In den 90er-Jahren war Juliana Hatfield eines der Postergirls des Indierock, doch wirklich glücklich im Rampenlicht war die inzwischen 58-jährige amerikanische Singer/Songwriterin nie. Mit dem zumindest in kommerzieller Hinsicht enttäuschenden Album „Only Everything“ endeten 1995 ihre Majorlabel-Ambitionen, vom Musikmachen konnte die aus Massachusetts stammende Musikerin allerdings nie die Finger lassen. Ihr neues Album, „Lightning Might Strike“, ist bereits ihr 17.
Weil Hatfield – einst auch Frontfrau der Blake Babies und Bassistin der Lemonheads – seit der Veröffentlichung von „Made In China“ 2006 und einem letzten Deutschlandkonzert im Gleis 22 in Münster im gleichen Jahr ihre Promo- und Tour-Aktivitäten praktisch komplett auf ihr Heimatland begrenzt, haben deshalb nur ein paar Eingeweihte mitbekommen, dass ihre seitdem erschienenen Platten – darunter auch drei Tribute-Alben mit Coverversionen von The Police, Olivia Newton-John und ELO – viel mehr Substanz haben als praktisch alle anderen halben Popstars der 90er-Jahre-Indie-Bubble. Trotzdem ist „Lightning Might Strike“ ihre vielleicht beste LP seit 20 Jahren – und das hat Gründe.
Nichts befeuert das kreative Tun von Künstlerinnen und Künstlern mehr als echte Gefühle, und davon hat Hatfield auf ihrem neuen Album eine ganze Menge zu verarbeiten. Mit diesen zwölf neuen Songs lässt sie gleich eine Reihe einschneidender Erlebnisse Revue passieren, die in den letzten Jahren deutliche Spuren in ihrem Leben hinterlassen haben: der Umzug in eine neue Stadt nach mehr als 20 Jahren am gleichen Ort, der Tod eines langjährigen Freundes und ihres geliebten Hundes und die Krebserkrankung ihrer Mutter sind nur einige davon.
In den um Schicksal, Hoffnung und Dankbarkeit kreisenden Songs nimmt sie aber nicht nur zu diesen konkreten Ereignissen Bezug, sondern beschreibt nicht zuletzt auch, wie diese traumatischen Erlebnisse dazu geführt haben, sich intensiver denn je mit sich selbst auseinanderzusetzen. Doch auch wenn viele der Lieder mit so unmissverständlichen Titeln wie „Fall Apart“, „Long Slow Nervous Breakdown“ oder „My House Is Not My Dream House“ von Tragik und Trauer geprägt sind, klingen sie zum Glück nicht so.
Eingespielt mit Schlagzeuger Chris Anzalone und Bassist Ed Valauskas, kommt Hatfield auf „Lightning Might Strike“ dem klassischen Sound ihrer Früh-90er Highlights „Hey Babe“ und „Become What You Are“ hier unaufgeregt und cool näher als je zuvor, sorgt aber mit Schlenkern zum klassischen 70er-Jahre-Power-Pop und dem Alternative-Pop der Jahrtausendwende dafür, dass diese Songs nicht nur wie ein Abziehbild ihrer erfolgreichsten Platten klingen.
Dass sie sich dabei eingängige Melodien so locker aus dem Ärmel schüttelt wie schon lange nicht mehr, macht „Lightning Might Strike“ zu einem echten Highlight (nicht nur) für Indierocker und Indierockettes in den besten Jahren.
„Lightning Might Strike“ von Juliana Hatfield erscheint auf American Laundromat.




