Ziemlich rasch erscheint mit „Live God“ nun ein Dokument der 2024er Tour von Nick Cave & The Bad Seeds, auf der die Band das Material der damals gerade erschienenen LP „Wild God“ im Kontext der wiedergefundenen Lebensfreude des Meisters in geradezu zelebratorischer Manier präsentierte. Das Abschlusskonzert des Europa-Ablegers der Tour vom 17.11.2024 in der Pariser Accor Arena wurde bereits auf arte gesendet und vermittelt den vielleicht besten Eindruck von einem Konzert auf dieser Tour (die im kommenden Jahr mit Festival- und Open-Air Terminen wieder aufgenommen wird). Die Lead-Single des aktuellen Albums „Wild God“ ist dieser Aufzeichnung entnommen.
Von dem positiven Eindruck der Pariser Show ist der nun vorliegende, als Kompilation ausgeführte Tonträger ein gutes Stück entfernt. Nicht wegen der musikalischen Qualität, sondern wegen des Formates – bei dem auf einer Doppel-LP (bzw. CD) zwar eine generelle Übersicht über das Programm der Tour gegeben wird – allerdings einige maßgebliche Songs weggelassen wurden. So etwa die Mörderballade „Jubilee Street“ von dem Album „Push The Sky Away“ – deren Geschichte Cave in den Lyrics zu dem Song „Wild God“ ja nochmals aufgreift – aber auch die Klassiker „Mercy Street“ und „Papa Won’t Leave You, Henry“, die auf der Tour regelmäßig gespielt wurden glänzen durch Abwesenheit.
Worum aber ging es musikalisch? Mit dem Album „Wild God“ schlug Nick Cave nach dem Tod seiner beide Söhne Arthur (2015) und Jethro (2022) ein neues – und für viele überraschend lebensbejahendes – musikalisches Kapitel auf und präsentierte das Album mit einer geradezu feierlichen Attitüde in einem opulenten Setting. Nach eigener Aussage hatte er mit Hilfe des Publikums zu dieser Einstellung finden können und bezeichnete die Shows der sich an die Veröffentlichung anschließenden „Live God Tour“ dann als „Gegenmittel gegen die Verzweiflung“. Musikalisch macht sich das – auch auf dem nun vorliegenden Album – dadurch bemerkbar, dass sich alle Beteiligten (inklusive des aus Janet Rasmus, T Jae Cole, Mica Townsend und Wendi Rose bestehenden Backing-Chores) mit einer Inbrunst ins Geschehen stürzten, was dann – mehr noch als das früher eh schon der Fall gewesen war – in eine Art Gospel-Messe ausartete.
Für die 2024er Tour war Colin Greenwood von Radiohead als Bassist verpflichtet worden und sorgte mit dem geradezu manisch agierenden Larry Mullins am Drumkit und dem mit knorriger Rockstar-Attitüde vor sich hinwerkelnden Warren Ellis für ordentlich Druck im Kessel wenn es an die hymnischen Tracks wie eben „Wild God“ oder knackige Klassiker wie „From Her To Eternity“ oder „Red Right Hand“ ging. Auf der anderen Seite gibt es dann die lyrische Seelenstreichelei von Songs wie „Joy“, dem Spiritual „I Need You“, logischerweise dem abschließenden „Into My Arms“, das Cave zusammen mit dem Publikum „solo“ vortrug oder der charmanten Hommage an Anita Lane, der Cave mit „O Wow Oh Wow How Beautiful She Is“ ein posthumes Liebeslied schrieb. Abgerundet wird das musikalische Angebot durch die Songs „White Elephant“ und dem Titeltrack „Carnage“ des gemeinsamen 21er Albums von Nick Cave und Warren Ellis.
Im Vergleich zu der auf arte gesendeten Pariser Show ist die Soundqualität auf dem Tonträger als zumindest problematisch anzusehen. Insbesondere der Drum-Sound kommt oft matschig daher, und auch die Vocals lassen oft an Definition und Schärfe vermissen und gehen demzufolge oft im Soundmix unter. Seltsam auch die Idee, bei einigen Tracks wie z.B. „Red Right Hand“ die Publikums-Beteiligung teilweise aus- und einzublenden. Fazit: Das ist dann mal wieder eines jener Live-Alben, die – unabhängig von der gebotenen musikalischen Qualität konzeptionelle Fragen offen lassen und Fans (nicht zuletzt aufgrund der Programm-Lücken – eher unbefriedigt zurück lassen. Klare Empfehlung: Wer kann, möge sich die Pariser Show reinpfeifen.
„Live God“ von Nick Cave & The Bad Seeds erscheint auf PIAS.




