Am 28. November 2025 ist der Record Store Day. Dort wird exklusiv und auf Vinyl „Who Believes In Angels? Live At The London Palladium“ erhältlich sein – ein Abend mit Elton John und Brandi Carlile anlässlich der Veröffentlichung ihres gemeinsamen Albums. Mit Carlile kehrte John zum Sound seines Meisterwerks „Yellow Brick Road“ zurück, heraus kam mit die beste Musik, die es im laufenden Jahr zu hören gab. Und ja, Brandi Carlile hat sich weiter verdient gemacht. Nach Joni Mitchells Schlaganfall hat sie sie mit wechselnden Musikern immer wieder besucht – zu „Joni Jams“. Und im Sommer 2022 stupst sie Mitchell beim Newport Festival sogar auf die Bühne, wenn auch in einen Ohrensessel. Es ist mehr ein Raunen, die Höhen im Gesang übernehmen andere, doch Mitchell scheint ihren Spaß zu haben, das Publikum jubelt. Es ist bewegend.
Nun aber, nach vier Jahren ohne eigenem Album und bereits einem halben Jahr nach der Zusammenarbeit mit Elton John, erscheint „Returning To Myself“. Was wie ein Ratgeber klingt, spiegelt offensichtlich ihren Gemütszustand. Die Rückkehr zu sich selbst sei zwar eine einsame Sache, aber schließlich gebe sie sich auch ihren Fans wieder zurück, singt sie zur Akustikgitarre im Titelsong. Sie klingt dabei wie Joan Baez. „Human“ ist – klar – ein Appell an die Menschlichkeit in poppigem Gewand. „A Woman Oversees“ kommt mit ein wenig Rhodes-Piano aus und ist ein Gospel, in dem aber ganz weltlich in der Mitte des Lebens Bilanz gezogen wird. Weniger Dancefloor, dafür mit einer Prise Americana nähert sich „A War In Time“ Taylor Swift & Co. Früher fand man Carlile im Country-Fach; da mochte man spätestens ihr Vorgänger-Album „In These Silent Days“ nicht mehr einordnen.
Politisch wird Carlile mit „Church & State“, einem fast wütenden Rocker, der im Angesicht der Wiederwahl von Donald Trump eine Trennung zwischen Kirche und Staat anmahnt, ein Zitat von Thomas Jefferson, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten, hinzugefügt. Starproduzent Andrew Watt (Ozzy Osborne, Iggy Pop, Rolling Stones), The Nationals Aaron Dessner und Justin Vernon alias Bon Iver haben Carlile bei der Produktion unterstützt und mischen auch als Musiker mit.
Elton John sagt Dankeschön für den Spaziergang über die gelbe Straße und begleitet Carlile bei „No One Knows Us“ am Rhodes-Piano. Die 44-Jährige sinniert über eine unsichere Zukunft, der Americana-Pop strahlt jedoch Optimismus aus. „Some kids make it home at night/And some kids never do/I almost had to lose my mind to be found by you“ singt Carlile mit ihrer warmen Stimme in dem Abschlusslied „A Long Goodbye“, das sich um das Leben beeinflussende Wendepunkte dreht.
Der schönste Song auf „Returning To Myself“ aber ist „Joni“, die Hommage an die Grande Dame aus dem Laurel Canyon. Mit Jaco-Pastorius-Gedächtnis-Bass und Mark Ishams Saxofon. „Let’s go dancing, you can lean on me, Jon‘, I won’t even sway“, motiviert sie das malade Idol, „and when I tell you I love you, and you tell me, ‚Okay‘. I know you believe me, and that’s love in your way“ – man versteht, dass Mitchell Carlile gern empfing. Brandi Carlile muss ein empathischer Mensch sein.
„Returning To Myself“ von Brandi Carlile erscheint auf Interscope/Universal.




