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Man sagt ja immer, dass niemand sich selbst gemacht habe. Und doch stellt sich der Eindruck ein, dass der britischen Songwriterin Sophie Morgan genau das gelungen ist, als sie ihr Alter Ego Luvcat in die Welt setzte. Die Sache ist nämlich die, dass Sophie ihre musikalische Laufbahn unter eigenem Namen aufgrund eines Zufallstreffens mit Simon Jones von The Verve als Singer/Songwriterin im romantischen Folkpopstil begann. Diese Laufbahn nahm dann langsam aber stetig an Fahrt auf. Sophie veröffentlichte drei EPs und ging mit den Waterboys auf Tour. Irgendwann kam allerdings ihr abenteuerlicher Lebenslauf dazwischen, der der Legende nach unter anderem eine Affäre mit einem Zirkusdirektor in Paris beinhaltet – und irgendwann wurde Sophie die Welt der romantischen Liedermacherin dann zu klein. Das war dann wohl die Geburtsstunde von Luvcat, die außer eines flamboyanten Images zwischen Cabaret, Vaudeville, und Moulin Rouge Burleske auch eine neue musikalische Ausrichtung mit sich brachte. Heutzutage agiert Sophie Morgan mit ihren Musikern (die als Big Society auch mit einem eigenen Bandprojekt firmieren) in einer Zwischenwelt aus Drama-, Glam-, Dream-, Kook-, Goth- und Romantik-Pop bzw. Rock, in der sie sich hemmungslos auf ihre Referenzen bezieht; allen voran natürlich The Cure, aber auch Nick Cave, David Bowie, Nick Drake, Kate Bush, Edith Piaf – aber auch David Lynch oder Nick Drake.
Der Name Luvcat ist dabei offensichtlich inspiriert von dem Song „The Lovecats“ von The Cure – den Sophie Morgan auf der Bühne bis heute referenziert. Was hat es denn mit der Persona Luvcat auf sich? „Das bin ich selbst“, meint Sophie schmunzelnd, „wenn ich gefragt werde, ob Luvcat eine Persona oder ein Alter Ego ist, ist die Antwort immer ‚nein‘. Das bin ich selbst. Luvcat ist nur ein Spitzname.“
„Die Wahrheit ist dabei dann nicht alleine in den Geschichten, sondern auch in den Akkordwechseln und den Melodien zu suchen“ – heißt es in einer Luvcat-Bio. „Ja, das ist das Gleiche, als höre man einen Song in einer Sprache, die man nicht selber spricht“, erklärt Sophie, „mein Französisch ist zum Beispiel wirklich schlecht – aber ich kann einen französischen Song auch dann verstehen, wenn man nicht über das vollständige Vokabular verfüge. Es ist dann eine Art Gefühl. Eine Melodie und jede einzelne Nuance in einer gesanglichen Darbietung haben mich schon immer angesprochen, seit ich ein Kind war. Wenn man als Kind bei den Eltern auf dem Rücksitz sitzt und man in Tränen ausbricht, wenn man einen traurigen Song hört – obwohl man nicht versteht, worüber gesungen wird – dann ist das ein pures Gefühl.“
Bedeutet das, dass der Gesang das Wichtigste für Sophie Morgan ist? „Ja, absolut“, bestätigt sie, „und das ist es auch, was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Nicht zu viel über eine Sache nachzudenken, sondern sie einfach zu fühlen.“
Ist es dabei wichtig, dass die Geschichten, die sie erzählt, einen wahren Kern enthalten – oder darf da auch mal die Phantasie übernehmen? „Tatsächlich basieren alle meine Songs auf der Wahrheit“, erklärt Sophie, „ich habe einen Song namens ‚He‘s My Man’, der eine Mörderballade ist. Ich habe natürlich noch niemanden umgebracht – ich bin ja schließlich nicht kriminell. Aber die Emotionen, die Leidenschaft und die Vorstellung, was man alles aus Liebe machen kann, sind mir nicht fremd. Das trage ich in mir – ohne dass ich da gleich die Giftmörderin rauslassen muss.“ Der Song scheint es Sophie besonders angetan zu haben. Inzwischen gibt es nach einem Lyric-Video noch ein drittes Video zu dem Song, wobei der legendäre Punk-Poet John Cooper Clarke den Part des Gemeuchelten verkörpert und Sophie ihre eingebildete Mordlust noch mal steigert und sich als bluttriefende Kettensägen-Killerin präsentiert.
Das Ganze wird dann visuell ziemlich überbordend ausgearbeitet – sowohl was die kunterbunten, filmreifen Videos betrifft, wie auch das Styling und erst recht was Sophies Bühnen-Präsentation angeht. Da könnte man meinen, dass diese visuellen Aspekte mindestens gleichwertig mit der Musik angesetzt sind, oder? „Also immer, wenn ich einen Song schreibe, sehe ich das Video eigentlich schon immer vor meinem geistigen Auge. Bei mir gehen bewegte Bilder und Musik immer Hand in Hand. Für jeden Song versuche ich, eine Atmosphäre aufzubauen, die mich irgendwohin entführt – vielleicht sogar an Orte, an denen ich noch nie gewesen bin. Für mich geht es immer darum, wie mit einem bestimmten Instrument etwas zu malen. Wenn man ein bestimmtes Instrument für einen bestimmten Song speziell auswählt, kann das ein sehr kraftvolles Werkzeug werden. Ich versuche, diese Möglichkeiten auszuloten, mich mittels der Musik an einen anderen Ort transportieren zu lassen.“
Geht es dabei auch darum, eine Rolle zu spielen? Immerhin singt sie in dem Song „Love & Money“ davon, einen Film machen zu wollen (wobei es dabei allerdings um einen XXX-Flick geht). „Nein – ich bin eine schreckliche Schauspielerin“, räumt Sophie ein, „aber ich würde schon gerne mal Schauspielern. Ich würde gerne mal wie Elvis Presley in einem Kinofilm mitspielen – aber ich denke, mein Akzent wäre zu komisch und ich kann mich auch nur von einer Geschichte angezogen fühlen, wenn sie in einem musikalischen Setting angesiedelt wäre. Wenn die Musik spielt, könnte ich wohl eine Geschichte erzählen.“
Mit dem Ansatz, sich und ihre Musik mit einer gewissen glamourösen Grandezza in Szene zu setzen, zapft sie das Potential einer Szene an, in der sich junge Frauen in romantischer Verklärung nach alternativen Idolen jenseits der üblichen Selbstbespiegelungs-Szene umschauen und dabei an Acts wie The Last Dinner Party oder Paris Paloma hängen bleiben (mit denen Luvcat selbst auch bereits auf der Bühne standen). Gibt es da eine gewisse Verantwortung diesen Fans gegenüber? „Als wir zum Beispiel in Köln als Support für The Last Dinner Party gespielt haben, war das das erste Mal, dass ich in diese Szene geraten bin, wo alle im Publikum gekleidet sind wie die Leute auf der Bühne. Zuvor hatte ich immer ein normales, billiges Kleid getragen. Das war eigentlich ein sehr schönes Erlebnis, weil mich das an die musikalische Ära meines Vaters erinnert – als alle das gleiche anhatten und einen Kult daraus machten. Man konnte schon an der Art, wie sie sich kleideten, erkennen, welche Art von Musik die Leute hörten. Heutzutage, wo es so ein breites Spektrum an Musik gibt, kommt das nicht mehr so häufig vor. Ich finde das aber sehr süß. Die Sache mit der Verantwortung für meine Fans nehme ich in dieser Hinsicht schon sehr ernst. Mir liegen meine Fans sehr am Herzen und ich denke, ich muss sie und auch mich beschützen. Eine Rolle mit jemandem anderen zu teilen, ist eine sehr verletzliche Sache. Musik zu teilen und gemeinsam in einem Raum zu erfahren, erzeugt eine ganz besondere Energie. Da muss sich jeder willkommen und sicher und als Teil des Ganzen fühlen können. Es gibt da also eine Verantwortung. Denn am Ende bin ich ja die Gastgeberin des jeweiligen Abends. Ich möchte, dass jeder mit einem glücklichen Gefühl nach Hause geht.“
Wie denkt Sophie Morgan eigentlich über Konkurrenz, Referenzen, Genres oder Stile? Immerhin hat sie sich ja für eine Musikrichtung entschieden, die nicht alleine im Hier und Jetzt verankert ist. „Na ja – ich höre mir ja nicht so viel neue Musik an“, zögert Sophie, „ich denke auch, dass wir alle irgendwie auf unsere Weise einzigartig sind. Mein Vater und mein Großvater haben meinen Musikgeschmack geprägt. Es gibt da diese einzigartige Zusammenstellung verschiedener Künstler. Es gibt also vermutlich nicht eine weitere Mittzwanzigerin aus London mit genau denselben Referenzen. Wir sind alle unterschiedlich einzigartig. Ich habe auch – ehrlich gesagt – noch nicht darüber nachgedacht, dass das ein Problem sein könnte. Ich finde, es ist eine schöne Sache, einem neuen Publikum Referenzen vorzustellen, die es ansonsten nicht kennengelernt hätte. Man muss da einfach auch seinen Instinkten folgen und seine Sicht auf die Welt nutzen. Die kleinen Phrasen, die du verwendest, um etwas zu beschreiben, repräsentieren deine spezifische Herkunft – vielleicht von der Stadt, aus der du stammst. Und ich denke, gerade diese Details sollten in deinem Songwriting einfließen – dann findest du auch deine Identität als Songwriter.“
Details machen ja gute Songs auch erst greifbar. „Genau“, pflichtet Sophie bei, „Details und Spezifika sind mir sehr wichtig. Ich selbst liebe auch Songwriter, die sehr spezifisch sind. Sie erzählen dir vielleicht von einer kleinen Bar in Ohio – und obwohl ich noch nie in den USA gewesen bin, kann ich das nachvollziehen. Es ist wunderbar, wenn man sich auf diese Weise angesprochen fühlt. Indem du Details verwendest, schließt du niemanden aus – sondern lädst ein, diese Details zu teilen.“ So entstanden denn auch Songs wie „Dinner @ Brasserie Zedel“ und „The Kazimir Gardens“, in denen Sophie konkrete Orte referenziert.
Was ist dann die größte Herausforderung für die Songwriterin Sophie Morgan? „Die Herausforderung ist wahrscheinlich die, meinen verrückten Ideen gerecht zu werden“, berichtet Sophie, „denn ich habe nicht allzu viel Zeit dafür – besonders mit den ganzen Shows, die wir dieses Jahr spielen und gespielt haben. Ich möchte aber schon auf dem Aufbauen, was ich bislang gemacht habe. Manchmal muss ich einige verrückten Ideen auch liegen lassen, weil die Zeit einfach nicht reif dafür ist oder das Budget nicht da ist. Aber ich lerne langsam damit umzugehen und das Team wird noch erweitert. Das geht dann Hand in Hand mit dem Lohnendsten an meinem Job. Denn wenn es gelingt, alles wie geplant umzusetzen, dann ist das das Größte.“
Was ist für Sophie das Ausschlaggebende als Songwriterin? „Ich brauche immer ein Konzept für ein Projekt. Zurzeit habe ich schon ein Thema im Kopf – denn dann kann ich alle Emotionen auf dieses Thema fokussieren. Ich liebe besonders harte Texte – die clever und verspielt, aber nicht zu ernst oder anmaßend sind. Ich versuche auch immer, Dinge auf eine Art zu sagen, die ich zuvor noch nicht gehört habe. Alle Songs über die Liebe sollten danach streben, ‚ich liebe dich‘ auf eine schöne, neue Art sagen zu können. Humor ist dabei auch wichtig. Das hat auch mit meiner Herkunft zu tun. Ich bin von Natur aus schelmisch veranlagt – daher auch der Titel des Albums ‚Vicious Delicious‘. Ich versuche auch, mich selbst nicht zu ernst zu nehmen – weil das schon ein lustiger Job ist, den ich habe. Ich möchte, dass meine Texte eine gewisse Leichtigkeit haben. Ich liebe etwa Tom Waits und ich liebe Leonard Cohen – denn deren Texte sind nicht nur romantisch und düster – sondern auch lustig.“
„Vicious Delicious“ von Luvcat erscheint auf Luvcat/SPV.




