Sie würden sich wohl gut verstehen, hätte sie Cate Le Bon zu einem künstlerischen Austausch eingeladen: Laurie Andersen und Kate Bush, aus der jüngeren Generation vielleicht noch St. Vincent und Julia Holter. Von Wolke 7 könnte David Bowie milde herabblicken und seinen Geist hinabschweben lassen. John Cale, Waliser wie Le Bon, schaute für die Aufnahme von „Ride“ tatsächlich ins Studio und steuerte Gesang bei. Das Repetitive und Monotone nähert sich dem Hypnotischen auf einer atmosphärisch dichten Platte, deren Stücke keiner Trennung bedurft hätten. Der elektronische Flow zieht die Hörer*innen hinein in eine Welt, die so Le Bon von Colette Lumières Installation „Real Dream“ inspiriert sei. Sie zeigt die Künstlerin nackt in einer Art Gruft liegend, die Wände mit Fallschirmseide und Samt verkleidet, dazwischen künstliche Vögel, herabhängende Schnüre und ein Spiegel. Das neue Album solle wie eine Installation wirken, sagt sie im Rolling Stone. Das Video zu „Heaven Is No Feeling“ zeigt Le Bon in einem Lumière nachempfundenen Raum.
Le Bon hat ihre Texte nach einer schmerzhaften Trennung geschrieben. In „About Time“ singt sie: „Real dream embraced/I’m not lying in a bed you made“. Ein Versuch der Befreiung vielleicht, das Zugeständnis schutzloser Zerbrechlichkeit, die immer wiederkehrenden Erinnerungen. „There’s no human way/I can move around her/Does she sleep like a stone/′Cause you touch her more?“ heißt es in „Love Unrehearsed“. Eine Marmorstatue, die nicht mehr zum Leben erweckt werden kann, wie es Pygmalion gelingt. Vieles bleibt assoziativ. Le Bons Synthesizer schwillt auf und ab, mäandert durch Seelenlandschaften, die zu Klang geworden sind. „I’d sing love’s story“, aber es wird nichts ändern. „I love him/And nothing‘s gonna change it“, konstatiert Le Bon.
Man mag keine Songs hervorheben. „Mothers Of Riches“ erinnert an die kühl dahinfließende Popästhetik von Roxy Music in der Spätphase. Wie auch das sarkastisch anmutende „Is It Worth It? (Happy Birthday)“. Songs, die melodisch hervorlugen. Und die letzte Zeile des trotzigen Schlusssongs „I Know What’s Nice“ lautet „I can’t break down“. Le Bon spielt neben den Synthies auch Gitarre und Bass. Piano, Schlagzeug und Klavier kommen hinzu, Eijan Hinshelwoods Saxofon mischt sich Drone-artig darunter.
„Michelangelo Dying“ hat Cate Timothy alias Cate Le Bon ihr Album genannt. 2024 begann wahrscheinlich dessen Entstehungsprozess. Michelangelos Geburtstag lag da 550 Jahre zurück. Gestorben ist er mit 88 Jahren beim Bau der Kuppel des Petersdoms. Dieser ehrt das Martyrium des Apostels Petrus, der unter Nero in Rom gekreuzigt wurde. So viel Pein und Leid wollen wir Le Bon nicht wünschen. Mögen die Songs dieses Albums ihr bei der Trennungsverarbeitung geholfen haben. Der Schmerz, lehrt die Popgeschichte, bringt hingegen oft die besten Alben hervor.
„Michelangelo Dying“ von Cate Le Bon erscheint auf Mexican Summer.




