Lediglich ein Band-Foto darf veröffentlicht werden. Da zuvor ein Vertrag unterschrieben werden musste, halten wir uns an die Auswahl.




