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Mensch, nicht Maschine
„Dance Called Memory“ haben Nation Of Language ihr feines viertes Album getauft, und der Titel ist gut gewählt. Schließlich ist das grundsympathische Trio aus Brooklyn mit seiner Melange aus Synth-Wave und Indie-Pop stets auf tanzbaren, aber fast genauso oft auch auf ein wenig nostalgisch anmutenden Pfaden unterwegs. Bei ihrem fabelhaften Gastspiel in Köln haben Ian Richard Devaney, Aidan Noell und Alex MacKay deshalb keine Mühe, das bunt gemischte Publikum im gut gefüllten Gloria vom ersten Ton an zu faszinieren. Es wird, das können wir vorwegnehmen, eine musikalische Lehrstunde (nicht nur für) für Spätgeborene.
Den Anfang macht Westerman. Der Londoner Musiker fabriziert nun schon seit rund einem Jahrzehnt luftige Downtempo-Pop-Songs, mit denen er eine Brücke vom Understatement des Softrocks der späten 70er Jahre zum Pioniergeist des Synth-Pop der 80er schlägt. Das hat ihm in der Vergangenheit bereits schmeichelhafte Vergleiche mit Talk Talk oder The Blue Nile eingebracht, dennoch will sich das Flair seiner Songs in Köln nicht so recht entfalten.
Angetreten mit einem Mitstreiter an der Elektronik, wirkt Westerman in seinem Anzug auf der Bühne des Gloria eher unterkühlt als cool und tut auch mit seinen vereinzelten unbeholfenen Ansagen wenig dafür, einen Draht zum Publikum herzustellen. Vielleicht ist das nur die Nervosität des ersten Tourneeabends, aber zu behaupten, dass der Funke übergesprungen sei, wäre nun wirklich übertrieben.
Um Punkt 21:00 Uhr ist es dann endlich Zeit für die Headliner. Während der Pandemie avancierten Nation Of Language mit ihren Songs zwischen Schwermut und Hoffnungsschimmer zum Soundtrack der kollektiven Niedergeschlagenheit. Auf „Dance Called Memory“ zelebrieren die Amerikaner nun ihre Liebe zum Sound von gestern so ergebnisoffen, facettenreich und dennoch ohrwurmverdächtig wie nie zuvor, wenn sie zwischen Puls und Präzision ihren eigenen Weg finden – oder wie es ein Besucher des Konzerts in Berlin wenige Tage später umschreibt: Die Band spielt Kraftwerk-Synthies als wären sie Manchester-Post-Punks 1983 und streut ab und an eine shoegazige Gitarre ein.
Entstanden sind dabei Songs, die analoge Texturen mit moderner Klarheit verbinden und so gleichermaßen die Post-Punk-Vibes der Vergangenheit und die Energie der Gegenwart widerspiegeln.
Damit treffen sie auch in ganz offensichtlich den Nerv des Publikums, dass sich sofort von der positiven Energie anstecken lässt, die Nation Of Language auf der Bühne ausstrahlen, oder wie Noell es freudestrahlend ausdrückt: „Danke, dass ihr alle tanzt. An einem Dienstagabend weiß man ja nie so genau, was man zu erwarten hat!“
Die Begeisterung vor der Bühne verdient sich die Band allerdings redlich, denn mit ihrer genau 75-minütigen Performance treffen Nation Of Language mühelos den Sweet Spot zwischen Kontrolle und Überzeugung. Ian vereint – eindringlich und doch herrlich ungezwungen – die Intensität von Ian Curtis und das Charisma von Dave Gahan, MacKays Bass sorgt für die Bodenhaftung, während Noell an ihrer Workstation mit allerlei Synthesizern und anderen elektronischen Hilfsmitteln das Gerüst für die fließende Präzision ihres zeitlos schönen Vintage-Electro-Pops baut.
Besonders bemerkenswert dabei: Während andere Bands monatelang jeden Abend die gleichen Setlist durchorgeln und ihr neues Album praktisch komplett spielen, würfeln Nation Of Language ihr fast paritätisch aus allen Platten zusammengebautes Programm jeden Abend neu zusammen.
So gibt es in Köln im Vergleich zum letzten Konzert zwei Tage zuvor in Nijmegen einen neuen Opener („Spare Me The Decision“), eine neue Schlussnummer („The Wall & I“) und mit Ausnahme des (un)heimlichen Superhits „Weak In Your Light“ auch eine komplett andere Zugabe. Ihre neue Single „In Another Life“ spielen sie hingegen an diesem Abend gar nicht.
Doch selbst das ist Devaney offensichtlich noch nicht Spontaneität genug, denn selbst während des Konzerts ändert er noch einmal die zuvor festgelegte Reihenfolge – und torpediert dann auch noch augenzwinkernd Noells Versuch, dem Lichttechniker hinten im Saal diese Änderung möglichst unauffällig zu kommunizieren…
Noch schöner ist eigentlich nur, dass sich die neuen Songs nicht nur bruchlos in die liebgewonnenen alten Hits einfügen, sondern dem Schaffend er Band tatsächlich neue Facetten hinzufügen, ganz egal, ob es ein Hauch von My Bloody Valentine beim imposanten „I’m Not Ready For The Change“ ist, sich „Silhouette“ leise, introspektiv und verletzlich als Showstopper entpuppt oder „In Your Head“ perfekt im Spannungsfeld von Mensch und Maschine fesselt.
Genau das gilt aber auch für viele andere Nummern, denn bei Nation Of Language steht immer die menschliche Note und nie die Elektronik im Mittelpunkt. Dies ist Musik, die auf Zurückhaltung basiert, aber von Emotionen angetrieben wird. Mit einem Wort: hinreißend!



























