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Schnecken, Echos & Träume
Als Tara Nome Doyle am 12.03.2020 zum ersten Mal Köln aufspielte (damals in der ausverkauften Wohngemeinschaft), bedeutete das sozusagen das Ende eines Anfangs. Denn wenige Tage später machte die ausbrechende Pandemie nicht nur die Fortsetzung von Taras unglücklich auf diesen Termin verschobenen Tour für ihr „Alchemy“-Album, sondern auch den gesamten Konzertbetrieb unmöglich. Als danach Taras zweites Album „Værmin“ 2022 – immer noch in der Pandemie-Phase – erschien, konnte es auch keine richtige Tour geben. Tatsächlich war also die aktuelle Konzertreise zu Taras drittem Album „Ekko“ die erste, die die Berliner Künstlerin ohne Wenn und Aber wie geplant realisieren konnte.
Eine Zeitlang hatte Tara mit dem Gedanken gespielt, auch diese Tour (wie die abgebrochene erste) wieder mit einer Band zu absolvieren; war aber im Rahmen der Arbeiten an ihrem aktuellen, dezidiert reduziert arrangierten Album „Ekko“ zu der Erkenntnis gekommen, dass weniger in dem Falle auch auf der Bühne doch mehr sein könnte – zumal sie auch entsprechend positives Feedback von den Fans auf ihre Solo-Shows erhalten hatte – sodass sie sich entschlossen hatte, nun solo aufzutreten. Insofern machte es dann auch Sinn, dass das Jaki für diese Show bestuhlt worden war – zumal auf diese Weise alle Zuschauer die relativ niedrige Bühne mit der sitzenden Künstlerin auch einsehen konnten.
Als Support-Act hatte sich Tara Nome Doyle den australischen Wahlberliner Lucas Laufen mitgebracht, mit dem sie eine langjährige Bekanntschaft verbindet. Lucas gehört dabei zur Spezies der sanftmütigen musikalischen Seelenstreichler. Prinzipiell erzählt er in seinen ansprechend strukturierten, geradlinigen Folk-Songs aus seinem Leben – von seinen Reisen und seinen Abenteuern als Troubadour. Das ist dann alles nicht sehr spektakulär (und soll es auch gar nicht sein), aber Lucas‘ zurückhaltende, beruhigende, fast schon schüchterne Art, sein Material in der Tradition skandinavischer Kollegen an die Zuhörer heranzutragen, trägt dafür Sorge, dass man sich als Zuhörer fast schon zwangsläufig auf die Geschichten des Liedermachers konzentriert.
Aufgrund der melancholischen Note seiner Whisperfolk-Elegien wäre Lucas eigentlich ein Kandidat für die Männerschmerz-Fraktion. Dagegen sprechen aber zwei Tatsachen: Zum einen nämlich, dass sich Laufen klassischer Americana-Traditionen verwehrt und seine Songs zwar in der harmonischen und strukturellen Art von Indie-Kings wie Nick Drake oder Elliott Smith anlegt – aber zum anderen überhaupt nichts mit Larmoyanz, Selbstmitleid oder Depressionen am Hut hat, sondern in seinen mit greifbaren authentischen Referenzen gespickten Geschichten immer auch einen Hauch von Hoffnung und tröstlicher Positivität mitschwingen lässt. Das beste Beispiel dafür wäre der neue (für das nächste Album geplante) Song über Sonja – eine junge Frau mit einer letztlich terminalen Herzschwäche, die Laufen aber mit ihrer ansteckenden Lebensfreude begeistert hatte. Tara Nome Doyle wird übrigens auf der Studio-Version dieses Songs dann mitsingen. Noch eine kleine Anekdote am Rande: Wie Tara Nome Doyle, so war auch Lucas Laufen von der ausbrechenden Pandemie zeitgleich mit seiner letzten Show vor der ersten Lockdown-Phase in Köln ausgebremst worden – und hat das in dem Song „In Cologne“ zum Thema gemacht.
Als Tara Nome Doyle dann nach einer kurzen Pause auf die Bühne kam und die Show traditionellerweise mit dem auf Norwegisch a cappella vorgetragenen Song „Till Till Tara“ von ihrer ersten EP „Dandelion“ eröffnete, war ihr die Erleichterung, dass dieses Mal keine dystopischen Katastrophen im Raum standen, fühlbar anzumerken. So machte sie in einer kurzen Ansprache deutlich, dass sie auf dieser Tour nun erstmals so richtig wahrnehmen könne, wie es sich anfühle, als Headliner auf Reisen gehen zu können.
Wie bereits angedeutet, präsentierte sich Tara auf der „Ekko“-Tour mit einem sorgfältig inszenierten Solo-Setting – umgeben von ihren Instrumenten – darunter natürlich ihr Klavier, ein Synthesizer zu ihrer Linken, eine Loop-Station auf der rechten Seite und erstmals auch ihre Gitarre. Zusätzliche Elemente, wie z.B. Streicher- und Mellotron-Parts oder Samples wurden zusätzlich eingespielt und die Harmonie-Vocals konstruierte Tara on the fly mit der Loop-Station. Obwohl Tara bei der Präsentation dann – bis auf einige illustrierende Gesten – weitestgehend auf performerische Effekte verzichtete, passierte dann auf der Bühne (trotz des reduzierten Settings) doch eine ganze Menge.
Statt einer klassischen Setlist hatte sich Tara eine Art Regieanweisung ausgearbeitet, auf der nicht nur die technischen Features für die einzelnen Songs notiert waren, sondern auch Stichworte für die Ansagen zwischen den Songs, in denen Tara die Geschichten hinter den einzelnen Tracks erläuterte. Trotzdem wirkte der Vortrag jetzt nicht ungebührlich statisch und einstudiert – was auch an dem einnehmenden Plauderton lag, mit dem Tara ihre Performance unterlegte. Insgesamt – so schien es – richtete Tara dabei ihr Augenmerk stärker auf die persönlichen, als die mythologischen Aspekte des Materials – und wirkte dabei ganz mit sich im Reinen.
Das Programm der Show bestand weitestgehend aus den Songs der letzten beiden Alben – denn ihr erstes hatte ja noch nicht in einem Live-Setting präsentiert werden können. Während das Ungeziefer des „Værmin“-Albums dann durch „Snails“, „Mosquito“ und „Spider“ repräsentiert wurde, waren es dann die Songs des mythologisch fundierten „Ekko“-Albums, die den Löwenteil des Programms ausmachten. Für Fans vielleicht am interessantesten waren dann aber die Tracks, die bislang unterrepräsentierte Facetten der Künstlerin ins Zentrum stellten – so beispielsweise die beiden auf Deutsch vorgetragenen Stücke „Du träumst“ und „Hinter den Wolken“ (beides Auftragsarbeiten für Film-Soundtracks) oder die Stücke, bei denen Tara auch auf der Bühne zum ersten Mal zur Gitarre griff. „Bad Days“ und „Dive In“ hatte Tara unter anderem deswegen auf der Gitarre geschrieben, um sich eine neue musikalische Herausforderung zu suchen, denn mit der Gitarre eröffnen sich in harmonischer und melodischer Hinsicht ja grundsätzlich andere Möglichkeiten als auf dem Klavier. Interessanterweise gehören diese Songs dann auch zu den persönlichsten Taras, denn hier ging es nicht um die Geschichte von Echo und Narzissus, sondern darum, wie Tara in einer Phase der mentalen Instabilität über die Musik und die darin verarbeitete erfahrene Unterstützung aus ihrem persönlichen Umfeld wieder zu sich selbst gefunden hat. Ganz klar gehörten diese Songs dann auch zu den emotionalen Highlights der Show – vielleicht sogar gerade deswegen, weil Tara mit noch weniger auskam.
Gegen Ende der Show bat Tara dann noch ein Mal Lucas Laufen auf die Bühne, wobei dann beide gemeinsam zwei Songs vortrugen – einen von Lucas und einen von Tara. Danach folgte dann mit der Single „Lighthouse“ der vielleicht poppigste Moment des Abends (obwohl es ja nicht wirklich um ein Pop-Konzert ging) und mit „Spider“ von „Værmin“ eine typische Tara Nome Doyle-Hymne. Für die Zugabe wurde dann in den „Schlaflied-Modus“ umgeschaltet und es gab dann noch den Song „The Moments We Keep“, den Tara 2021 zusammen mit ihrem italienischen Kollegen Federico Albanese (der wie sie in Berlin lebt) für die gleichnamige, gemeinsame EP geschrieben hatte und das bereits erwähnte, deutschsprachige Lied „Hinter den Wolken“, welches Tara – deutlicher noch als auf der LP – im Kunstlied-Modus vortrug.
Nachdem Tara noch für eine spontane Zugabe auf die Bühne geklatscht worden war, versammelten sich alle Beteiligten im Vorraum des Jaki-Clubs, wo Tara noch Fotos mit einer Thermodruck-Sofortbild-Kamera von den Fans machte und diese bat, einen Kommentar in einem Gästebuch zu hinterlassen – so als wolle sie dokumentieren, dass der Abend nicht etwa nur ein Traum gewesen war.