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Dreamtime 2.0
Dass er in seinen Träumen fliegen könne, singt der Stuttgarter Musikus in seinem Song „Flying In My Dreams“ – und irgendwie war die Sache mit dem Träumen und Fliegen auch ein bisschen das Thema des Abends, als Themis mit seinen Freundinnen L.A. Witch im Doppelpack auf Tour ging – denn hier stand alles im Zeichen von Psychedelia und Psych-Rock – klassischen Dreamtime-Stilistiken also. Freilich bedeutete das dann in beiden Fällen keineswegs ein Bekenntnis zum Retro-Hippie-Tum (beispielsweise von der Sorte Brian Jonestown Massacre). Sowohl Themis mit seinem aktuellen Album „Self Mythology“ wie auch L.A. Witch mit ihrem Album „Doggod“ verfolgen eine wesentlich rockigere, rauere Auslegung ihrer Kunst. Das hat – so Sade Sanchez von L.A. Witch – mit der Punk-Vergangenheit der MusikerInnen zu tun.
Im Falle von Themis geht die Zielrichtung dabei (insbesondere auf der Bühne) erstaunlich konkret in Richtung Grunge-Rock und bei L.A. Witch eher in Richtung Psych-, Fuzz- und Garage-Rock – in beiden Fällen aber nicht konkret die erwähnten Stile, sondern eher die Attitüde betreffend. Das Prinzip ist dabei bei beiden Acts ähnlich: Themis zelebriert auf seinen LPs „The Heavy Door“ und „Self Mythology“ die düsteren Aspekte seines Lebens mit einer Betonung seines Lifestyles (wobei ihm zugute kommt, dass er seine Songs dann schreibt, wenn es ihm gut geht und er somit seine Dämonen mit seiner Kunst bekämpfen und gegebenenfalls hinter sich lassen kann). Ähnlich ist das bei den Songs, die Sade Sanchez für L.A. Witch textet – wobei es dabei dann weniger um Lifestyle, sondern vielmehr um Empowerment und Awareness geht. Musikalisch – so zeigten auch die Shows im MTC – geht es beiden Acts darum, mit den beteiligten MusikerInnen gemeinsam die Möglichkeiten des Materials auszuloten.
Bei Themis ist das so, dass er zusammen mit seiner Band (zu der neben Gitarrist Nico Zeitz und Drummer Korbinian Öhy auch die coole neue Bassistin Yoko Noel gehört) die New-Wave- und Darkwave-Aspekte seines Tuns zugunsten einer druckvollen, dynamischen Rock-Ausrichtung hintanstellt und dabei als charismatischer Bandleader agiert, der sich auch einmal traut, sich emotional mit Sirenengeheul zu verausgaben und dabei auch vor theatralischen Stadiengesten nicht zurückscheut.
Bei L.A. Witch ist das dann eher so, dass die drei Stamm-Mitglieder (neben Frontfrau Sade Sanchez sind das Bassistin Irita Pal und Drummerin Ellie English) und die französische Tour-Begleiterin Tara Clamart an Keyboards, Gitarre und Harmoniegesang sich auf musikalische Sperrfeuer-Gefechte mit hohem improvisatorischen Anteil und demzufolge längeren Instrumental-Passagen konzentrieren, wie man sie von der Westcoast-Psychedelia der 60er und 70er Jahre kennt. Das heißt nicht, dass die Texte unwichtig sind, sondern nur, dass der Gesang hier dann eine der Musik untergeordnete Rolle spielt. Wichtig ist es L.A. Witch dabei, alle Aspekte ihres Tuns (also sowohl die inhaltlichen wie musikalischen und sogar das Artwork und die Promotion betreffend) selbst bis ins Detail kontrollieren zu können und zu wollen.
Das Interessante sowohl bei Themis wie auch bei L.A. Witch, der einzelne Song hinter dem Gesamteindruck des Flows zurücksteht. Einzelne Highlights herauszupicken, machte dabei dann wenig Sinn, denn – wie das bei Acts, die sich der Psychedelia verschrieben haben – ist es ja eh wichtig, sich dem besagten Flow auch als Zuhörer hingeben zu können. Wie gesagt, geht das bei Themis dann eher in Richtung Grunge- und Indie-Rock, und bei L.A. Witch stehen dann eher Edgyness und Kaputnik-(Blues)-Vibes im Zentrum – was Sade Sanchez ja (wie bereits angedeutet) auf die Inspirationen und Roots der Musikerinnen zurückgeht. Dem Vernehmen nach konnten sich L.A. Witch auf Jeffrey Lee Pierces Gun Club als inspirativen Mittelgrund einigen – was sich bis heute insbesondere (aber nicht ausschließlich) in Sade Sanchez‘ zunehmend virtuoseren Gitarrenspiel äußert – mehr noch im Live-Kontext als auf den LP-Produktionen, die bis heute dezidiert von einer gewissen Low-Fi-Ästhetik bestimmt werden.
Fazit: Hier waren dann mal zwei befreundete Acts unterwegs, die sich – obwohl stilistisch unterschiedlich – musikalisch hervorragend ergänzten. Auch wenn Themis „nur“ als Support-Act angekündigt worden war, machte das freundschaftliche Verhältnis der beiden Bands die ganze Veranstaltung zu einem runden Ding mit hoher hypnotischer Dreamtime-Qualität. Und dass dabei kein Kunstnebel zum Einsatz kam, war ebenso überraschend wie angenehm.
































